Kommentar, Top-Story: 29.03.2002

Markt-Polarisierung?

Selten herrschte unter den Herstellern so viel Einigkeit bei der Einschätzung der aktuellen Branchensituation wie derzeit. Dabei soll hier gar nicht die Rede sein vom düsteren Branchenbild: Dabei, so scheint es jedenfalls, erliegen derzeit viele Branchen-Analysten ohnehin nur der Versuchung, immer noch etwas schwärzer zu malen als alle anderen. Hier soll es aber besipielhaft darum gehen, wie die Erwartungen und Prognosen einer wachsenden Zahl von Marktteilnehmern aussehen und wie sie aktuelle und zukünftigen Entwicklung beeinflussen.

Der gemeinsame Nenner: Mittlerweile ist praktisch allen klar, dass sich etwas ändern muss, dass die alten, gewachsenen Strukturen nicht länger zur aktuellen Marktsituation passen. Sowohl auf der Kunden- wie auf der Anbieterseite sind neue Ansätze gefordert. Da ist viel vom »new thinking« die Rede, und an vielen Stellen wird umorganisiert und umstrukturiert. Bei Panasonic heißt die konzernweit ausgegebene, interne Parole gar »destroy and build new«. Sony will neben dem Boxengeschäft, also dem Verkauf einzelner Produkte, besonders den »added value«, also den Systemgedanken und das »consultative selling« stärker als je zuvor zum zweiten Standbein ausbauen. Weitere schöne Beispiele des neuen Denkens: Quantel nennt seine komplett neue Produktlinie »generationQ« und lässt damit den Generationswechsel gleich in die Bezeichnung einfließen. Media100 vollzieht einen radikalen Wechsel in der Produktstrategie. Avid bricht klar mit alten Gewohnheiten und geht nicht mehr zur IBC.

Hinter all dem steckt weit mehr Gemeinsamkeit, als man zunächst vermuten könnte: Es ist die Suche nach neuen Märkten und Kunden, die alle Hersteller umtreibt. So ist von Sony zu hören: »Wir brauchen das Boxengeschäft, es macht derzeit rund 60% unseres Umsatzes aus. Aber die Lösungen, das Aufbauen ganzer Systeme unter Einbeziehung der Produkte verschiedenster Hard- und Software-Hersteller, das ist die Zukunft.« John Molinari, CEO von Media100 begründet den Wechsel in der Produktstrategie seines Unternehmens hin zum einem neuen Multi-Layer-Compositing-System unter anderem so: »Der Nonlinear-Editing-Markt ist gesättigt. Das ist für uns mit Updates und Ersatz-Investitionen ein weiterhin laufendes Geschäft, aber hier verzeichnen wir kein Wachstum mehr.« Ins gleiche Horn stößt in dieser Beziehung auch Graham Sharp, Vice President European Sales and Operations bei Avid: »Bei Produkten wie dem Media Composer gibt es für uns als Hersteller kein Wachstum mehr, dieser Markt ist zwar wichtig, aber statisch.«

Konsequenterweise widmen sich die Hersteller deshalb nun zunehmend den »Randgebieten«: High-End und HD am einen und »New Media« am anderen Ende sollen das dringend notwendige neue Business bringen, und auch während der nahenden NAB2002 werden diese Bereiche zweifellos eine große Rolle spielen.

Eine mindestens ebenso bedeutende Rolle dürften während der NAB2002 aber auch ganz grundsätzliche Diskussionen spielen: Was muss der Hersteller der Zukunft leisten und anbieten können? Welche Rolle spielen Produkte und wie wichtig werden Beratung, Consulting und Systemgeschäft? Was darf der Kunde erwarten, was nicht und wie wichtig ist ihm die Vielfalt der Hersteller? Und letztlich: Womit kann man zukünftig noch Geld verdienen?

Jede Menge Fragen und ganz sicher genügend Stoff für die wichtigste Branchenmesse. Sie werden sehen.