Artificial Intelligence: 30.11.2020

KI-Symposium 2020: eine Bestandsaufnahme

Welchen Einfluss hat KI im Bereich der Medienproduktion? Bei einer Hybrid-Veranstaltung, die an der HFF München und online stattfand, konnte man sich in zahlreichen Vorträgen ein Bild davon machen.

Kann KI Fakes erkennen? Werden per KI in Zukunft Trailer und Highlight-Zusammenschnitte produziert? Wird KI unsere Kreativität letztlich sogar steigern? Oder wird einfach nur immer raffiniertere Werbung in unser Umfeld eingeschleust? Diese und viele andere Aspekte im Spannungsfeld von KI und Medienproduktion diskutierte eine Hybrid-Veranstaltung an der HFF München anhand ganz unterschiedlicher Vorträge.

Dr. Siegfried Fößel.

Dr. Siegfried Fößel eröffnete die Veranstaltung und führte aus, dass man sich mit dem KI-Symposium der wichtigen Frage stellen wolle, welchen Nutzen der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Medienbereich habe. Dazu versammelte das Team um Dr. Fößel etliche Vortragende aus unterschiedlichsten Bereichen.

Bettina Reitz, Präsidentin der Hochschule für Film und Fernsehen München, regte einen intensiven Austausch an, spiele doch KI eine zunehmend wichtige Rolle. Dr.-Ing. Peter Slansky aus dem Bereich Technik an der HFF betonte ebenfalls die Bedeutung von KI, stellte aber auch die Frage, wer den Nutzen davon habe: Nur die großen Silicon-Valley-Firmen oder auch kleinere Firmen und einzelne Anwender?

Das von der FKTG ausgerichtete KI-Symposium fand als Hybrid-Event online und vor Ort an der HFF München statt.
Dr. Marc Egger.

Mit Dr. Marc Egger, Head of Data Science, gab ein RTL-Experte Einblicke in die Analyse von Werbung im TV-Umfeld. Ziel sei es, mit Signature Code Tools Werbespots wirkungsvoller ins Umfeld integrieren zu können. Dabei gehe es darum, mit Hilfe von Data Science die richtige Mischung zu finden, mit der sich die Werbewirkung der Spots fürs jeweilige Umfeld optimieren lasse.

Die Analyse-Tools untersuchen dabei ganz konkret einzelne Spots.

Die Analyse-Tools untersuchen dabei ganz konkret einzelne Werbespots und ermitteln unterschiedlichste Werte, die einstufen sollen, wie gut ein Spot wirken wird –  beispielsweise in Bezug auf seinen visuellen Wert.

Die Bedenken eines Zuhörers, ob solche Formen der Analyse nicht dazu führten, dass am Ende alle Spots gleich aussähen, teilt Dr. Marc Egger nicht. Er glaubt vielmehr, dass man aus dieser Form der Auswertung viele Vorteile ziehen könne.

Dr. Jens Fisseler.

Dr. Jens Fisseler, Teamleiter Software & Content Analysis, Fraunhofer IAIS, entwickelt mit seiner Gruppe unter anderem Systeme zur automatischen KI-basierten Metadaten-Generierung. Er ging in seinem Vortrag auf die Mining-Plattform ein, die in einer strategischen Partnerschaft zusammen mit der ARD konzipiert und entwickelt wurde.

Automatische Transkription in der ARD crossmedialen Suche von Medas.

Sie bietet eine Vielzahl KI-basierter Mining-Services, etwa Audiotranskription, Keyword Extraction, Verschlagwortung, aber auch Gesichtsdetektion und -erkennung und viele mehr. Darauf können die Journalisten zugreifen und damit schneller und effizienter Inhalte auffinden.

Dr. Fissler ist sich sicher: »Das Wissen der Rundfunkanstalten liegt in den Daten, den KI-Modellen.« Schon jetzt sorge die Fraunhofer/ARD-Mining-Plattform dafür, dass neue Beiträge beim Ingest automatisch mit den bestehenden Services analysiert und erschlossen würden und diese Metadaten unmittelbar zur Verfügung stünden.

Claudia Janet Birkholz.

Claudia Janet Birkholz ist Interpretin für Klaviermusik des 20. und 21. Jahrhunderts sowie Dozentin für Klavier und zeitgenössische Musik an der Hochschule für Künste Bremen. Sie konzipiert auch Konzertformate in Zusammenarbeit mit Neurowissenschaftlern, Psychologen, KI-Forschern. Sie zeigte, wie KI auch in die Kreativbranche einfließen kann und präsentierte etliche Beispiele dafür.

Jakob Rosinski, IBM.

Jakob Rosinski ist Executive Architect bei IBM Deutschland und war unter anderem in die Entwicklung des Workflow- und Essenz-Management-Systems Arema involviert. In seinem Vortrag ging er auf die automatisierte Metadaten-Generierung ein, aber auch auf die von IBM entwickelte KI Watson.

Watson ist bekannt dafür, Fragen zu beantworten, die man per Sprache oder auch digital stellt. Für den Spielfilm »Morgan« präsentierte Watson aber eine andere Fähigkeit, denn für »Morgan« erstellte die KI von IBM einen Filmtrailer.


