Virtuelle Welten beim SWR
Der SWR testete in einem Proof of Concept im Studio 6 in Baden-Baden die virtuelle Produktion mit mehreren Kameras und einer Sony-Verona LED-Wand.

Im Fokus der dreimonatigen Testphase dieses Projekts stand das Format »Fehler im System«, eine interaktive Pen-&-Paper-Show, die in Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma Midflight Productions entstand. Pen-&-Paper-Formate sind erzählerische Rollenspiele. Ein Spielleiter führt durch die Geschichte und beschreibt Orte, Ereignisse und Nebenfiguren. Die Mitspielenden übernehmen selbst erfundene Charaktere und entscheiden, wie diese handeln – unterstützt durch ein Regelwerk und Würfel, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.
SWR-Experten über den Virtual-Production-POC.
Für ein Format dieser Art bietet die virtuelle Produktionstechnik viele Vorteile. »Mit Realdekoration wäre das nahezu unmöglich gewesen« erklärt Alexander Bauer, Aufnahmeleiter und zuständig für das Prozessmanagement. »Die Möglichkeit, in wenigen Sekunden von einer Umgebung in die nächste zu wechseln und dabei in vollkommen verschiedene Welten einzutauchen – das ermöglicht uns diese Technologie.«
Die Technik
Zentrales Element der virtuellen Testumgebung ist eine 10 x 4 Meter große Sony Verona LED-Wand, die AV Professional aus Wien bereitstellte.

Die neu entwickelte Deep Black- und Anti-Reflection-Oberflächentechnologie sorgt sowohl für einen tiefschwarzen Bildausdruck als auch für eine reflexionsarme Leistung, die Kontrastverluste durch Licht erheblich reduziert.
Zusätzlich zu den außergewöhnlichen Schwarzwerten und der niedrigen Reflexion erreicht Verona eine hohe Helligkeit und eine große Farbskala, die mehr als 97 % von DCI-P3 abdeckt, um realistische Drehorte wiederzugeben.

Drei Sony-Systemkameras erfassen das Geschehen im Studio. Zusammen mit den Tracking-Daten der jeweiligen Kameras wird der perspektivisch zum Blickwinkel der Kamera passende Hintergrund erzeugt und ins Sendesignal eingestanzt — in Echtzeit.
Als Trackingsystem war beim SWR das Sony Ocellus-Trackingsystem im Einsatz. Dieses markerfreie Tracking-System eignet sich sowohl für Innen- als auch Außeneinsätze. Ocellus setzt auf die Slam-Tracking-Technologie. Slam steht für ‘Simultaneous Localization and Mapping’ und erlaubt markerfreies Tracking über mehrere Sensoren.

Ocellus besteht aus einer Sensoreinheit, einer Processing-Box und drei Objektiv-Encodern und kann mit Sony Cinema Line-Kameras, Sony Systemkameras und auch mit Kameras anderer Hersteller verwendet werden.

»Als Echtzeitgrafiksystem nutzen wir bei dem POC Unreal Engine. Hiermit werden die Echtzeit-Hintergründe berechnet«, so Christian Borowski, Project Designer beim SWR.
Multikamera-Produktion
Multikamera-Produktionen sind in Virtual Production Sets häufig eine Herausforderung, denn bei vielen Technologien steht nicht für jede Kamera zu jeder Zeit das passende, perspektivisch korrekte Hintergrundbild zur Verfügung.

Beim SWR-Setup ist das anders. Das Zusammenspiel der verschiedenen Technik-Komponenten macht es möglich, dass jederzeit für jede Kamera der perspektivisch korrekte Blickwinkel bzw. Hintergrund zur Verfügung steht.

Zu diesem Zweck wird Sonys Verona LED-Wand mit 100 Bildern/Sekunde betrieben. Jedes ungerade Bild stellt die 3D-Umgebung der aktuell geschnittenen Kamera dar, jedes gerade Bild ein rein grünes Bild. Die Kameras wiederum sind in der Lage, mit 100 Bildern pro Sekunde zu arbeiten und können somit zwei 50p-Signale aufzeichnen: 1 x die 3D-Umgebung und 1 x das grüne Frame.
Das Videosignal der 3D-Umgebung wird fürs Programmsignal genutzt, während das grüne Bild die Grundlage dafür ist, die richtige Kameraperspektive in Echtzeit zu berechnen.
»Wenn ich diese Kamera bewege«, demonstrierte Bildingenieur Moritz Graus während der Präsentation, »sehe ich auf meinem Sucher immer meine korrekte Perspektive – auch wenn eine andere Kamera gerade geschnitten ist. Das macht den entscheidenden Unterschied.«
Seite 1: POC – Komponenten der Multikameraproduktion
Seite 2: Vorteile gegenüber Greenscreen, Tests, Resümee








