Branche, Top-Story: 03.05.2012

Filmtipps fürs Dokumentarfilmfestival München

Derzeit findet in München das 27. Internationale Dokumentarfilmfestival München statt – mit einem Programm aus 137 Filmen. Eine subjektive Auswahl und Bewertung für Interessierte.

Hans Albrecht Lusznat ist Kameramann mit Schwerpunkt im Dokumentarfilm und gelegentlich auch Autor von film-tv-video.de. Er hat eine ganz persönliche Liste mit Festivalfilmtipps zum 27. Internationalen Dokumentarfilmfestival München zusammengestellt.

The Flat  – Die Wohnung

Nach dem Tod der deutschstämmigen Großmutter räumt der Enkel die Wohnung in Tel Aviv aus und stößt auf einen Artikel aus dem »Angriff«, einer Nazi-Propagandazeitung und damit auf ein Stück Familiengeschichte. Der Großvater, ein jüdischer Verkehrsrichter aus Berlin, bereist 1934 zusammen mit einem Nazi-Journalisten Palästina, wobei der besagte Artikel entsteht. Großvater und Journalist und auch die Frauen freunden sich an. Der Jude verliert seine Stelle und wandert aus. Der Journalist arbeitet in Goebbels Propagandaministerium als Vorgänger von Eichmann. Soweit ist das vielleicht öfters passiert. Aber nach dem Krieg setzen beide die Freundschaft fort. Die Kindergeneration weiß nicht richtig Bescheid und verdrängt die Frage, wie weit die Verstrickung reichte. Erst der Enkel und Filmemacher bohrt nach. Ein Stück spannender Familiengeschichte: Sehenswert.

Messis

Über Entrümplungsaktionen bei Messis gibt es inzwischen zahlreiche Reality-Fernsehformate. Ulrich Grossenbacher begleitet in seinem Dokumentarfilm vier Betroffene in der Schweiz über eine längere Periode und zeigt die zwangsläufigen Konflikte mit Partner oder Nachbarschaft. Da ist der 70jährige Bergbauer, der rund um seinen Hof diverse Fahrzeuge und Baumaschinen versammelt hat. Er stört das Landschaftsbild der Schweizer Berge und wird von der Gemeinde zur Entrümplung gezwungen. Die alleinstehende Kulturbesessene hat auf tausenden Compact-Kassetten Radiosendungen mitgeschnitten und turnt akrobatisch durch schmale Gassen, die zwischen all den in der Wohnung gesammelten Sachen verblieben sind. Der Theaterrequisiteur hat schon heimlich drei Scheunen angemietet und trotzdem das eigene Haus so mit seiner Sammelwut belegt, dass die Frau ihn schließlich nach gescheiterten Therapiegesprächen verlässt.
Zeitweilig hat der Filmemacher den Protagonisten eine Kamera um den Kopf gebunden, und so erlebt man den subjektiven Blick der Betroffenen, die sich wie Maulwürfe durch ihre Sachen wühlen: Sehenswert.

Hunds Buam
Es ist das Strandgut der Hauptschule, dass in der GIK in Wartenburg im Erdinger Moos noch eine Chance findet und geduldige Pädagogen, die den schwierigen Jugendlichen versuchen, einen Start in ein erfolgreiches Berufsleben zu ermöglichen. Acht Jugendliche werden über ein Jahr in der Schule und bei ihren Praktikumsversuchen begleitet. Der Film schafft es, dass man diese Jugendlichen irgendwann einfach mag.

6 Million and One
Vier Geschwister aus Israel begeben sich mit dem Tagebuch des verstorbenen Vaters auf eine Erinnerungs- und Selbstfindungsreise. Der Vater hat das Konzentrationslager Gusen bei Mauthausen in Österreich überlebt. Vor Ort wird den Kindern in lebhafter Diskussion mit Weinen und Lachen vieles über ihren Vater klar und der Zuschauer bekommt eine Ahnung davon, wie stark die zweite Generation der Überlebenden in das Traumata mit hineingezogen worden ist. Im Film treten auch drei amerikanische GIs auf, die zu den ersten Befreiern gehörten und heute noch unter den Erlebnissen leiden. Schön und unaufdringlich fotografiert: Unbedingt sehenswert.