Der Watson-Trailer für »Morgan«.

Die IBM-KI-Entwickler wählten hierfür im Vorfeld zunächst 100 für gut befundene Spielfilme und passende Trailer dieses Genres aus und analysierten, was einen guten Trailer ausmacht.  Schnitt, Bewegtbild, Emotionen, Bildsprache, aber auch Background-Sounds und Tonlage der Schauspieler wurden erfasst, bewertet und gewichtet. Auch Bildausschnitt, Beleuchtung und Farbe spielten eine Rolle. Jene Faktoren, die statistisch betrachtet hervorstachen, pickten sich die KI-Entwickler heraus, sie bildeten die Grundlage für den Test. Im nächsten Schritt trainierte Watson auf dieser Basis per Machine Learning den Trailerschnitt. Das Resümee: Das Ergebnis war erstaunlich gut, dürfte sich als Highlight-Maschine aber eher für Day-to-Day-Production und weniger für große Produktionen eignen, so Jakob Rosinski.


IBM Watson im Einsatz bei der Produktion des Tennisturniers von Wimbledon.

Als weiteres Beispiel dafür, wie KI helfen kann, Produktionen zu beschleunigen, führte Rosinski die Produktion des Tennisturniers in Wimbledon an (siehe oben eingefügtes Video). Für Sky wiederum entwickelte IBM auf Basis von Watson einen Workflow, der automatisiert Ein- und Ausstiegsszenen bestimmter Clips austauscht.  Jakob Rosinski hebt hervor, dass in solchen Anwendungen die Stärken von KI liegen, weil sie hier helfe, Workflows zu beschleunigen.

Michael Gamböck, Adobe.

Michael Gamböck beschäftigt sich in seiner strategischen Rolle bei Adobe unter anderem mit neuen Technologien wie Adobe Sensei – das ist die KI von Adobe. Er betont, dass aus der Sicht von Adobe Kreativität zu einer Währung geworden sei, und Technologie helfe, diese zu fördern. Adobe Sensei kommt hier besondere Bedeutung zu, die KI-Funktionen der Adobe-Softwares sollen vor allem dort helfen, wo es darum geht, sich wiederholende Arbeitsschritte, aber auch beispielsweise die Suche nach Inhalten zu erleichtern. Auch das Erstellen von Masken, Crops, Resizes oder Zooms profitiere vom Einsatz von Adobe Sensei.

Adobe Sensei im Editingbereich.

Auch aus dem Editing-Bereich führte Gamböck etliche Funktionen an, die das Leben erleichtern: etwa Auto Reframe, Morph Cut, Color Match oder Autoducking, Remix und Content-Aware Fill.

Kurzum: Für Adobe gehöre der Einsatz von KI schon längst zum Daily Business, betont Gamböck, und jeder Adobe-Software-Nutzer dürfte sie —  bewusst oder unbewusst — auch schon genutzt haben. Michael Gamböck bilanziert: »Wir ersetzen Kreativität nicht, wir beschleunigen sie.«

Patrick Aichroth.

Patrick Aichroth vom Fraunhofer IDMT hat seinen Arbeitsschwerpunkt in den Bereichen Informationssicherheit in Verbindung mit A/V-Content-Analyse, KI und Empfehlungssystemen. Er beschäftigte sich in seinem Vortrag mit dem Thema Fakes und mit der Frage, welche Möglichkeiten es gibt, diese zu erkennen. Am konkreten Beispiel zeigte er, wie leicht es ist, mit wenigen Schritten »Shallow Fakes« zu erstellen, die genau das Gegenteil der Wahrheit vermitteln.

Für Journalismus ist es essenziell, Fakes zu erkennen. Hier hilft Fraunhofer IDMT.

Aichroth erläuterte, welche unterschiedlichen Möglichkeiten die Audio-Forensik bietet, um Fake-Audiodaten zu erkennen. Wichtig sind solche Mittel und Methoden für alle, die journalistisch arbeiten und einschätzen müssen, ob eine Quelle vertrauenswürdig ist – oder eben nicht. Für die Deutsche Welle etwa adaptiert Fraunhofer IDMT schon Werkzeuge, die das Aufspüren von Fakes erleichtern.

Susanne Steinmassl: AI soll nicht ersetzen, sondern neue Welten und Möglichkeiten erschließen.

Zum Schluss der Vortragsreihe stellte Susanne Steinmassl ihr Filmprojekt  »The Future is not unwritten« vor. Der Film erzählt sich mit Hilfe von Machine Learning gewissermaßen selbst und verändert sich dabei immer wieder. Hinter dem Projekt  steht letztlich die Frage, ob der Mensch im Begriff ist, sich selbst überflüssig zu machen. Susanne Steinmassl kommt aber zu einem anderen Schluss. Sie fordert dazu auf, AI nicht als Bedrohung zu sehen, sondern als Werkzeug und auch als Chance, neue Erzählformen zu finden.

Mit einer virtuellen Podiumsdiskussion schloss die Veranstaltung.


The Future is not unwritten.