Branche, Top-Story: 18.02.2008

Fragen zum Kino: 2K, 4K oder besser 3D?

film-tv-video.de sprach mit dem Hollywood-Insider Matt Cowen über aktuelle Entwicklungen des digitalen Kinos und den derzeitigen Trend hin zu 3D-Filmen.

Matt Cowen beschäftigt sich seit 20 Jahren mit der Analyse und Entwicklung in der elektronischen Projektionstechnik. Als Mitbegründer der Technologie-Beraterfirma ETC arbeitete er an der Ausarbeitung der DCI-Spezifikationen mit. Außerdem ist er Chief Scientific Officer bei Real D, einer in Kanada beheimateten Firma, die Lösungen für die Distribution von stereoskopischen Filmen anbietet. Der 3D-Effekt wird dabei mit einer Brille mit zwei unterschiedlichen zirkularen Pol-Filtern erzeugt.

Bei einer Veranstaltung an der Hochschule der Medien (HDM) in Stuttgart gab Cowen Einblicke in die Welt des digitalen Kinos und äußerte sich im Gespräch mit www.film-tv-video.de über aktuelle Trends des Digital- und 3D-Kinos.

Sind die Probleme, die man der digitalen Filmaufzeichnung und -projektion speziell bei der Farbwiedergabe und dem Kontrast mittlerweile überwunden? Ist digitales Kino reif für den Massenmarkt?

Matt Cowen: Die Bearbeitungskette von der Aufzeichnung bis zur Übertragung ist sowohl bei der Farbdarstellung als auch der Kontrastdarstellung gelöst. Die farblichen Spezifikationen sind schon sehr gut. Der verwendete XYZ-Farbraum mit drei Primärfarben ist angemessen und praxisnah. Heute ist sichergestellt, dass die DLP-Projektoren auch exakt die richtigen Farben wiedergeben. Es gibt natürlich immer noch die Probleme, dass es in den Projektoren eine Vielfalt an Optionen gibt, beispielsweise man drückt den falschen Knopf und der Film wird in RGB anstatt in XYZ wiedergegeben und da werden dann verzerrte Farbwerte herauskommen. Das ist auch der häufigste Fehler der gemacht wird, doch aufgrund des meist großen Unterschiedes in der Farbdarstellung fällt dieser Fehler sofort auf. Die Filmemacher würden gerne einen größeren Farbraum mit mehr Primärfarben sehen, aber das wird bisher nur sehr theoretisch diskutiert, denn es scheitert an der praktikableren Umsetzung. Die ganze Peripherie wird unverhältnismäßig kostspieliger.

Wird ein digital produzierter Film in der digitalen Projektion jemals wie Film aussehen? Muss er das überhaupt?

Matt Cowen: Vor einigen Jahren war es noch der wichtigste Aspekt, dass die digitale Aufzeichnung genau wie Film aussieht. Ich habe viel Zeit damit verbracht, digitale Bilder an Filmbilder anzugleichen. Meist gelang das auch, doch mit einem anderen Projektor konnte das Ergebnis dann schon wieder ganz anders aussehen. Ein fundamentaler Vorteil von digitalem Kino ist heute, dass es nicht wie Film aussehen muss — aber es kann so aussehen. Der Prozess ist mittlerweile sehr gut optimiert. Wenn es gewünscht ist, können fast identische Farben und Kontraste erreicht werden und die Flexibilität erlaubt es heute sogar, über die Möglichkeiten des Films hinaus zu gehen.

Die Farbechtheit zwischen Einstellungen ist in der digitalen Aufzeichnung viel einfacher zu erreichen. Dazu ist die Kontinuität der Bilder in der digitalen Verarbeitungskette viel besser, als beim chemischen Film, und es gibt keine Kratzer oder Fussel im Betrieb. Dateien lassen sich nun mal einfacher bewegen als Filmrollen, und Soundtracks und Untertitel lassen sich sehr viel leichter und schneller abgleichen. Und es ist natürlich auch viel günstiger, als Filmkopien herzustellen. Das Korn ist ein Aspekt, der immer noch viel diskutiert wird und als künstlerisches Mittel, aber auch Nachteil gesehen werden kann. Das ist letztendlich eine kreative Entscheidung.

Es wird viel darüber spekuliert, ob und wann sich die digitale Projektion auf breiterer Basis durchsetzen wird. Wie lautet Ihre Einschätzung?

