Kommentar, Top-Story: 01.06.2001

Die Format-Lage

Immer wieder konnte man in der Vorberichterstattung zur NAB2001 lesen, die Format-Fragen im Videobereich seien klar und entschieden. Wer das behauptet, der verschließt aus Absicht oder Unwissenheit die Augen vor der Realität. Denn bei näherer Betrachtung ist derzeit eigentlich nur eines sicher: Die Zeiten, in denen es nur ein Videoformat gab, das mit weitem Abstand die professionelle Videowelt beherrschte, sind vorbei.

Ein Blick auf den Status Quo:

Sony, in früheren Zeiten mit Betacam weltweit absolut marktbeherrschend, hat mittlerweile mehr verschiedene Formate im eigenen Profi-Programm, als es früher insgesamt gab: Da wäre DVCAM, mit rund 200.000 ausgelieferten DVCAM-Einheiten weltweit gut etabliert. Dann Betacam SX, in Deutschland zwar kaum vertreten, gibt es weltweit betrachtet aber durchaus respektable Installationszahlen. Nicht zu vergessen Digital Betacam, nach wie vor in vielen Fällen das Produktionsformat der Wahl und von Sony ganz gezielt als Wegbereiter für das jüngste Format MPEG-IMX eingesetzt. Außerdem noch im Programm bei Sony: HDCAM, ein digitales HDTV-Format, das mit Kompression arbeitet. Macht zusammen fünf digitale Videoformate mit drei unterschiedlichen Kompressionsverfahren.

Panasonic setzt mit DVCPRO, DVCPRO50 und DVCPROHD zwar auf den Formatfamilien-Gedanken mit durchgehender Kompression, aber mit D5-HD hat das Unternehmen ebenfalls ein ganz anderes Kassetten-Format und ein abweichendes Kompressionsverfahren im aktuellen Angebot. Eine vorsichtige Öffnung hin zu DV, die über die bisher schon verfügbare Abspielkompatibilität hinausgeht, soll Waffengleichheit im unteren Profi-Produktbereich zu Sonys DVCAM herstellen: das jüngste Recordermodell kann nicht nur in DVCPRO, sondern auch in DV aufnehmen und es gibt neben den DVCPRO- nun auch DV-Profi-Camcorder. Damit hat auch Panasonic ein ganzes Bouquet von Formaten im aktuellen Angebot, die auch alle im Markt eingesetzt werden.

Und was ist mit JVC? Auch hier darf man sich nicht vom europäischen Markt täuschen lassen, in dem das JVC-Format D9 keine spektakulären Verkaufserfolge, wie etwa Sender-Entscheidungen für sich verbuchen kann. Dennoch hat D9 seinen Platz auch im europäischen Markt. Und mit DV-Camcordern für den Profi-Markt war JVC Vorreiter und damit in einer guten Position, die das Unternehmen auch zu nutzen verstand. Es gibt eben auch einen Markt jenseits der großen Broadcaster, den man nicht vergessen darf.

Wer derzeit im Formatbereich also ein totes Rennen prognostiziert und frühzeitig eindeutige Gewinner- und Verlierer-Positionen zuweisen will, der ist gründlich schief gewickelt. Der Markt ist einfach komplexer und unterschiedlicher strukturiert, als manch einer wahrhaben will. Sie werden sehen.

Autor
C. Gebhard, G. Voigt-Müller
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