Speed
Das Zeitproblem hat sich mit der ständigen Erreichbarkeit über Smartphone und Email noch verschärft und die Beschleunigung nimmt zu. Weil der Filmemacher Vater geworden ist, wird ihm das Problem durch den Zeit fordernden Sohn um so bewusster. Er begibt sich auf eine Reise zur Suche nach der verlorenen Zeit. Der Versuch, das Private mit dem Allgemeinen zu verflechten, hilft zwar, in den Film hineinzufinden, kittet aber ansonsten nur die besuchten Experten zusammen. Mit einigem Abstand bleibt die Erkenntnis im Kopf: Man muss Prioritäten setzen.
Sehenswert ist der Film, weil die Kamera alle neueren visuellen Ausdrucksweisen testet: von Zeitraffer, Bodycam bis hin zu Tilt-/Shift-Effekten.

Lawinen der Erinnerung
Oliver Storz, Jahrgang 1929, hat immer wieder seine Kindheit und Jugenderinnerungen aus dem dritten Reich in Drehbüchern, Romanen und Filmen verarbeitet. Er war von Anfang an beim Fernsehen (SDR), dann bei der Bavaria, wo er unter Pseudonym die Bücher für die Serie Raumpatrouille schrieb. Der Filmemacher interviewt Storz mehrere Mal vor dessen Tod im Jahr 2011 und bringt mit reichlich Kommentar eine zusätzliche Ebene in den Film. Alles wird bebildert, und wenn von den Lawinen der Erinnerung gesprochen wird, ist tatsächlich eine Schneelawine in den Bergen zu sehen– und kurz darauf werden die Schleusentore serviert: weil ja Erinnerungen oft hervorbrechen, hinter diesen Toren. Berührend ist die letzte Viertel Stunde des Filmes, in denen Storz von der Beziehung zu seinem Vater und dem eigenen Tod spricht. Ein interessantes Stilmittel ist die Form der Fragen, die als Text ins Bild eingeblendet werden.

Moving up
Shariyar ist Müllmann im iranischen Kermanshah. Seit 16 Jahren arbeitet er nebenbei unbeirrbar an seinem schriftstellerischen Werk »The fairly Princess« und träumt von Erfolg, vom Aufstieg. In seinen Anstrengungen wird er von seiner Umgebung nicht gerade unterstützt, sogar sabotiert und gleich am Anfang des Filmes gibt es einen Streit mit seiner Frau, der er vorwirft, sein Notizbuch weggeworfen zu haben. Der Filmemacher gewährt einen Einblick in ein kleines Stück Alltag im Iran: Sehenswert.
 
In Film Nist – This is not a Film
Ein Mann sitzt allein am Frühstückstisch. Er frühstückt und ruft einen Freund an, füttert den Leguan der Tochter, telefoniert mit seiner Frau. Es ist der iranische Filmregisseur Jafar Panahi, und aus den Telefongesprächen erfahren wir, daß er zu sechs Jahren Haft verurteilt worden ist und mit 20 Jahren Berufsverbot belegt wurde: keine Drehbücher, keine Interviews, keine Ausreise. Das Vorlesen und Vorspielen ist ihm nicht verboten und so beginnt er, sein nächstes Filmprojekt zu erzählen und spielen. Auf dem Teppich im Wohnzimmer entsteht eine komplette Szenerie mit verschiedenen Charakteren: Sehenswert.

Into the Abyss
Um ein Auto aus der Garage eines abgelegenen Hauses in Conroe (Texas) zu stehlen, ermorden Michael Perry und Jason Burcett eine Krankenschwester und anschließend deren Sohn und dessen Freund. Perry wird acht Tage nach dem Filminterview hingerichtet. Der Film erzählt die Geschichte eines Verbrechens wie eine reale Version des Romans/Films »Kaltblütig« von Capote/Brucks, ohne spektakulär zu werden. Interviews mit den Tätern, den Hinterbliebenen und ermittelnden Beamten werden mit Tatortvideos der Polizei gemixt und zeigen die Banalität eines Verbrechens mit drei Toten: Unbedingt sehenswert.

