Filmfest München: Reihe Neues Deutsches Kino und Spotlight
Die Wettbewerbsreihe Neues Deutsches Kino umfasst in diesem Jahr 16 Weltpremieren. In der Sektion Spotlight gibt es vier Weltpremieren.

16 Weltpremieren in der Reihe Neues Deutsches Kino
Das diesjährige Programm der Reihe Neues Deutsches Kino zeigt 16 deutsche Produktionen, bei denen die Filmemacher_innen nicht vor der Konfrontation mit unangenehmen Wahrheiten zurückscheuen.
Emanzipation und die Suche nach Wahrheit
Im autofiktionalen Drama »Sechswochenamt« überzeugt nicht nur die Geschichte der weiblichen Hauptfigur, sondern auch der Karriereweg der Filmemacherin Jacqueline Jansen. Als Autodidaktin in der Filmbranche gelang ihr der beeindruckende Weg zur Regisseurin und Drehbuchautorin ihres Spielfilmdebüts. Diese eindrückliche Energie spiegelt sich auch in »Sechswochenamt« wider: Eine junge Frau erlebt den Verlust ihrer Mutter inmitten der Corona-Pandemie. Im Zuge dessen kehrt sie in ihre rheinische Heimat zurück, wo sie sich nicht nur ihrer Trauer, sondern auch den starren Strukturen vor Ort stellen muss.
Auch das Drama »Karla« handelt von einer beeindruckenden wie mutigen weiblichen Hauptfigur. Ein 12-jähriges Mädchen zieht gegen ihre eigenen Eltern vor Gericht. Der Vorwurf: jahrelanger sexueller Missbrauch. Angelehnt an ein Gerichtsverfahren aus den frühen 1960er-Jahren thematisiert der Film den schwierigen Umgang mit Opfern von Kindesmissbrauch und zeigt, wie schwer es ist, die Wahrheit aufzudecken.

Um die spektakuläre Enthüllung jahrelanger Lügen geht es auch im Dokumentarfilm »Born to Fake« von Erec Brehmer und Benjamin Rost. Die Regisseure erzählen die erstaunliche Geschichte des Selfmade-Journalisten Michael Born, der in den 1990er-Jahren unbemerkt über 20 Beiträge für das Privatfernsehen fälschte und damit den Ursprung moderner Fake News legte.
Auch im Privaten gibt es Geheimnisse mit großen Auswirkungen, wie das Coming-of-Age-Drama »Missing*Link« zeigt: Im Urlaub mit ihrer Patchworkfamilie entdeckt Mia mit einem fremden Jungen eine nie gekannte Freiheit. Doch ein Familiengeheimnis stellt ihre bisherige Identität auf den Kopf und am Morgen ihres 14. Geburtstags verschwindet sie spurlos.
Musikalische Highlights
Mit dem Dokumentarfilm »Kreator – Hate & Hope« zeichnet Regisseurin Cordula Kablitz-Post ein berührendes Porträt der einflussreichen Essener Thrash-Metal-Band Kreator. Bei ihren Dreharbeiten lernt sie nicht nur, wie poetisch Heavy Metal sein kann; mit seinem veganen und Yoga-affinen Lebensstil rüttelt der Frontsänger auch an fest verankerten Vorurteilen. Mit privaten Archivaufnahmen und spannenden Interviews, u.a. mit Lars Eidinger oder Bela B. von Die Ärzte.

»Rave On« von Nikias Chryssos und Viktor Jakovleski (Regie und Buch) nimmt das Publikum mit auf eine atmosphärische Reise durch die ekstatische Techno-Clubszene à la Berghain. Im Mittelpunkt: ein verzweifelter DJ, der versucht, seine neue Platte zu promoten und dabei eine wilde Rave-Odyssee zwischen Eskapismus und Identitätssuche erlebt.
Besondere Konstellationen und Skurrilitäten
Eine schwarzhumorige Demontage der Gesellschaft bietet »Bernd – Operation Germanenkind«, ein Drama mit Horrorelementen. Ein Performance-Künstler bringt durch seine unkonventionelle und kompromisslose Ehrlichkeit die moralischen liberalen Wertevorstellungen seines Berliner Künstlerkollektivs ins Wanken.
Jovana Reisinger hingegen setzt in »Unterwegs im Namen der Kaiserin« auf Queerness pur vor einem kunterbunten Alpenpanorama. Mit facettenreicher, skurriler Poesie erzählt die Regisseurin von einem Wettstreit um ewige Jugend und das Vermächtnis der Kaiserin Sisi.

