Kamera, Test, Top-Story: 16.06.2010

Schritt in die dritte Dimension: Test des 3D-Camcorders AG-3DA1

Mit dem AG-3DA1 bietet Panasonic aktuell als einziger großer Hersteller einen Single-Piece-3D-Camcorder an. film-tv-video.de konnte ein Vorseriengerät im Kurztest ausprobieren.

Die ersten eigenen Stereo-3D-Videos werden für viele Videoprofis das nächste echte Neuland sein, das sie betreten. Die Redaktion von film-tv-video.de hat diesen Schritt getan und konnte ein Vorseriengerät des Single-Piece-3D-Camcorders AG-3DA1 von Panasonic ausprobieren. Das brachte viele neue Erkenntnisse, die im folgenden zusammengefasst sind.

Vorserie, kein testfestes Gerät

Der Lieferstart des AG-3DA1 soll erst in einigen Monaten erfolgen, deshalb gibt es derzeit noch kein Gerät, das dem endgültigen Serienstand entsprechen würde. Das von film-tv-video.de ausprobierte Vorseriengerät wies deshalb noch so manchen Software-Bug auf und war von Panasonic noch nicht für einen echten Test freigegeben: Bis zum Lieferstart kann es noch Änderungen geben. Die prinzipielle Funktionalität war aber gegeben, in den meisten Aspekten ist der Serienstand bei dem ausprobierten Gerät wohl erreicht und es ließen sich mit dem ersten Stereo-3D-Camcorder von Panasonic auch Aufnahmen machen, die qualitativ recht gut aussahen.

Grundsätzliches

Der AG-3DA1 sieht aus wie ein etwas aufgepumpter Handheld-Camcorder in der Bauform des AG-HMC151 und des AG-HPX171 (Vergleichstest). Das verleitet dazu, das Gerät auch ähnlich einzuschätzen: Als einfach zu bedienenden »Point-and-Shoot«-Camcorder: Raus aus dem Karton, einschalten und in Stereo-3D aufnehmen. Schöne Idee, allerdings muss man beim Drehen in Stereo-3D einige Dinge beachten — dazu später mehr.

Tatsächlich hat der AG-3DA1 zwar einige Ähnlichkeit mit dem 151er, stellt sozusagen die Verdoppelung dieses Geräts innerhalb eines etwas größeren Gehäuses dar. Deshalb sind auch die wichtigsten Eckdaten identisch: Sensorgröße (1/4-Zoll), maximale Datenrate (24 Mbps) und vieles weitere. Die getrennten Bilder für das rechte und das linke Auge werden im Gerät separat behandelt: Das Licht fällt durch zwei Objektive auf zwei getrennte Sensorgruppen à drei CMOS-Chips, deren elektrische Signale einzeln weiterverarbeitet und dann separat gespeichert werden. Man nimmt also am Ende des Drehs eine SDHC-Speicherkarte mit den Bildern fürs rechte und eine mit den Bildern fürs linke Auge aus dem Camcorder. Beim Live-Betrieb gibt der Camcorder die beiden Bildsignale für rechtes und linkes Auge über zwei HD-SDI-Buchsen aus, zudem steht eine HDMI-1.4-Buchse zur Verfügung.

Drehen in Stereo-3D mit dem AG-3DA1

Das Drehen in Stereo-3D verbindet man bislang mit massigen, meist recht sperrigen Rigs, auf denen zwei Kameras auf die eine oder andere Art montiert sind. Dass es auch anders geht, zeigt Panasonic mit dem kompakten AG-3DA1: Der Camcorder ist handlich, kompakt und im Unterschied zu vielen 3D-Rigs auch ohne vorheriges Bodybuilding tragbar. Deshalb macht das Drehen und Experimentieren mit dem Camcorder Spaß, denn man verbringt nicht zuerst Stunden damit, Objektive und Kameras abzugleichen und optimal zu justieren.

Das bedeutet allerdings nicht, dass man im Umkehrschluss mit dem AG-3DA1 sozusagen vollautomatisch perfekte Stereo-3D-Aufnahmen herstellen kann. Letztlich hat man eine zusätzliche Bedienaufgabe zu erledigen, weil man die Tiefenwirkung per Konvergenzeinstellung festlegen muss. Vereinfacht gesagt: In der Konvergenzebene kommen rechtes und linkes Bild zur Deckung; was vor der Konvergenzebene liegt, scheint beim Betrachten aus dem Display heraus in den Raum zu ragen, was dahinter liegt, wirkt nach hinten verschoben (das Ganze wird hier ganz anschaulich und einfach erklärt).

Objekte die aber weit hinter oder vor der Konvergenzebene liegen, weisen Doppelkonturen auf, die vom menschlichen Gehirn nicht mehr zur Deckung gebracht werden können. Deshalb erfordert auch die Auswahl des Bildausschnitts und des Bildaufbaus eine andere Herangehensweise. Laufen etwa Menschen zwischen dem bildwichtigen Objekt und der Kamera durchs Bild, wirkt das meistens sehr störend und irritierend. Wenn man aber etwas Gespür für die Bildgestaltung hat, erkennt und lernt man das nach einigem Ausprobieren recht schnell und schafft es dann, solche Effekte zu vermeiden. Dennoch ist es nicht gerade leicht, mit dem AG-3DA1 ordentliche Stereo-3D-Aufnahmen zu erreichen. Auf der anderen Seite erlaubt und erfordert Stereo-3D jedoch, genau damit zu experimentieren und letztlich eine neue Bildsprache für Stereo-3D zu finden.

