Broadcast, Top-Story, eSports: 14.10.2014

Live-Produktion bei E-Sports-Event: Gamers Paradise

Mobile Produktion, 18 Kameras, 22 Remote-Signale, Videomischer an der Auslastungsgrenze, technisch höchster Anspruch: Da denkt man bisher in Deutschland zuerst an eine große Fußballübertragung. Was TV Skyline unter diesen Vorzeichen in Köln realisierte, kommt aber aus einer ganz anderen Ecke: Der Spiele­hersteller Riot Games realisierte im Rahmen der Computerspielmesse Gamescom ein Turnier der »­League of Legends Championship Series«, ließ es AV-technisch aufwändig in Szene setzen und streamte es weltweit.

Die Gamescom ist das weltweit größte Event-Highlight für Computer- und Konsolen-Spieler. In diesem Jahr zog die Messe mehr als 335.000 Gamer nach Köln. Riot Games, der Hersteller des populären Online-Spiels »League of Legends«, nutzte die Messe auch, um ein E-Sports-Turnier seiner »Championship Series« in Köln auszutragen und weltweit live zu streamen.

Als technischen Dienstleister beauftragte Riot Games nach 2013 abermals das Mainzer Unternehmen TV Skyline mit der Live-Produktion vor Ort. 18 Kameras wurden eingesetzt, um die Turnierspieler — zwei Teams aus je fünf Spielern —, die Kommentatoren und weitere Bilder aus der Veranstaltungshalle aufzunehmen. Zusammen mit dem computergenerierten Spielgeschehen, wurde daraus vor Ort ein Live-Programm für die Leinwand in der Halle produziert. Parallel wurden die insgesamt 22 Signale in die USA übertragen, dort ebenfalls live für den internationalen Markt aufbereitet und anschließend als Stream via Internet verbreitet.

TV Skyline ist schon seit längerem für Riot Games in diesem Bereich tätig und hat für den Spiele-Hersteller Veranstaltungen an verschiedenen Orten in Europa auf diese Weise produziert. Seit Januar 2014 realisiert TV Skyline wöchentlich ein E-Sports-Turnier für den Computerspiel-Hersteller in dieser Form als Remote-Production.

Üblicherweise ist das Ziel von Remote-Production, die Teams und den Aufwand vor Ort zu reduzieren und stattdessen die Signale in die Zentrale zu übertragen und dort mit der vorhandenen Technik daraus das Programm zu gestalten. Bei den Veranstaltungen der »League of Legends Championship Series« ist das prinzipiell ähnlich, aber es muss eben auch für das Publikum vor Ort ein Live-Bild ohne Laufzeiten und zeitliche Verzögerung auf der Leinwand geben, deshalb wird parallel produziert: Das Veranstaltungsbild entsteht komplett vor Ort, das Weltbild, das per Streaming verbreitet wird, entsteht hingegen per Remote-Production.

Riot Games aus Los Angeles ist somit Vorreiter im Bereich Remote-Production und hat ein ausgeklügeltes Konzept für die eigenen E-Sports-Events entwickelt: Die Signale der Turniere an unterschiedlichsten Orten weltweit werden nach Los Angeles transferiert und von dort aus per Streaming ausgestrahlt.

Ausschnitte der Gamescom-Produktion in Köln.
Wachsende Popularität

Gerade bei Veranstaltungen wie der Gamescom wird klar, wie stark das Interesse an diesem Themenbereich insgesamt und an »League of Legends« im besonderen ist: Die Arena von Riot Games, die bei der diesjährigen Gamescom die halbe Halle 8 der Kölner Messe belegte, war bereits 30 Minuten nach Öffnung der Gamescom mit über 3.000 Personen gefüllt, sodass die Security den Stand abriegelte. Nur kurze Zeit später reichte dann die Warteschlange komplett einmal um den Messestand herum.

League Championship Series

»League of Legends« ist ein Online-Strategiespiel, bei dem zwei Teams aus jeweils fünf Spielern gegeneinander antreten. Riot Games hat dieses Spiel entwickelt und gemeinsam mit den beiden E-Sport-Ligen ESL und MLG (Major League Gaming), die »League Championship Series« gegründet.

