ISE 2026 Barcelona: Neuer Hotspot für Broadcast und AV-Technologie?
Im Gespräch mit ISE-Messechef Michael Blackman wird deutlich: Die ISE entwickelt sich zunehmend als ernstzunehmende Messe im Broadcast-Bereich.

Von Amsterdam nach Barcelona
Seit 2021 findet die ISE in Barcelona statt. Davor hatte die Messe für viele Jahre in Amsterdam stattgefunden. »Das Messegelände ist schlichtweg zu klein geworden« erklärt Michael Blackman den Wegzug von Amsterdam, »und wir konnten auch nicht in die Stadt expandieren.« Hinzu kamen massive Infrastrukturprobleme – zu wenige Hotelzimmer und ein Verkehrschaos, das selbst kurze Wege zur Geduldsprobe machte.

Bei der europaweiten Suche nach einem neuen Standort standen klare Kriterien im Vordergrund: ein ausreichend großes Messegelände mit Entwicklungspotenzial, genügend Hotelkapazitäten und gute Verkehrsanbindung. Barcelona erfüllte alle Anforderungen – und bot einen unerwarteten Bonus: Während die ISE in Städten wie Genf, Brüssel oder Amsterdam stets im kalten Februar stattfand bzw. stattgefunden hätte, lockt Barcelona mit 18 Grad und mediterranem Flair. »Dieser Extra-Charme hat sich ausgezahlt«, so Blackman.
Technologischer Wandel verändert die Branche
Der Erfolg in Barcelona ist jedoch nicht nur dem Wetter zu verdanken. Parallel zum Standortwechsel vollzog sich ein fundamentaler Wandel in der Branche selbst. Technologien, die traditionell im Broadcast-Bereich angesiedelt waren, finden zunehmend Anwendung im AV-Bereich: Virtual Studios, LED-Wände und entsprechende Produktionstechnik verwischen die Grenzen zwischen den Welten.

»Diese Entwicklung verändert nicht nur, wer Inhalte produziert, sondern auch, wer die entsprechende Technologie kauft. Corporate Video wird zunehmend inhouse produziert statt von Agenturen eingekauft. Agenturen selbst erweitern ihr Angebot. Systemintegratoren arbeiten verstärkt im Broadcast-Bereich, während Produkthersteller ihre Kundenbasis von klassischen Sendern auf Studios und Content Creator ausweiten«, erläutert Michael Blackman die Entwicklungen, die der ISE zu immer mehr Wachstum verhalfen.
Gezieltes Ansprechen neuer Zielgruppen
Die ISE reagiert auf diese Verschiebungen mit einer klaren Strategie. Mittlerweile sind über 11 Prozent der Besucher explizit am Broadcast-Bereich interessiert – Tendenz steigend. Um dieser wachsenden Gruppe gerecht zu werden, hat die Messe Halle 4 mit einem eigenen Bereich Broadcast AV etabliert. Dort finden sich Aussteller wie beispielsweise Ross Video und Blackmagic Design. In Halle 3 präsentieren die großen Hersteller wie Samsung, LG, Panasonic und Sony ihre Kameras und Displays. Halle 6 beherbergt Anbieter von Produktions-LEDs für Broadcast-Anwendungen wie Unilumin oder Infiled. Pro-Audio-Hersteller und Studioanbieter sind in Halle 7 zu finden.

Neben der räumlichen Organisation unterstützt die Messe Besucher durch gezielte Orientierungshilfen. »Mit neun Hallen müssen wir sicherstellen, dass Besucher nicht die ganze Messe absuchen müssen«, erklärt Blackman. Deshalb werden die relevanten Bereiche klar ausgewiesen und kommuniziert.

Ein besonders spannender neuer Bereich ist »Spark«, der gezielt Content Producers und Content Creators anspricht. „Wir haben erkannt, dass Software und Content Creation bislang unterrepräsentiert waren. Unternehmen wie MediaPro, Netflix oder TV3 möchten daher auch im kreativen Bereich auf der ISE sichtbar sein und eine Community auf der Messe aufbauen. Auch der Gaming-Sektor, der bisher bei unserer Messe eher wenig thematisiert wurde, findet nun seinen Platz – allerdings mit Fokus auf Content Creation für Business und Corporate, nicht auf klassische Consumer-Games«, erklärt Michael Blackman.
Mit Konferenzen und Panels zu Themen wie »Broadcast AV« und »Content Creation« tut die ISE zudem etwas für die steigende Nachfrage aus dieser Branche.
NAB verliert an internationaler Attraktivität
Während die ISE wächst, verliert die NABShow in Las Vegas an Strahlkraft – zumindest außerhalb Nordamerikas. Bei film-tv-video.de verfestigte sich insbesondere nach der NABShow im vergangenen Jahr der Eindruck, dass potenzielle Messebesucher und -Besucherinnen aus Europa, dem Nahen Osten und Asien zusehends Bedenken haben, in die USA zu reisen. Davon profitiert zumindest partiell die ISE, bei der sich immer mehr asiatische Aussteller mit Projekten aus dem Broadcast- und AV-Bereich zeigen.

Die ISE war zudem schon immer international ausgerichtet – mit Besuchern aus 168 Ländern, davon 30 Prozent von außerhalb Europas. Diese internationale Ausrichtung verstärkt sich aber weiter. Besonders bemerkenswert ist das Wachstum aus Südamerika. Neben der spanischen Sprache als Vorteil spielen überraschende Faktoren eine Rolle: Die Reisekosten und -zeiten nach Barcelona sind vergleichbar oder sogar günstiger als nach Las Vegas. Hinzu kommt, dass viele südamerikanische Länder visafreies oder erleichtertes Reisen nach Spanien ermöglichen, während die Einreise in die USA zunehmend komplizierter wird. Die ISE bietet zudem spanischsprachige Programme an, was die Attraktivität für diese Zielgruppe weiter erhöht.
Koexistenz statt Konkurrenz?
Bei aller Dynamik betont Blackman, dass die ISE nicht darauf abzielt, andere Messen kaputt zu machen.

Eine IBC in Amsterdam habe ihren Platz in der Branche, so Blackman. Allerdings müsse sie sich verändern – und diese Veränderung könnte zu Überschneidungen mit der ISE führen. Bereiche wie Satellitenübertragung und entsprechendes Equipment sind für die ISE weniger relevant, Produktions- und Broadcast-Technik hingegen schon.
Vielleicht entwickelt sich die ISE zumindest in Teilen aber auch eher zu einer Alternative zur NABShow. Schwindende Besucherzahlen, massive Bauarbeiten, die seit Jahren stattfinden und immer höhere Preise in den USA und in Las Vegas schrecken viele ab – und hinterlassen ein Vakuum, das die ISE befüllen könnte.

Ausblick
Durch die Kombination aus besserer Infrastruktur, attraktivem Standort und strategischer Positionierung im Spannungsfeld zwischen AV-Integration, Broadcast und Content Creation erschließt die ISE immer mehr neue Zielgruppen. Gleichzeitig profitiert sie von geopolitischen Entwicklungen, die internationale Reisen in die USA erschweren. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass die ISE noch mehr Bedeutung erlangen könnte – auch im Broadcast- und Produktionsmarkt.
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