Branche: 15.09.2003

IBC2003: Trend zu »IT-based Production« massiv verstärkt

Wo man auch hinkommt während der diesjährigen IBC, fast überall steht das Thema »IT for Broadcast« im Zentrum.

Die Camcorder der nächsten Generation von Sony und Panasonic lassen sich auch hier als Beispiel anführen, denn schon die Sprache macht klar, wohin die Reise geht: Die optical-disc-basierten XDCAM-Camcorder von Sony legen mit den Aufnahmen in voller Qualität auch ein »Proxy« mit 1,5 Mbps auf der Scheibe ab, mit dem man Sichten, Vorschneiden und das man zur Not auch Senden kann. Der P2-Speicherchip-Camcorder von Panasonic bringt natürlich ebenfalls eine in diesem Bereich ungewohnte Terminologie mit, denn es gibt ja kein Laufwerk und keinen Recorder mehr, sondern nur noch »Slots« und »Feeder«.

So ganz haben sich Sony und Panasonic aber noch nicht von ihrem traditionellen Denken verabschiedet. An den Ständen der beiden Wettbewerber gibt es nämlich jeweils noch einen Gerätetyp zu sehen, der eigentlich nicht ins Bild passt: Studiorecorder mit Disc-Laufwerk oder Memory-Card-Slots. Wer braucht das in einer IT-basierten Broadcast-Welt noch? Einen Laptop oder Desktop-PC stellen Sony und Panasonic bei ihren neuen Konzepten ohnehin fast immer in unmittelbarere Nähe der neuen Geräte auf, als wollten sie damit auch räumlich die enge Beziehung der neuen Linien zur IT-Welt unterstreichen, und es wird das Schicksal der Abspielgeräte sein, in den allermeisten Fällen nur noch als Peripherie für einen PC zu dienen. Wieso sollte man schließlich vom Editing-PC aus ein Gerät fernbedienen, das so tut, als sei es ein Videorecorder, wenn doch ein simples Laufwerk den gleichen Zweck erfüllen kann?

Die Antwort liegt auf der Hand: In einer längeren Übergangsphase wird man Geräte brauchen, die mit den neuen Speichermedien umgehen können, File-Transfer ermöglichen, sich aber auch wie ein klasssischer Studiorecorder bedienen lassen. Wenn aber die »Broadcast-IT-Revolution« nur halb so schnell vor sich geht, wie manch einer während der IBC2003 das herbei redet oder sehnt, dann werden solche Geräte bald schon exotischen Charakter haben.

Aber bis dahin gibt der Besucherandrang am Sony- und Panasonic-Stand den beiden etablierten Broadcast-Herstellern recht: So voll war es an deren Ständen in den vergangenen beiden Jahren nicht mehr, wie es nun während der ersten beiden Tage der IBC2003 bei mehreren Besuchen der Redaktion an diesen Ständen aussah. Das Thema »IT for Broadcast« von der Akquisitionsseite auf zu rollen und das mit den gezeigten Konzepten zu tun, entsspricht ganz offenbar den Wünschen und Interessen vieler Anwender.

Prinzipiell neu ist am Thema »IT for Broadcast« eigentlich in der Tat nur, dass Sony und Panasonic es nun auf der Aufnahmeseite angehen wollen. Firmen wie Pinnacle, Omneon und andere treiben den IT-Trend in der Nachbearbeitung, im Newsbereich und bei der Studioinfrastruktur schon lange voran. Beide behaupten frech: Für den Preis, den bei konventioneller Konzeption eines solchen Systems allein schon die Kreuzschiene kostet, können wir in manchen Fällen mit IT-basierten Komponenten die komplette Lösung erstellen. Andere hauen in die gleiche Kerbe und beschreiben SDI-Infrastrukturen als »Moving Target«, das man schon bald durch file-basierte Netzwerk-Server-Strukturen ersetzen will. Nicht umsonst steht dieses Thema auch bei Thomson/Grass Valley ganz oben auf der Agenda, nicht umsonst gibt es von diesem Hersteller neue Infrastruktur-Paket-Angebote.

Pinnacle liefert den Skeptikern mit seinem Slogan eine Steilvorlage: »Connecting Creativity«. Eine schöne Idee, die aber voraussetzt, dass die Hersteller ihre Hausaufgaben erledigen und die lauten: »Create Connectivity«. Die Systeme müssen zusammenspielen und so etwas Grundlegendes wie die BNC-Buchse, über die erst FBAS- und später SDI-Signale problemlos zwischen den unterschiedlichsten Geräten verschiedenster Hersteller verteilt und ausgetauscht werden konnten, hat der ganze IT-Hype bislang nicht zustande gebracht.

Zugegeben: Mit MXF und AAF ist man sicher auf dem richtigen Weg, aber wohl noch nicht am Ziel. Vielleicht wird aus MXF einmal so etwas wie die »BNC-Buchse des IT-Broadcast-Zeitalters«, aber so weit ist es noch nicht. Insgesamt geht aber einiges in die Richtung offener Standards und offener Systeme: So verabschieden sich etwa immer mehr Hersteller von NLE– und Effektsystemen von ihren eigenen, geschlossenen File-Systemen und öffnen sich damit prinzipiell für den direkten File-Austausch, der das Zusammenarbeiten verschiedener Systeme ermöglicht, ohne dass man umständlich importieren, wandeln und transcodieren muss.

Jede Abwehrhaltung scheint ohnehin letztlich sinn-und hoffnungslos, denn wie schon erwähnt, gibt es kaum noch IBC-Stände, an denen nicht ins IT-Horn gestoßen wird. Aber momentan ist es so, dass an irgendeiner Stelle im Produktionsprozess dann doch wieder eine FBAS- oder SDI-Buchse sitzen muss, vorerst rutscht sie eben nur immer weiter nach hinten.