Editorial, Kommentar, Sport, Top-Story: 25.06.2014

Blackout durch Fußballwahn

An dieser Stelle wollen wir zunächst mal allen Werbetreibenden und Werbeagenturen herzlich danken, die der Versuchung widerstehen konnten, in ihren aktuellen Kampagnen irgendeinen vollkommen einfallslosen, billigen und dümmlichen Bezug zur Fußball-WM herzustellen.

Viele sind das leider nicht. Und deshalb läuft derzeit im Radio ein Werbespot nach dem anderen, in dem Fußballreportagen, Fangesänge und Fußballsprechchöre nachgeäfft werden. Im Fernsehen werden in der Werbung bis zum Abwinken Fußball-Klischeebilder und Fußball-Ikonen gezeigt, fast ausschließlich unterlegt mit dem immer gleichen Samba-Getrommel und -Gepfeife.

Ergänzend werden uns in diesen Spots — und zusätzlich auf Plakatwänden und in Anzeigen — die ältesten, abgedroschensten und miesesten Fußball-Wortspiele um die Ohren gehauen, sowie uralte, abgewetzte und rundgelutschte Spar-Pointen recycelt. Zur Krönung gibt es dann noch die abstrusesten Produkt-Bundles: »Kaufen Sie jetzt das Heizkamin-Sondermodell "Brazilian Hexenkessel" und erhalten Sie für jedes Tor, das die deutsche Nationalelf zwischen dem Kauftermin und dem 13. Juli 2014 schießt, einen PVC-Autositzbezug im Design des Nationaltrikots.«

Da bleibt nur noch, die Verantwortlichen in der Werbewirtschaft zu bitten, sich mal die Frage zu stellen, ob sie wirklich glauben, ihre Kunden seien grenzdebile Kaufautomaten, die man während der Fußball-WM nur im Tonfall eines Fußballkommentators anbrüllen oder mit einem Ball konfrontieren muss und schon rennen sie in die Läden und kaufen wie verrückt Dinge ein, die sie sonst nicht gekauft hätten.

Werbung wurde mal als die Kunst beschrieben, Menschen von ihrem Geld zu trennen oder auch als Kunst der Verführung. Selbst wenn man geneigt ist, diesen Stilisierungen prinzipiell zuzustimmen, muss man derzeit leider konstatieren: In puncto Kunst und Hintersinn herrscht in der Werbebranche momentan ein nahezu vollständiger Blackout.

Sie werden sehen.