Branche, Top-Story: 15.02.2001

Was ist los mit SGI?

SGI konnte in der jüngeren Vergangenheit nicht gerade mit überzeugenden Erfolgsmeldungen aufwarten, sondern hatte mit Verlustmeldungen und Lieferschwierigkeiten zu kämpfen. www.film-tv-video.de sprach über die aktuelle Situation und die Zukunftspläne von SGI im Medienbereich mit Greg Estes, der als Vice President und General Manager für den Firmenbereich Telecommunications and Media verantwortlich ist.

1999 wurde SGI als Übernahme-Kandidat gehandelt, 2000 übernahm das Unternehmen, das besonders für seine Hochleistungs-Unix-Computer bekannt ist, selbst vom angeschlagenen Konkurrenten Intergraph dessen NT-Workstation-Produktlinie. Seither sind konkrete, handfeste Informationen zu diesem Produkbereich Mangelware und SGI ist auch unter dem neuen CEO Bob Bishop mit Verlustmeldungen geplagt.
Wie wird es mit SGI weitergehen, besonders im Broadcast-Sektor und in der Medienproduktion, wo SGI-Systeme im Animations- und On-Air-Grafik-Bereich, bei Virtual Sets und als Video/Media-Server eingesetzt werden?

Greg Estes, Vice President und General Manager Telecommunications and Media bei SGI sprach darüber sehr offen und locker mit www.film-tv-video.de. Es folgen Auszüge aus dem Interview, das in voller Länge als PDF-File zum Download bereitsteht (Größe ca. 160 kB). Klicken Sie hierzu auf den PDF-Button in der rechten Spalte.

? Wie ist denn die Stimmung bei SGI? Viel Gutes hört man ja in der letzten Zeit nicht über das Unternehmen.

GREG ESTES: Ich bin schon seit mehr als einer Dekade bei SGI, im Juli endet mein elftes Jahr der Firmenzugehörigkeit. Ich kenne SGI aus dieser Zeit in vielen verschiedenen Zuständen: Groß, klein, fokussiert, defokussiert, sehr schnell wachsend und nicht so schnell wachsend. Ich glaube eine der besten Sachen die Bob Bishop für SGI getan hat, ist uns allen sehr klar zu machen, was die Aufgabe dieses Unternehmens ist. Ich denke, manch einer würde das als die Rückkehr zu den Wurzeln von SGI bezeichnen. Das ist für manche Leute ein sehr gutes Gefühl, andere macht es vielleicht nervös. Ich denke aber man kann eine enorme Kraft daraus schöpfen, wenn man seine Aufgabe ganz genau kennt.

? Durch die neuesten Nachrichten über Verluste und den Verkauf von Immobilien konnte man den Eindruck gewinnen, SGI habe mit dem Ausverkauf des Familiensilbers begonnen.

GREG ESTES: Oh, das ist natürlich ein falscher Eindruck. SGI kaufte vor einigen Jahren etliche Immobilien, als das Unternehmen zu viel Cash anhäufte. Firmen wie Sun oder Microsoft haben das nicht getan, denen gehören die Gebäude in denen sie sitzen nicht, und dafür gibt es auch gute Gründe: Wir sind ja auch schließlich keine Immobilien-Verwaltungs-Firma.
Es gab aber bei SGI keinen Zwang, die Immobilien jetzt zu verkaufen, um an Geld zu kommen, sondern es gab einfach andere Pläne, wie man dieses Vermögen sinnvoller nutzen kann. Lassen Sie mich ein Beispiel anführen: Unsere Aktien sind derzeit definitiv unterbewertet, wir liegen bei ungefähr 4 Dollar pro Aktie. Allein schon die Bleistifte und Computer auf den Schreibtischen der Angestellten sind wahrscheinlich 7 Dollar pro Aktie wert. Nun können wir also mit dem Geld das bisher in Immobilien gebunden war, unsere eigenen Aktien kaufen und das ist langfristig ein deutlich besseres Investment. Das ist die eine Seite, die andere Seite: Es kostet uns weniger, die Gebäude jetzt wieder zu leasen, als wenn wir sie weiter selbst behalten und bewirtschaftet hätten.

? Wie stellt sich denn aus der Sicht von SGI derzeit der Markt dar?

GREG ESTES: Gerade im Medienbereich verändert sich der Markt derzeit ganz dramatisch: Medienunternehmen kaufen Distributionsunternehmen und umgekehrt. Denken Sie an AOL/Time-Warner oder die jüngste Entwicklung bei Bertelsmann, oder an AT&T in den USA. Das sind alles wichtige Kunden von uns, die letztlich eine gemeinsame Fragestellung umtreibt: Wie kann man Inhalte be- oder erschaffen die bei den Leuten gut ankommen und wie kann man diesen Inhalt auf so viele Arten wie irgend möglich verwerten.
Am anderen Ende der gleichen Kette stehen die Distributions-Unternehmen, die Service Provider und Telekom-Unternehmen, die dringend neue Services benötigen, um ihre Infrastrukturen ausnutzen zu können. Die suchen nach neuen Arten von Medien-Inhalten, die sie verteilen können: Interaktives TV, Pay-per-View, Streaming Media sind hier die wichtigen Stichworte.
Unterschiede gibt es auch bei der Finanzierung dieser Services: Abonnement, On-Demand, werbefinanzierte Angebote sind möglich. Das Empfangsgerät kann ein PC sein, ein TV-Gerät, eine Set-Top-Box oder mobiles, drahtloses Endgerät, wobei gerade in letzterem Bereich Europa langsam eine Führungsrolle einnimmt.
Wir nehmen all diese Konvergenzbereiche klar ins Visier, wir wollen unseren Kunden die Möglichkeit geben, Inhalte zu erschaffen, zu managen, auszuspielen und die Abrechnung vorzunehmen. Wir wollen als Computer-Firma letztlich in der Lage sein, Maschinen anzubieten, auf denen Content kreiert und an jede Art von Endgerät ausgespielt werden kann.
Zwischen den Medienfirmen und den Telekom-Unternehmen sitzt ein weiterer im Medienbereich relativ neuer Bereich von Firmen, der für uns ebenfalls sehr interessant ist, die ASPs, Application Service Provider. Besonders im Bereich des digitalen Asset Management beginnt sich in Europa hier etwas zu entwickeln, nämlich Firmen, die das Verwalten und Ausspielen von Inhalten, oder auch das Rendern als Dienstleistung anbieten.