Italy, leave it or love it
Luca aus Rom und Gustav aus Tirol müssen ihre gemeinsame Wohnung räumen. Luca will in Rom bleiben während Gustav für Berlin plädiert. Sie geben sich ein halbes Zeit für die Entscheidung, ob sie Italien den Rücken kehren. Mit einem Fiat 500 machen sie sich auf eine Reise kreuz und quer durch ihr Heimatland und treffen auf Leute und Situationen, die sie für ihre Entscheidungsfindung ausfragen. Die Arbeiterin von Fiat in Turin, die entlassenen Werktätigen der Espressokocher-Fabrik Bialetti, afrikanische Orangenpflücker in Kalabrien, Berlusconi-Anhänger in Mailand. Das alles wird locker ohne verbissenen Ernst erzählt und als sie schließlich in der neuen Wohnung ihre Kartons auspacken und Gustav auf deutsch Freunde zum Essen einlädt, haben sie sich entschieden. Sehenswert.
 
Bacelor Mountain
Der 46jährige Junggeselle San Liangzi ist die Hauptperson des Filmes und lebt in einem Dorf im Nordosten Chinas. Zu Beginn des Filmes entfacht er in einem Erdloch im Wald Feuer, um den Boden aufzutauen. Die Erde wird auf den verschneiten Weg gestreut und bremst die Baumstämme, die die Pferde auf dem abschüssigen Gelände aus dem Wald ziehen. Mit Holzarbeiten und anderen Tätigkeiten im Dorf schlägt sich San Liangzi durch sein einfaches Leben. Er liebt die 29jährige Gasthausbesitzerin Wang Meizl, von der andere Männer sagen, sie sei lesbisch und seine Liebe habe keine Chance. Der Film zeigt einen intensiven Einblick in das Alltagsleben des ländlichen Chinas: Sehenswert.

Hiver Nomade – Winter Nomaden

Der 54jährige Pascale und die junge Carole ziehen mit 800 Schafen, drei Eseln und vier Hunden durch die eingeschneite französische Schweiz und jeder, der jemals vom romantischen Schäferleben träumte, sollte sich diesen Film unbedingt ansehen. In eindrucksvollen Bildern wird die Mühsal des archaischen Handwerks sichtbar. Von Zeit zu Zeit kommt der Züchter mit seinem Transporter und zieht Schafe aus der wandernden Herde ab, bis nach vier Monaten nur ein kleines Häuflein übrig bleibt: Allein von der Kameraarbeit her sehenswert.

Hotel Biss
Biss ist die Stadtzeitung Münchens, die ihren sozialschwachen Verkäufern ein würdiges Auskommen sichert. Die Initiatoren wollten das ehemalige Gefängnis am Neudeck in München in ein vier Sternehotel umwandeln, um darin Ausbildungsplätze für benachteiligte Jugendliche zu schaffen. Trotz breiter Unterstützung aus der Bevölkerung und Millionen Spenden für das Projekt lässt der CSU-dominierte Haushaltsausschuss des Landtags das Grundstück zum Verkauf ausschreiben und spricht es einer russisch-britischen Investorengruppe zu. Der Film dokumentiert den Kampf Hildegard Denningers und ihrer Mitstreiter – und letztlich das Scheitern eines großen Bürgerengagements. Ein Film, den der Autor dieser Zeilen als Kameramann realisierte — und natürlich auch sehenswert findet.

El Lugar mas Pequeno
70km nordöstlich von San Salvador liegt »The tiniest place« wie die Bewohner sagen, das Dorf Chinquera am Fuße der Berge mitten im Dschungel. Während des Bürgerkrieges 1980-1991 wurden viele Bewohner des Dorfes getötet und der Ort völlig zerstört. Im wieder aufgebauten Dorf erzählen die zurückgekehrten Bewohner von ihren Erlebnissen und von der Trauer über die Toten. Die Erzählungen erfolgen bis auf wenige Ausnahmen fast ausschließlich aus dem Off, während der Film die Menschen bei ihren alltäglichen Arbeiten und Tätigkeiten beobachtet: Sehenswert.

Life in Stills
Der Fotograf Rudi Weissenstein ist der Chronist der Stadt Tel Aviv und des israelischen Aufbaus von 1936 bis 1992. Während dieser Zeit entstand eine Sammlung von über einer Million Negativen, die von seiner Witwe Miriam Weissenstein und dem Enkel Barak Heymann in einem Laden in Tel Aviv verwaltet wird. Der Film zeigt die 96jährige Oma und ihren Enkel in einer innigen liebevollen Beziehung über eine längere Periode hinweg, während der Umzug des Ladens ansteht: Sehenswert.