Weil der AG-3DA1 für Stereo-3D-Verhältnisse sehr kompakt ist, liegt die Idee nahe, reportage-artige Aufnahmen ohne großes Zusatz-Equipment damit zu realisieren. Das erhöht aber den Schwierigkeitsgrad: Flexibilität und schnelles Reagieren mit der Handkamera im Ein-Mann-Betrieb — das ist im Stereo-3D-Betrieb allenfalls nach intensiver Beschäftigung und einiger Erfahrung mit dem Thema möglich. Ansonsten sind ein Stativ und ein größerer Monitor sehr sinnvoll, wenn man ordentliche Aufnahmen mit nach Hause bringen will: Es ist nämlich schwer, mit dem eingebauten, kleinen Ausklappdisplay (3,2 Zoll Diagonale, 921.000 Bildpunkte) und dem Sucher (0,45 Zoll Diagonale, 1,2 Millionen Bildpunkte) die Schärfe und die Konvergenzebene sauber manuell einzustellen. Bei der Schärfe gibt es noch eine unterstützende Automatik, bei der Konvergenzebene nicht — zumindest gab es diese beim Vorseriengerät nicht, bei dem allerdings auch eine Blendenautomatik fehlte, was beim Seriengerät wohl kaum der Fall sein wird.

Um die Konvergenzebene einzustellen und damit die Tiefenebene festzulegen, muss man das Ausklappdisplay auf MIx-Betrieb umschalten. Dann werden die beiden Bilder fürs rechte und linke Auge auf dem Schirm übereinandergelegt und dort wo die Objektkanten sich decken, liegt die Konvergenzebene. Man kann sich zudem Grenzen der Tiefendarstellung als Entfernung in Metern ins Display einblenden — aber wenn man ehrlich ist, muss man besonders am Anfang, wenn man ganz ohne praktische Erfahrung loslegt, sehr viel Blindflug akzeptieren. Praktisches Beispiel: Bei den Testaufnahmen einiger Isarkanal-Surfer war es nicht ganz einfach, die Konvergenz mittels Display auf die gewünschte Ebene zu legen – zumal an dem hellen Sonnentag auch das Display etwas schwächelte und bei dem bewegten Motiv nur schwer auf dem Schirm zu erkennen war, wie die Konvergenz eingestellt war. Nimmt man die Display-Einblendungen zu Hilfe, kann man immerhin in etwa den gewünschten Wert hinbekommen.

Für die Konvergenzeinstellung bietet der AG-3DA1 (wie auch für Zoom, Blende und Fokus) eine Fernsteuerbuchse. Hier ist also der Weg für separate Bedieneinheiten bereitet, mit denen sich das Gerät dann auch im Zweimannbetrieb einigermaßen vernünftig nutzen und steuern lassen wird.

Vorführung auf dem BT-3DL2550

Hat man aber nach etlichem Probieren dann die passenden Einstellungen gefunden, ist es schon ein erhebendes Gefühl, die ersten eigenen Stereo-3D-Aufnahmen zu sehen. Im Test nutzte film-tv-video.de hierfür den Monitor BT-3DL2550 (Nettopreis: 8.600 Euro). Das ist ein Panasonic-Produktionsmonitor, der mit Polarisierung der beiden Stereobilder arbeitet. Das hat den Vorteil, dass man keine aktiven LCD-Brillen benötigt, sondern einfache Polfilterbrillen verwenden kann. Der Nachteil besteht darin, dass man nur einen relativ kleinen Betrachtungswinkel hat, besonders in vertikaler Richtung: Der Monitor muss sich ziemlich exakt auf Augenhöhe befinden, sonst sieht man auch dort Doppelkonturen, wo keine sind.

Vorläufiges Fazit

Panasonics AG-3DA1 bringt Stereo-3D auf eine neue Ebene: mit diesem Camcorder kann man ohne großen Vorbereitungsaufwand experimentieren und erste Stereo-3D-Produktionserfahrungen sammeln. Das ist toll und für viele eine schöne Möglichkeit, sich diesem Thema anzunähern. Sicher, die Tiefenwirkung, die man mit dem AG-3DA1 erzielen kann, lässt sich nicht mit dem vergleichen, was man von aufwändig produzierten Demo-Reels einiger 3D-Pioniere kennt. Dabei darf man aber nicht vergessen, mit welchem ungleich größeren Aufwand diese 3D-Demo-Videoa produziert wurden. Zudem kann man auch mit dem Panasonic-Camcorder im mittleren Entfernungsbereich etwa zwischen drei und sechs Metern vor der Kamera eine ordentliche 3D-Wirkung erzielen, die nicht nervt und auch ziemlich natürlich aussieht. Das ist überzeugend und weckt den Wunsch nach mehr Stereo-3D. Die größte Einschränkung ist allerdings der Preis, den man für das kompaktere Setup und das vergleichsweise einfache Handling des AG-3DA1 bezahlen muss: Panasonic möchte für den Stereo-3D-Camcorder immerhin rund 17.000 Euro haben, wenn er im September in den Handel geht.

Weitere Infos

Auf dem Youtube-Kanal von film-tv-video.de finden Sie hier ein Video, in dem Joe Facchini den 3D-Camcorder und einen Large-Sensor-Handheld von Panasonic auf englisch vorstellt.

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