In der Komödie »Holy Meat« stehen die Themen Einsamkeit, Verantwortung und Kirche im Mittelpunkt. Pater Iversen versucht, mit einer spektakulären Passionsaufführung seine Pfarrgemeinde zu retten. Doch der gefallene Berliner Regisseur Roberto und die unfreiwillig zurückgekehrte Metzgerin Mia bringen seine Pläne gehörig durcheinander.
Eine sarkastische und zugleich zärtliche Meditation über das, was vom Film noch bleibt, bietet »Home Entertainment«. Ein gemütlicher Filmabend eines Pärchens entwickelt sich zum Spiegelbild der modernen Erschöpfung: Zwischen digitaler Überforderung durch Streamingangebote und zwischenmenschlichem Beziehungschaos reflektiert der Film über sein eigenes Verschwinden im Überangebot.
Ensemble-Filme
Himmlisch bayrisch wird’s in der Kinokomödie »Zweigstelle« von Julius Grimm. In seinem Langfilmdebüt landet eine plötzlich verstorbene Freundesgruppe in einer bürokratischen Zwischenwelt, in der über das Schicksal ihrer ungläubigen Seelen entschieden wird. Die deutsche Besetzung, von Luise Kinseher, über Johanna Bittenbinder, Maxi Schafroth bis Rainer Bock, sorgt für viel Humor, die passende musikalische Begleitung dazu liefern Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys.

Zurück auf der Erde sagen vier Jugendliche der Welt den Kampf an. Die Komödie »Danke für Nichts« von Stella Marie Markert spielt in einer betreuten WG, in der sich die Freundinnen ihre eigene anarchische Utopie schaffen – fern von Regeln, Eltern und Schule. Doch ihre ‚Leben und leben lassen‘-Ordnung gerät bald ins Wanken.

Nicht ganz so eng ist das Band der Freunde in dem Kammerspieldrama »Bubbles« von Sebastian Husak und Leonard Hettich Fiete trifft während eines Wochenendtrips am Wattenmeer auf seinen ehemaligen besten Freund, der mittlerweile in einer ganz anderen Bubble lebt und ihn mit alten Wunden konfrontiert.
Wiedersehen und Fortsetzungen
Mit dem Episodenfilm »#schwarzeschafe« setzt Regisseur Oliver Rihs seine Komödie von 2006 fort – mit hochkarätigem Cast und jeder Menge Berliner Sommerhitze. Kunstvoll verwebt er die Geschichten schräger Weltretter_innen, Clan-Mitgliedern oder Aktivist_innen, und stellt dabei die Frage: Ist Altruismus am Ende doch nur Egoismus? Für ein ganzheitliches Kinoerlebnis wird auch der erste Film »Schwarze Schafe« beim Filmfest München zu sehen sein.
Eine Patchworkfamilie, zwei Filme und dazwischen 15 Jahre: Nach dem Ende ihrer ersten großen Teenagerliebe in »Die Liebe der Kinder« (2009) steht Mira nun in »Das Glück der Tüchtigen« als erwachsene Frau vor neuen Herausforderungen – sie kämpft um ihre Ehe und ihre Existenz. Auch der erste Teil, der beim Filmfest München seine Premiere feierte, ist erneut in einem Screening zu sehen.

Mit »Mädchen Mädchen« kehrt ein Kultfilm auf die Leinwand zurück. Martina Pluras und Kathi Kiesls überraschende, diverse und mit viel Humor erzählte Neuinszenierung der frechen Komödie von 2001 handelt von Freundschaft, Gefühlschaos, Liebe und Lust der drei besten Freundinnen Inken, Vicky und Lena und trifft den Nerv der Gen Z.
Spotlight: Vier deutsche Filme feiern Weltpremiere
In »Ganzer halber Bruder« von Regisseur Hanno Olderdissen und Drehbuchautor Clemente Fernandez-Gil erwartet das Publikum eine emotionale Komödie. Ein gewiefter Immobilienbetrüger will nach seiner Haft ein geerbtes Haus zu Geld machen. Der Haken: Sein Bruder, ein junger Mann mit Trisomie 21, hat dort lebenslanges Wohnrecht und stellt sich ihm entschlossen in den Weg.
Nervenkitzel pur verspricht der Netflix-Mystery-Thriller »Brick« von Regisseur und Drehbuchautor Philip Koch: Das Apartmenthaus, in dem Tim und Olivia wohnen, ist plötzlich von einer mysteriösen Mauer umschlossen. Je mehr sie darüber in Erfahrung bringen, desto schwieriger scheint ihre Rettung.

Helge Schneider wird 70 Jahre – und legt nun seine filmische Autobiographie vor: Seit Jahrzehnten begeistert er mit unkonventioneller Comedy sowie musikalischem Können und zeigt das auch in seinem neuen Film »The Klimperclown«. Ein Abend voller Überraschungen und guter Laune ist garantiert.
Ob Aussteigen zur wahren Freiheit führt, das beschäftigt den Regisseur Julian Wittmann in seinem Dokumentarfilm »Ausgsting«. Er durfte den mittlerweile 80-jährigen Aussteiger Wolfgang »Gangerl« Clemens auf seiner Segelyacht begleiten. Seit 40 Jahren erlebt Clemens Freiheit pur auf den Weltmeeren und gewährt dem Publikum spannende Einblicke in sein unkonventionelles Leben.