Schnee
Der Film beobachtet in statischen Bildern zunächst vermeintlich zusammenhanglos verschiedene Orte des Wintersport und der dafür notwendigen Industrie. Durch die ruhigen Bilder entsteht ein größerer Zusammenhang zwischen Irrsinn und Schönheit und die Macher nerven nicht mit Kommentar oder Musik.

Big Boy Gone Bananas
Der schwedische Filmemacher Frederik Gertten drehte 2008 den Film »Bananas« über den Gerichtsfall »Tellez gegen Dole«. In dem Prozess verklagten Bananenpflücker aus Nicaragua den US-Konzern Dole wegen betrügerischen Verschweigens auf Schadenersatz, weil die Bananenpflücker jahrelang unwissentlich mit verbotenen Pestiziden arbeiten mussten. 2009 versucht Dole mit Drohungen und Desinformation die Aufführung des Filmes beim LA Filmfestival zu verhindern und überzieht die Macher mit einer Klage, die auf deren wirtschaftlichen Ruin abzielt. Die weltweite Aufmerksamkeit zwingt die Firma schließlich zum Einlenken und Gertten gewinnt vor einem amerikanischen Gericht, so dass Bananas auch in den USA gezeigt werden darf.

Überall wird die staatliche Unterdrückung der Meinungsfreiheit in China beklagt, während in der freien westlichen Welt ungeniert multinationale Konzerne in subtilerer Form die Rolle der Unterdrücker übernehmen: Sehenswert – für Journalisten ein Muss.

Ai Weiwei – Never Sorry
Portait-Film über den augenblicklich bekanntesten chinesischen Künstler Ai Weiwei. Die Filmemacherin hat Ai Weiwei während der letzten drei Jahre bei vielen Aktionen und seiner Ausstellungsarbeit begleitet und man bekommt einen Einblick in das umfangreiche Schaffen des Künstlers,  in einen Teil seines Privatlebens und in den chinesischen Staatsapparat, wie er versucht, den Künstler einzuschüchtern und seine Meinung zu unterdrücken.

Der Pfandleiher
Mit Beobachtungen in Pfandleihhäusern ganz unterschiedlicher Art ist dieser Film eine kommentarlose Beschreibung eines Berufes. In Mannheim ist es das Städtische Leihhaus, in dem eine Reihe von Schätzern die Pfandgegenstände bewerten. Manche Kunden kommen regelmäßig, um Gegenstände für eine kurze Zwischenfinanzierung zu beleihen. In München ist es ein privates Pfandleihhaus am Hauptbahnhof und in Dietenhofen hat sich der Pfandleiher auf Waffen spezialisiert, weil die ganze Familie aus begeisterten Sportschützen besteht. Der Film zeigt die Menschen diesseits und jenseits des Tresens und immer wieder die rauchende Mitarbeiterin. Am Schluss kommt es zur Auktion der nicht wieder eingelösten Pfandstücke.

Meine Freiheit, deine Freiheit
Kübra ist eine türkisch stämmige Schönheit, die wegen ihrer Aggressivität und Drogensucht immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt kommt und schon mehrere Haftstrafen verbüßt hat. Sie sitzt in Berlin Lichtenrade ein und die Filmemacherin begleitet sie und auch die Afrika stämmige Salema auf ihrem Weg in die Freiheit: Sehenswert.

Pumping Ercan
Man muss sinnlos hart arbeiten und dann kommt irgendwann der Sinn dazu, sagt der türkisch stämmige Ercan in seinem Münchner Bodybuilderstudio.  Er ist ein Steinmetz des eigenen Körpers und versucht mit seinen 40 Jahren, noch einmal bei der Seniorenweltmeisterschaft den Titel zu holen. Das ist harte Arbeit an den Kraftmaschinen und sehr viel dreht sich in diesem Film ums Essen. Im Unterschied zur Magersucht ist Bodybuilding kontrolliertes Essen zum Aufbau bestimmter Muskelpartien. Wenn man Ercan im Laufe des Films lieb gewonnen hat, fiebert und leidet man mit ihm auf dem Weg zum Titel: Sehenswert.

Ein Klempner für 1000 Seelen
Andrej ist Klempner in Moskau und für einen ganzen Häuserblock der Kommunalverwaltung zuständig. Von dem Gehalt allein kann er nicht leben und so bessert er den Verdienst mit Schwarzarbeit auf. Und weil das ganze System korrupt ist, haben die Chefs auch nichts dagegen. Andrej nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise durch Moskauer Mietwohnungen, durch Lebensschicksale der Mieter und steigt hinab in die Keller zu Ratten, Rohrbrüchen und kaukasischen Migranten; immer dabei seine Pistole, die er auch benutzen will, wenn es drauf an kommt. Dem Zuschauer gibt er eine Lebensweisheit mit: Man darf nicht 35 Jahre in die selbe Kloschüssel scheißen: Sehenswert.