? Wieviele Prozent der Maschinen, die SGI im Windows-NT und im Linux-Markt verkauft, sind SGI- und wieviel Intergraph-Maschinen?

GREG ESTES: Konkrete Zahlen geben wir dazu nicht bekannt, aber ich möchte etwas allgemeineres hierzu sagen: Praktisch im gesamten abgelaufenen Quartal war die Intergraph-Produktlinie gar nicht wirklich verfügbar. Wir haben erst mit einiger Verzögerung Bestellungen angenommen und mit der Lieferung begonnen. Wir haben also noch gar kein volles Quartal von Verkaufszahlen für die Intergraph-Produktlinie vorliegen.
Ganz allgemein gesprochen kann ich sagen, dass wir speziell im Medienbereich sehr stark auf die ZX10-Linie fokussieren. Hier wird ganz sicher eher die Octane2 und die ZX10 gegeneinander laufen, denn das sind beides sehr schnelle Maschinen mit unterschiedlichen, konkurrierenden Betriebssystemen.

? Windows NT und Irix parallel in einem Netz und am gleichen Projekt einzusetzen, ist ein Alptraum. Was wird SGI tun, um das zu ändern? Wird es je so etwas wie Plattformunabhängigkeit für die Anwender geben?

GREG ESTES: Ich habe zwei Antworten auf diese Frage. Die erste Antwort ist: Man kann nichts tun, um die Schwierigkeiten zu beseitigen, die entstehen wenn man zwei Betriebssysteme unterstützen muss. Das wird immer schwieriger sein, als mit nur einem Betriebssystem zu arbeiten. Und mit drei Betriebssystemen wird es nochmal schwieriger. Das ist eben einfach so.
Die zweite Antwort ist: Wir tun alles was wir können, um Möglichkeiten zu schaffen, Content etwa mit Studio Central für verschiedene Plattformen zugänglich zu machen. Wir planen hierfür derzeit einen web-basierten Client, so dass man von ganz unterschiedlichen Maschinen aus auf einen zentralen Speicher zugreifen und mit dem Material in Workgroups arbeiten kann.
Das ändert natürlich zunächst nichts an der Tatsache, dass man eventuell einen Haufen ganz unterschiedlicher Maschinen im Netzwerk managen muss, aber es ändert den Zugang zu diesem Thema: Auch hier kann man ein Client-Server-Modell etablieren, mit dem sich zentral verwalteter Content bewegen, betrachten, bearbeiten.

? Obwohl SGI auch Video-Server im Angebot hat, wird dieses Geschäft von anderen Unternehmen beherrscht. Woran liegt das?

GREG ESTES: Obwohl es bei SGI die einzelnen Komponenten im Hard- und Software-Bereich eigentlich schon gab, hat SGI erst seit letztem Jahr ein Produkt im Programm, das letztlich mit den dedicated Video-Servern andere Firmen konkurriert. Solche Server werden in Europa beispielsweise beim Schwedischen Fernsehen SVT eingesetzt, wo mittlerweile 27 solche Systeme stehen, die letztlich auf unseren kleineren Unix-Servern basieren. Darin liegt auch der große Unterschied zu reinen Video-Servern: mit unseren Unix-Servern lassen sich FTP-Übertragungen zwischen Servern sehr einfach und zuverlässig realisieren. Als Front-Ends an einem zentralen SGI-Server können wie bei SVT Avid-Systeme eingesetzt werden, oder wie bei den meisten anderen ähnlichen Applikationen die wir realisiert haben, Panasonic-Schnittsysteme.

? Können Sie schon einen Ausblick auf die NAB2001 geben?

GREG ESTES: Details kann ich natürlich noch nicht bekanntgeben, aber vielleicht so viel: Unser MediaServer wird ab der NAB auch MPEG unterstützen. Es wird neue Video-I/O-Devices geben, sowohl für die ZX10-Maschinen, wie auch für die Octane-Produktlinie. Damit wird die Octane HD-fähig sein, die ZX10 wird einen direkten Video-Out bekommen, damit sich diese Rechnerlinie auch problemlos im On-Air-Grafik-Bereich einsetzen lässt. Es wir eine neue Version von Studio Central geben. Seit Mai 2000 haben wir nahezu unsere gesamtes Produkt-Programm umgekrempelt, unsere Server sind neu, unsere Workstations sind neu, wir haben viel zu zeigen bei der diesjährigen NAB.

Downloads zum Artikel:

T_0201_Estes_SGI.pdf