Matt Cowen: Fast 10 % der nordamerikanischen Kinos sind nun digital, die meisten A-Filme kommen als digitale Filmkopie heraus. DCIP (Digital Cinema Implementation Partners) ist ein Konsortium der größten drei Kinoketten in Amerika, bestehend aus Regal, Cinemarc und AMC. Diese haben eine Kalkulation aufgestellt und wollen in den nächsten zwei Jahren ihre 14.000 Leinwände mit digitaler Projektion ausstatten. Wenn das soweit ist, wird das Pendel wohl umschlagen und der Rest wird folgen. In fünf oder sechs Jahren dürfte dieser Prozess abgeschlossen sein.

Die Frage der Auflösung wird viel diskutiert. Brauchen wir wirklich 4K– oder reicht auch 2K-Auflösung bei der Projektion?

Matt Cowen: Es gibt schon gute Gründe, in der Aufzeichnung und in der Bearbeitung mit 4K zu arbeiten. In der Distribution spielen ganz praktische Aspekte eine Rolle: Wenn wir dieselbe Qualität bekommen, wie wir sie momentan bei 2K haben, dann könnte man in der ersten Reihe oder auf sehr großen Leinwänden einen Unterschied sehen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, dass dies ein entscheidender Aspekt ist. Was die 2K-Projektoren momentan liefern, sind wirklich sehr gute Bilder. Tatsächlich ist das Gesamtergebnis, das die 2K-Projektion heute liefern, so gut wie das, was wir von einer guten Filmprojektion gewohnt sind. Benötigen wir mehr, um eine Geschichte zu erzählen? Natürlich wäre das Bild schärfer und etwas besser, aber die Kosten würden dadurch beträchtlich steigen.

War die Digital Cinema Initiative, also DCI, aus Ihrer Sicht als Standardisierungsgremium für die digitale Projektion erfolgreich? Oder gibt es noch offene Punkte, die man lösen muss?

Matt Cowen: DCI war sehr erfolgreich und konnte alle Teilnehmer der Produktion und Distribution an einen Tisch bekommen. Wenn man das den einzelnen Herstellern überlassen hätte, gäbe es sehr viel mehr unterschiedliche Systeme. Die Standards, die Hollywood heute für die digitale Kinoveröffentlichung verwendet, sind größtenteils angemessen zusammengestellt. Die Forderungen der DCI wurden allgemein angenommen. Die Postproduktionshäuser haben sich darauf eingestellt und die SMPTE hat schon mehr als 3/4 der Spezifikationen in ihre Standards integriert. Der ganze 3D-Sektor ist allerdings noch außen vor. Bisher gibt es hier nur einen Standard, auf den man sich geeinigt hat, nämlich die Festlegung, wie das linke und das rechte Auge bei der Zusammenstellung der Distribution gehandhabt werden.

Stereoskopisches 3D-Kino ist seit Jahren ein Thema, aber nie richtig aus den Startlöchern gekommen. Hat sich diese Situation mit den jüngsten Entwicklungen am Markt verändert?

Matt Cowen: 3D als Mainstream-Kino ist noch nicht ganz ausgereift und es besteht eine Gefahr, dass es nicht angenommen wird. Es gibt da noch einige Probleme. Die ersten 3D-Versuche in den 50er- und 60er-Jahren basierten alle noch auf Film und hatten Probleme, weil die Farbdarstellung durch das Verfahrens stark verfälscht war und die Zuschauer vielfach mit der Wahrnehmung überfordert waren. Dieses Probleme sind mit den aktuellen Verfahren weitgehend gelöst, und die Lichtstärke hat sich gegenüber damals stark verbessert. Die wichtigste Anforderung an 3D-Filme besteht heute darin, gute Inhalte zu finden.

Aus meiner Sicht wird 3D-Kino als ein Seitenarm existieren. Letztlich muss man aber noch herausfinden, welche Inhalte sich für 3D eignen. Eine interessante Sache an der 3D-Produktion »Meet the Robinsons« war meiner Meinung nach der folgende Aspekt: Die Filmemacher haben versucht, die emotionale Dichte einzelner Szenen im Bild durch unterschiedliche Bildtiefen zu transportieren. Wenn man verstanden hat, wie man solche Möglichkeiten ausnutzt, kann man einen echten Mehrwert aus dem 3D-Kino holen. Momentan wird 3D allerdings noch sehr konservativ gedreht und verwendet. Wir benötigen also erst einmal bessere Filme, um herausfinden zu können, was beim Publikum ankommt. Doch in den nächsten Jahren werden einige große 3D-Produktionen die Möglichkeit dazu bieten. Peter Jackson und Steven Spielberg haben vereinbart »TinTin« als 3D-Film zu produzieren. James Cameron dreht gerade »Avatar«. Und der U2-Konzertfilm, das 2008 herauskommt, ist der erste Realfilm dieser Art, der in 3D-Stereoskopie aufgenommen wurde.