Dabei finden weltweit Turniere statt, in denen jeweils zwei Teams innerhalb von »League of Legends« direkt gegeneinander spielen. Die Turniere werden an verschiedenen Orten in Europa, Asien und Nordamerika ausgetragen und werden von Riot Games im Internet per Streaming verbreitet.

Mit seinen Übertragungen im Internet erreicht der Spielehersteller Millionen Gamer, die diese Streams weltweit abrufen. Das Ganze hat sich mittlerweile zu einem ernsthaften, millionenschweren Business entwickelt. Die erfolgreichsten Turnierspieler, viele darunter aus Asien und den USA, sind Profis und verdienen mit ihrer Passion mehrere Millionen US-Dollar pro Jahr. In der Gamer-Community haben sie — vor allem in Asien — teilweise einen ähnlichen Status wie prominente Fußballspieler.

So erklärt sich, dass die Hersteller solcher Online-Spiele sehr viel dafür tun, ihre Spiele und die darin vorhandenen Kaufoptionen den Interessenten auf allen Kanälen zu zeigen und sie damit noch präsenter und interessanter zu machen.

Rundum-Berichterstattung

»Die Produktion eines solchen E-Sports-Turniers muss man sich vorstellen, wie die eines wichtigen Champions-League-Spiels: Da gibt es eine umfangreiche Vor- und Nachberichterstattung, Spielanalysen mit Wiederholungen und Slomos, Highlight-Zusammenschnitte, Zusatzinfos zu den einzelnen Spielern, Flash-Interviews, die Verwertung und Analyse der Teamkommunikation und natürlich auch Experten und Kommentatoren, die durch das ganze Turnier führen«, erklärt Robert Kis, Geschäftsführer von TV Skyline.

Produktion in Europa

Der Mainzer TV-Dienstleister TV Skyline begann im vergangenen Jahr damit, für den Spielehersteller Riot Games aus Los Angeles die ersten E-Sports-Turniere zu produzieren. Seither hat TV Skyline wöchentlich die fernsehtechnische Umsetzung der Europaliga in Köln und zusätzlich europäische Turniere aus Paris und London realisiert.

Das Besondere daran: die Turniere fanden zwar in Europa statt, und am jeweiligen Veranstaltungsort stand auch immer der Ü-Wagen von TV-Skyline, um das Signal für das Publikum vor Ort zu produzieren. Die Quellensignale schickte TV-Skyline aber jeweils parallel per Glasfaser zu Riot Games nach Los Angeles.

Der Ü-Wagen am Veranstaltungsort ist also für die Signalverwaltung und -verteilung zuständig, die vor Ort erforderlich ist. Die Kameras werden vor Ort bedient, ausgesteuert und überwacht. Die Bildregie vor Ort ist aber exklusiv für die Beschickung der Monitore und Bildwände am Veranstaltungsort zuständig. Parallel werden die Quellensignale nach USA übertragen und dort gestaltet eine zweite Crew das Streaming-Signal.

Eine so aufwändige Produktion erfordert zum einen umfangreiche Kameratechnik, aber vor allem auch eine leistungsfähige Grafik und Bildmischung. Das überwiegend junge Publikum ist grafik- und effekt-affin, und natürlich legt Riot Games größten Wert darauf, dass die medientechnische Aufbereitung der Turniere so realisiert wird, dass sich Design und Qualität sowie »Look and Feel« des Spiels darin spiegeln.

Das gilt zum einen für das Streaming-Signal, aber natürlich auch für das Programm in der Halle, das auf riesigen LED-Wänden hinter den Spielern für die Zuschauer zu sehen ist. Auf diesem Hauptschirm der Veranstaltung werden zahlreiche Einzelsignale aus dem Spiel dargestellt: Je nach Spielverlauf wird die Darstellung dabei situativ verändert, das Layout ist also nicht statisch. Das erfordert einen leistungsfähigen Mischer mit vielen Ebenen und kaskadierbaren Effekten.

Zusätzlich zur großen Leinwand gibt es an den Spielertischen große, zum Publikum gerichtete Monitore, auf denen die Zuschauer das Spiel aus der Sicht des jeweiligen Teams sehen können. Diese müssen ebenfalls separat beschickt werden.

