Branche, Broadcast, Film, OTT, Unternehmen: 20.12.2018

Rundfunkbeitrag – offene Perspektiven

Die Gremien der ARD-Anstalten, des ZDF und von Deutschlandradio haben gerade die Wirtschaftspläne für 2019 verabschiedet. Trotz anhaltender Sparvorgaben und gemeinsamen strukturellen Maßnahmen wollen die Bundesländer den Rundfunkbeitrag reduzieren, auch um den Preis von Einschnitten an Programmleistungen. Allerdings konnten sich die Ministerpräsidenten weder darüber, noch über eine Neureglung zur Bemessung des Rundfunkbeitrags einigen.

Nach jahrelanger Vorbereitung wurde Anfang Dezember ein Länderbeschluss zu Eckpunkten einer »Reform von Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks« vertagt. Was die Ministerpräsidenten aller Bundesländer laut Presseinfo »grundsätzlich begrüßt« haben, bewirke aber »zahlreiche Veränderungen« für den Rundfunk. In Anbetracht dieser erstaunlich späten Erkenntnis will man »wissenschaftliche Expertise hinzuzuziehen«. Und noch einmal mit den Anstalten reden, die bereits seit Jahren Geld und Personal einsparen müssen und denen man einen Inflationsausgleich seit 2009 nicht gewährt. Dabei wachsen die Aufgaben allein schon durch die neuen Medienformen.

Weniger Programm, geringerer Rundfunkbeitrag, weniger Medienkosten?

Die Nicht-Entscheidung betrifft zunächst den Rundfunkbeitrag ab 2021. Was die Parlamentarier der meisten Bundesländer und des Bundestags sich selbst längst angeeignet haben, wird für ARD, ZDF und D-Radio heißt diskutiert: Die automatische Anbindung der Beitragshöhe an die wirtschaftliche Entwicklung wie zum Beispiel die Inflationsrate.

Demnach kann man sich nicht über den Basisbetrag einigen, von dem die Beitragsberechnung ab 2021 ausgehen soll. Zur Erinnerung: Der Rundfunkbeitrag wurde seit 2009 trotz Inflation und Kostensteigerungen nicht erhöht, sondern 2013 sogar um 48 Cent auf 17,50 Euro monatlich gesenkt. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hatte vor einiger Zeit die Landes-Medienpolitiker mit der Ankündigung verschreckt, bei gleichen Leistungen müsse der Monatsbeitrag ab 2021 auf 19,10 Euro erhöht werden. Der BR kalkuliert für 2019 mit einem Haushalt, der auf den Rundfunkbeitrag umgerechnet einen monatlichen Beitrag von 18,35 Euro ergibt.

Hinter der Debatte um eine »Beitragsstabilität« des Rundfunks versteckt sich eine nicht öffentlich geführte Debatte um die Reduzierung des Programmauftrages der Rundfunkanstalten. Das betrifft in erster Linie die Streichung der internationalen Mega-Sportevents mit höchsten Einschaltquoten wie Olympia, Fußball-WM und -EM usw. Begegnet man den überhöhten Forderungen der Rechteverkäufer mit einem Sendeverbot, dürfte das in der Tat den Rundfunkbeitrag senken. Diese Inhalte werden auf diese Art zum Monopol der Privatsender. Dann müssten die Zuschauer für die übliche HDTV-Qualität extra bezahlen oder gar ins noch teurere PayTV wechseln. So könnte sich die »Beitragsstabilität« gegen die Zuschauer wenden. Man erinnere sich auch ans Skispringen: Da verschwand RTL spurlos von der Sendefläche, sobald die deutschen Adler nicht mehr fast alle Trophäen holten.

Zudem dürften Eingriffe der Politik in das Programmangebot erhebliche Auswirkungen auf die Produktionswirtschaft und den Arbeitsmarkt haben.

Sparen bis an die Schmerzgrenze?

Die gegenwärtige Festlegung der Höhe des Rundfunkbeitrags zwingt die Anstalten, mit den bis Ende 2016 angesparten Reserven Finanzlöcher der Beitragsperiode von 2017 bis 2020 zu stopfen. Für Investitionen in neue gute Programme darf das nicht verwendet werden. »Ohne eine längerfristige Planungsgrundlage wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk absehbar an seine Substanz gehen müssen. Das kann nicht im Interesse einer demokratischen Meinungsbildung und -vielfalt sein.« Diese Äußerung des SWR-Verwaltungsratschefs Hans-Albert Stechl gibt den Tenor aus Gremien und Leitungen der Sendeanstalten vor.

Die Situation der Rundfunkanstalten wird in den Wirtschaftsplänen für 2019 deutlich. Einige Beispiele:

Mit 93 Mio. Euro schlägt die Planung für 2019 beim Hessischen Rundfunk gewaltig ins Rote. Im Wirtschaftsplan stehen Ausgaben von 604 Mio. Euro Einnahmen von nur 511 Mio. Euro gegenüber. »Die anhaltende Niedrigzinsphase, der rechtliche Rahmen zur Bilanzierung und der seit 2009 ausbleibende Inflationsausgleich verschärfen unsere finanzielle Situation und überlagern unsere enormen Sparleistungen. Ohne eine Anpassung des Rundfunkbeitrags sind Einschnitte in unsere Angebote unausweichlich«, fordert daher Intendant Manfred Krupp.
Der Bayerische Rundfunk, eine der großen und finanziell eher besser ausgestatteten ARD-Anstalten, plant 2019 Einnahmen von 1.045,1 Mio. Euro bei Ausgaben von 1.123,5 Mio. Euro. Das Defizit von 78 Mio. Euro vor bzw. 21,3 Mio. Euro nach Abschreibungen, Investitionen und Rückstellungen wird aus Rücklagen gedeckt. »Legt man die derzeitige Rücklagenentnahme auf die Höhe des monatlichen Beitrages um, dann werden heute real 18,35 Euro verausgabt. Diese Rücklage wird bis 2020 gänzlich erschöpft ein. Mit 17,50 Euro wäre der vorgelegte Wirtschaftsplan 2019 nicht realisierbar.«
Mit »nur« 1,7 Mio. Euro im Rotzahlen-Bereich plant der kleine Saarländische Rundfunk bei nahezu unveränderten Aufwendungen von 128,2 Mio. Euro. Als Ursachen sinkender Einnahmen werden die demografische Entwicklung und die hohe Befreiungsquote vom Rundfunkbeitrag genannt.
Der Hauptstadtsender RBB rechnet mit leicht sinkenden Beitragseinnahmen von 400,3 Mio. Euro. Vom Gesamtbudget von 457,6 Mio. Euro investiert die Zweiländeranstalt 391,7 Mio. Euro in Produktionen und Redaktionen. 2018 waren es noch 395,1 Mio. Euro. Der Fehlbetrag steige auf 84,6 (83,2) Mio. Euro. Man drehe an der Kostenschraube, will aber weiter in Programme investieren. »Spätestens 2021 brauchen wir allerdings eine Erhöhung des Rundfunkbeitrages, sonst sind Einschnitte bei Umfang und Qualität der Programme unausweichlich«, so Intendantin Schlesinger.

In den Planungen der Sender sind zum Teil Mindereinnahmen noch nicht berücksichtigt, die sich aus der vom Bundesverfassungsgericht bestimmten Beitragsbefreiung von Zweitwohnungen ergeben können. Im März 2019 wollen sich die Ministerpräsidenten erneut mit den Aufgaben und der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks befassen. Sie bereiten den Entwurf eines Staatsvertrages der Bundesländer vor, dem anschließend die Parlamente aller Bundesländer zustimmen müssen.