Editorial, Kommentar, Top-Story: 27.09.2006

Weinsensationen aus China …

Dass auch beim Wein ständig neue Sensationen und Trends präsentiert werden, gehört zum normalen Werbegrundrauschen. Spezialweine aus entlegenen Bergklöstern, neue Entdeckungen aus Australien, Slowenien, Ungarn, Südafrika, Argentinien, Chile oder sonstwoher: Ständig wird den echten und Möchtegern-Weingenießern eine neue, fantastische Erfahrung für ihre Geschmacksknospen versprochen. Einen neuen Höhepunkt stellt nun die Verknüpfung der üblichen Weinwerbepoesie mit dem derzeit populärsten Wirtschaftshype dar: Weinsensationen aus China.

China gilt ganz allgemein als der große Zukunftsmarkt, in der Wirtschaft wird an allen Ecken und Enden kräftig daran gearbeitet, sich für das große Geschäft mit dem Reich der Mitte in eine gute Startposition zu bringen, das bestehende Business auszubauen oder die dortigen Wirtschaftsbedingungen zu nutzen, um in anderen Regionen erfolgreich zu sein.

Vorreiter war und ist dabei der Elektronik-Bereich: Hier haben Produkte aus China den Endkunden in Europa und anderswo längst erreicht, mit neuen Billigmarken, aber auch mit in China gefertigten Produkten bekannter Hersteller. DVD-Player zum Spottpreis von 35 Euro, Billig-Akkus, Kopien teurer Elektronik-Produkte, das alles kommt aus chinesischen Quellen auf unseren Markt. Das gilt natürlich auch für anderen Bereiche: Schuhe, Kleidung, Möbel, Autoteile, aber auch Stative und Leuchten – es gibt wohl kaum etwas, das nicht in China kopiert und deutlich billiger produziert würde.

Nun fangen die chinesische Anbieter also auch an, so traditionelle Bereiche wie den Weinbau anzugehen: »Goldener Drache, die neue Weinsensation aus China« heißt es etwa im Prospekt eines Weinversenders. Traten Chinesen bislang im Weinmarkt fast nur in Form superreicher Sammler von sündhaft teuren Musealweinen auf, gibt es nun also auch einen chinesischen Cabernet Sauvignon. Ist das nun ein Original oder eine Kopie?

Die professionelle Film- und Video-Branche jedenfalls ist längst Opfer von immer dreisteren Fällen von Raubkopien: Stative, Videoköpfe, Leuchten und Akkus sind am häufigsten betroffen. Aus China, Indien, aber auch schon aus benachbarten osteuropäischen Ländern kommen mitunter zumindest äußerlich exakte Kopien. Die imitieren ihre Vorbilder teilweise so gut, dass selbst die Experten ohne genauere Untersuchung kaum noch Unterschiede finden können. Etliche Endkunden finden das — mit starrem Blick auf den Preis — im ersten Moment positiv, auf lange Sicht schaden sie sich jedoch selbst: Wer solche Produkte kauft, schaufelt aktiv mit am Doppelgrab, in dem Support und Beratung beerdigt werden — unter allgemeinem Wehklagen der Verursacher dieses Sterbens. In manchen Fällen werden aber sogar beide Seiten betrogen: Der Kunde wähnt sich im Besitz eines Originals, ist aber einer Kopie aufgesessen.

Es wird sich wohl hier wie da einiges ändern müssen, wenn es auch in Zukunft noch Hersteller geben soll, die innovative Produkte entwickeln und nicht nur abkupfern. Aber solche Überlegungen werden den Erfolg chinesischer Kopien kaum schmälern — zumindest nicht auf kurze Sicht.

Sie werden sehen.

P.S.: Bleiben Sie lieber auch im Online-Bereich beim Original. Mittlerweile nutzen mehr als 12.000 registrierte Nutzer www.film-tv-video.de als zuverlässige Informationsquelle.