Übertragung

Insgesamt 18 Kameras fangen das Geschehen auf der Bühne und in der Halle ein. Zehn Kameras zeigen die einzelnen Spieler aus der Position einer Webcam. Hierfür werden Minikameras des Typs HD-1200 von TV Skyline mit einer speziellen Halterung direkt über dem Monitor des jeweiligen Spielers befestigt. Dank dieser Kameras kann das Publikum die Aktivitäten und Reaktionen der Spieler sehen. Die Bilder dieser Kameras werden einerseits von Zeit zu Zeit in das Programm auf dem Hauptschirm geschnitten, sie werden andererseits aber auch permanent auf den LED-Screens eingestanzt, die an der Frontseite der Spielertische zu sehen sind. TV Skyline hat die Kameras mit besonderen Optiken ausgerüstet, sodass es keine Verzerrungen oder andere ungewollte Effekte gibt.

Zusätzlich zu den zehn Minikameras sind noch Broadcast-Kameras von Ikegami im Einsatz, darunter etwa die HDK-97 und -970. Diese Kameras nehmen etwa die Moderatoren auf, zeigen Blicke auf die Teams und fangen Publikumsreaktionen ein. Unter anderem setzt TV Skyline auch den eigenen Kran GF9 bei der Produktion ein.
TV-Skyline-Geschäftsführer Robert Kis sagt, dass sich Riot Games neben TV-erfahrenen Produzenten ganz gezielt für einen einzigen Broadcast-Dienstleister entschieden und diesen mit einem langfristigen Vertrag ausgestattet habe, weil man gemeinsam das Produkt weiterentwickeln und die Produktionsqualität langfristig hochhalten wolle.

Grafik

Die aufwändige Programmierung des Bildmischers ist ein besonderes Element der E-Sports-Produktion. Sowohl für die Vor- und Nachberichterstattung um die Spiele herum, wie auch für die Übertragung während des laufenden Spiels selbst, werden die Bilder durch aufwändige Digital- und Picture-in-Picture-Effekte aufgewertet.

Hierbei werden teilweise zahlreiche Ebenen benötigt, um die vielen Einzelsignale mit den gewünschten Effekten zu einem Gesamtsignal kombinieren zu können. Grundsätzlich werden so gut wie alle Einzel­elemente bewegt gefahren, kaum etwas ist statisch.

Alle Grafiken und Borders sind vom Design her an die Grafik des Spiels angepasst und sorgen so für einen Gesamteindruck, der den Fans vertraut ist und auch aufwändig kombinierte Bilder für den Zuschauer wie aus einem Guss wirken lässt.

»Wie lang die Signalkette dahinter ist, erkennt man nur, wenn man die einzelnen Fragmente kennt«, erläutert Daniel Renner, technischer Hauptverantwortlicher für das Projekt bei TV Skyline.

Ausschnitte der Gamescom-Produktion in Köln.
Signal-Übertragung

Die Remote-Anbindung aus dem TV-Skyline-Ü-Wagen nach USA stellte besonders bei den ersten Produktionen eine große Herausforderung dar: Es gilt schließlich, insgesamt 22 Signale vom jeweiligen Veranstaltungsort in die USA zu übertragen, davon 18 Kamerasignale. In der Gegenrichtung wird die Crew im deutschen Ü-Wagen komplett von der Redaktion und der Regie aus den USA geführt. Mittlerweile haben die beteiligten Partner bei der Umsetzung aber eine gewisse Routine entwickelt.

Remote-Anbindung

Alle Quellensignale, mit denen der Ü-Wagen vor Ort arbeitet, werden nach USA übertragen. Dazu übergibt der Ü-Wagen diese Signale an ein Transfersystem, das mit einer Kreuzschiene, Encodern und Multiplexern von Evertz bestückt ist – und das komplett aus den USA bedient und gesteuert wird.

In der Anfangsphase wurden dabei zwölf TX- und sechs RX-Wege genutzt, die durch ein IP-basiertes Backup-System mit je zwei Wegen ergänzt wurden. »In dieser Phase wurden die Signale für Amerika in Deutschland vorgemischt und auf die jeweiligen Wege verteilt«, erläutert Daniel Renner.

