Kommentar, Top-Story: 14.01.2005

Der Teil und das Ganze

»Ich mache hier nur meinen Job.« Entsprechend kernig vorgebracht, gilt das Vielen als höchst professionelle, respektable Haltung. Wie oft haben Sie solcherlei schon gehört? Vermutlich zu oft, besonders häufig aber dann, wenn Ihr Gesprächspartner besonders professionell klingen will.

Auch eine entschuldigende und verständnisvolle Form ist verbreitet: »Die machen schließlich auch nur ihren Job.«

Das Mäntelchen der Professionalität verhindert dabei immer wieder den Blick aufs Wesentliche: Was ist, wenn der ganze Job an sich völlig inakzeptabel ist? Wer einen völlig widersinnigen, irrwitzigen, sogar schädlichen Job macht, sollte man dem etwa Respekt entgegenbringen, weil er seine Aufgaben so »professionell« erledigt? Wer durch eigene Profi-Scheuklappen vermeidet, die Sinnhaftigkeit und Richtigkeit des eigenen Handelns in Frage zu stellen, verdient der kopfnickende Achtungsbezeugungen?

Aus dem Berufsleben eines Kameramannes stammt das folgende Erlebnis: Die Vertragsunterzeichnung für ein größeres Filmprojekt stand an. Tagessätze waren ausgehandelt, alle Eckdaten abgestimmt. Plötzlich aber sollte der Tagessatz kurz vor der Unterschrift doch noch gedrückt werden: »Sie machen den Job doch sicher auch für 50 Euro Tagessatz weniger, so wie’s derzeit am Markt aussieht? Nein? Dann kommen wir nicht zusammen.« Gesagt, getan. Das Ende vom Lied: Der Ersatzkameramann war zwar um 50 Euro günstiger, aber leider auch deutlich unerfahrener und unmotivierter, was im Endeffekt wesentlich höhere Produktionskosten verursachte.

Der Einkäufer »hat nur seinen Job gemacht« und die Kosten für den Bereich, den er direkt verantwortet, maximal gedrückt. Frei nach dem Motto: »Ich stehe mit meinen Zahlen gut da, was kümmert mich der Rest?« Kurzsichtig, dumm — und trotzdem professionell?

Sein Tun zu hinterfragen, den eigenen Teil ins Verhältnis zum Ganzen zu setzen, ist das also unprofessionell? Nein, all zu oft sind die, »die nur Ihren Job machen« einfach nur Egomanen, die dem kurzfristigen eigenen Erfolg alles andere unterordnen. Es kann nicht richtig sein, kurzfristig ausgerichtete, rein merkantile Kriterien auf einfach alles an zu wenden.

Aber es gibt Hoffnung: Sehr viel Menschen haben in den vergangenen Wochen durch Ihre Spendenbereitschaft für die Opfer der Flutkatastrophe im Indischen Ozean gezeigt, dass sie mehr können und wollen, als nur »Ihren
Job machen«. Weiter kommt man, wenn man die Dinge auch mal hinterfragt.

Sie werden sehen.