Ramin
Der 75jährige Ramin Lomsadze ist ein Ex-Ringer-Champion in Georgien. Jetzt kämpft er in dem wortkargen Film gegen die Einsamkeit und begibt sich auf eine Zugreise, um eine alte Liebe zu suchen. Dazwischen erfahren wir in opulenten Bildern mehr über seinen einsamen Alltag mit einer jungen Katze im Dorf Kareli, eine Geburtstagsfeier, einen Ringer-Wettkampf von Kindern und einen Besuch am Grab der Mutter.

Yatasto
Der Film dreht sich um das Leben der drei Jungen Bebo, Pata und Ricardo, die aus einem Familienverband von Müllsammlern stammen und in der argentinischen Stadt Cordoba mit Pferd und Karre Verwertbares einsammeln. Immer wieder sitzen sie in unterschiedlicher Besetzung auf dem Karren und werden frontal von der Kamera erfasst, während sie in langen Einstellungen zwischen dem normalen Verkehr durch die Straßen fahren. Schon fast spielfilmartig sind die langen Dialoge, die sich um Gott und die Welt drehen, das Verhältnis zu den Eltern und die Träume für die Zukunft reflektieren. Der Film wird, auch wenn Eltern und andere Erwachsene auftauchen, ausschließlich aus der Perspektive der Kinder erzählt: Unbedingt sehenswert.

Vang Bong – Die Abwesenheit von Schatten
Der Junge Thanh wird 1967 im Vietnamkrieg bei einem Luftangriff verletzt und erblindet. Als für ihn und seine Familie die wirtschaftliche Situation unerträglich wird, geht er mit seiner Tochter betteln. Als Literaturliebhaber wird er mit seinen Erfahrungen ein Dichter und auch Lehrer für Blinde. Der Film erzählt in schwarz-weißen Bildern aus dem Alltag der Familie.

Revision
1992 werden an der deutschen Grenze zu Polen zwei Rumänen in einem Feld erschossen. Der Filmemacher rollt diesen Vorfall wieder auf, besucht die Familien der Opfer und geht den Fakten auf den Grund. Schlampige Ermittlungen führen nach einem längeren Verfahren zum Freispruch der Täter, die sich auf einen Jagdunfall berufen. Einer der wenigen Filme mit viel Kommentar.

Vol Special
Beobachtungen in einem Schweizer Abschiebeknast.

Women with Cows
Inger und Britt sind Schwestern und leben in Schweden auf dem Land. Britt, 80 Jahre alt, lebt mit 12 Kühen auf dem ererbten elterlichen Hof. Inger ist schon in jungen Jahren ins Dorf gezogen, kann Kühe nicht ausstehen, hilft aber der Schwester fast täglich bei den Hofarbeiten. Britt geht schon so gebeugt, dass sie die Welt nur mehr von unten sieht und manchmal schläft sie einfach bei der Arbeit ein. Weil sich die Gemeinschaft Sorgen macht, greift sie ein, nicht unbedingt zum Besten. Für seine Arbeit konnte der Filmemacher auf einen Fundus von Amateur-Filmaufnahmen aus den 70er Jahren zurückgreifen: Unbedingt sehenswert.

Schlussbemerkung

Und zum Abschluss noch einige Tendenzen, die die diesjährigen Filme des Dokumentarfilmfestivals erkennen lassen: Sehr oft treten die Filmemacher im eigenen Film in Erscheinung: Flat, 6 Million and 1, Speed, This is not a Film, Italy leave it or love it, Big Boy gone Bananas.

Es gibt auffallend viel Schnee: Bacelor Mountain, Hiver Nomade, Schnee.

Israel ist ein stark vertretenes Thema: The Flat, Live in Stills, 6 Million and One.

Viele Filme sind Portraits einzelner Personen: Moving up, Klempner für 1000 Seelen, Lawinen der Erinnerung, Vang Bong, Pumping Ercan, Ramin, Ai Weiwei, Bacelor Mountain, In Film Nist.