»In der aktuellen Ausbaustufe sind nun 22 TX- und 10 RX-Wege verfügbar. Das macht eine Vormischung überflüssig. Alle Signale laufen nun vom Ü-Wagen zunächst in einen Xenon-Router und dann in die Modulations-Frames. Dieses komplette System ist per Ethernet-Tunnel ins Konfigurations-Netzwerk von Los Angeles integriert und wird von dort gesteuert«, erklärt Daniel Renner.

Alle Audiowege werden embedded übertragen. Zur Kommandoanbindung stehen ein VoIP-System sowie eine ISDN-Verbindung als Havariesystem zur Verfügung.
Die Kommunikation auf beiden Seiten wird per Riedel-Artist-System realisiert. Hierzu steht in den Studios in L. A. und am jeweiligen Veranstaltungsort je ein System, das mit der Kommandoanlage des Ü-Wagen verbunden ist und von Los Angeles kontrolliert wird.

Tonmischung

Die Tonmischung erfolgte in Köln nach Regie-Cues aus Los Angeles, denn man wollte verhindern, dass sich die Moderatoren, die sich ja vor Ort in der Veranstaltungshalle befinden, mit einem großen Delay hören würden. Damit kein Versatz zwischen Bild und Ton entstand, wurde auch der Bildschnitt vor Ort mitgefahren.

Besondere Herausforderungen

»E-Sports in einer derartigen Professionalität und Größenordnung zu produzieren, war Neuland für TV Skyline. Wir mussten komplett neue Techniken und Abläufe bewältigen und die Besonderheiten, die das Metier hat, kennenlernen«, erläutert Robert Kis.

Ein Aspekt, den Kis hervorhebt, liegt darin, dass sich die amerikanischen Produktionsabläufe und Strukturen von den europäischen in vielen Bereichen unterscheiden.
»All das zu verstehen und kennenzulernen, war sehr spannend und bereichernd«, sagt Daniel Renner und ergänzt: »Die visuellen Herausforderungen, besonders was die Programmierung und Bedienung des Bildmischers angeht, gehen weit über das hinaus, was hierzulande üblich ist: Viele Grafiken, Overlays und PiPs, die sich alle bewegen – das will alles bewältigt werden. Hier konnten wir davon profitieren, dass wir mit Kahuna einen Mischer nutzen, der die technischen Voraussetzungen dafür mitbringt und mit dem sich sehr viele Makros komfortabel programmieren und handhaben lassen.«

Die Bedienung des Bildmischers setzte letztlich ein komplettes Verständnis der komplexen Programmierung voraus, denn es wurden über vier Mischebenen Effekte gebaut und dann einer Hauptebene zugeführt. Zudem liefen viele Signalwege für Wände und Monitore ebenfalls über den Mischer, um sie von dort aus belegen zu können.

Ausschnitte der Gamescom-Produktion in Köln.
Produktion in Asien mit Flight-Case-Systemen

Ab September begleitet TV Skyline die »League of Legends Champion­ship Series« auch in Asien: dort finden an fünf Stationen über einen Zeitraum von sechs Wochen die World Finals statt.

Hierfür baut TV Skyline derzeit zwei hochwertige Flight-Case-Regien, die dank 4-ME-Kahuna-Mischern, VSM-Steuerung und Lawo-Konsolen dafür sorgen sollen, dass die Asien-Produktionen mit gleichbleibend hohem Niveau realisiert werden können. »Diese Flight-Case-Regien haben in puncto Ausstattung den Qualitätsanspruch eines hochwertigen Ü-Wagens«, erläutert Robert Kis.

Die Locations für die World Finals in Asien stellen sehr hohe Anforderungen an die Technik, denn in dieser Finalrunde sollen die Spiele mit jeweils 30 Kameras produziert werden. Zunächst werden die Gamer in Taipeh, Singapur und Busan antreten, bevor dann im Oktober im größten Fußballstadion von Seoul das Finale gespielt wird – zu dem rund 66.000 Zuschauer erwartet werden.

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