Branche: 12.12.2008

Neue Studios und HD-Ü-Wagen in Berlin: Studio Hamburg und andere bauen weiter

Berlin bleibt ein Eckpfeiler für Studio Hamburg. Elf Millionen Euro sollen 2009 investiert werden — im wesentlichen in ein neues Studio und den Ausbau der Ü-Wagen-Flotte. Firmenchef Dr. Martin Willich erläutert die Hintergründe und äußert sich zur Studio- und Marktsituation in Berlin. Während der Konkurrent Berliner Union-Film seine Studiobaupläne gekippt hat, entstand auf dem Gelände des Filmparks Babelsberg eine TV-taugliche Event-Halle.

»Wir sind der einzige Atelierbetrieb in Deutschland, der seit fünf Jahren konstant schwarze Zahlen schreibt«, erläuterte Dr. Martin Willich, Vorsitzender der Geschäftsführung von Studio Hamburg, vor Journalisten in Berlin. Aus dieser Position heraus will Studio Hamburg weiter in der Hauptstadt investieren. Einer der Schwerpunkte des für 2009 geplanten Investment-Volumens von elf Millionen Euro ist das Großstudio H in Adlershof. Die seit 1994 von Studio Hamburg in der Region Berlin getätigten Investitionen wachsen damit auf ein Gesamtvolumen von 141 Millionen Euro an. Das neue Studio soll als Pendant zum Studio L den Ausbau der Atelierkapazitäten aber vorerst abschließen — weil sonst die Gefahr von Überkapazitäten drohe, so Dr. Willich.

Abbau im Westen

In der Entscheidung für die Investitionen sieht sich Dr. Willich durch eine bei McKinsey eingeholte Studie zur Ateliersituation bestätigt. Im Standort-Wettbewerb habe Berlin noch einigen Nachholbedarf bei der Nutzung von Studiokapazitäten, ermittelte die Studie. So entstehen in Köln jährlich 24.000 Sendeminuten Comedy, in Berlin nur 3.000 Minuten. Das Verhältnis bei den Game-Shows liege gar bei 13.000 zu Null. Der Rückstand der Hauptstadt gegenüber Köln beträgt bei Talks 18.000 gegenüber 29.000 Minuten und bei Shows und Musikshows 5.000 gegenüber 16.000 Minuten.

Berlin müsse mit seinen Pfunden wuchern, so Dr. Willich. Dazu gehören aus seiner Sicht auch die hohen künstlerischen Potenziale — unter anderem durch viele bedeutende Darsteller, aber auch durch kostengünstig buchbare hochtalentierte Jungschauspieler.

Köln habe inzwischen — infolge der öffentlichen Förderung — »mehr Studios als der gesamte Rest der Republik«, wodurch »es dort einen Dumping-Wettbewerb gibt«. Als eine der Folgen macht die Studie einen Kapazitätsabbau in den alten Bundesländern um sieben Prozent auf 84.000 Quadratmeter aus.

Ausbau im Osten

Währenddessen seien im Osten die nach der Wiedervereinigung bestehenden Defizite ausgeglichen worden. »Getrieben von Studio Hamburg«, weil das Unternehmen in Adlershof und in das Babelsberger Fernsehzentrum investierte, wurden die Studioflächen im Osten um 6.000 auf 27.000 Quadratmeter ausgebaut. Eine weitere siebenprozentige Flächensteigerung bringt das neu erbaute Adlershofer Studio H. Ab Februar habe Berlin »die beste Studio-Infrastruktur in Deutschland«, so Dr. Willich. Dies zusammen mit rund zehn Prozent niedrigeren Lohnkosten ließen eine Umschichtung von Produktionen nach Berlin denkbar erscheinen, so die Studie.

Mit dem Studioneubau werde allerdings »ein Sättigungsgrad« erreicht. Einem verschiedentlich in Medienkreisen diskutierten Engagement beim Ausbau des Tempelhofer Flughafens erteilt Dr. Willich daher eine deutliche Absage: »Wir haben keine Idee für Tempelhof. Es gibt keine dauerhaft funktionierenden Studios in Hangars«, beurteilte er Interessenbekundungen von Studio Babelsberg für einen »Filmhafen Tempelhof«.

Unterschiedliche Strategien am Standort

Das Thema »Sättigung« wird bei den Wettbewerbern in der Hauptstadtregion offenbar höchst unterschiedlich beurteilt. Der Berliner Union-Film, die sich im Besitz einer Immobiliengruppe befindet, bescheinigte noch 2006 per »Bedarfsanalyse« durchaus Perspektiven für ein zusätzliches Großstudio. Dennoch wurde der angekündigte Neubau eines 2.000 Quadratmeter-Studios für Shows und Fiction-Produktionen sehr schnell zu den Akten gelegt.

In Babelsberg hingegen wird geklotzt — aber weniger durch Studio Babelsberg, das seinen vom Deutschen Filmförderfonds getriebenen Zusatzbedarf an kinogeeigneten Hallen durch die Anmietung einer nahegelegenen ehemaligen Lokfabrik befriedigte. Vielmehr wurde der Betreiber des Filmparks Babelsberg aktiv und weihte im Oktober 2008 gleich neben dem Studiogelände eine 3.038 Quadratmeter große, teilbare Mehrzweckhalle für maximal 5.000 Zuschauer ein — de facto eine fernsehtaugliche Event-Halle. Geschäftsführer Friedhelm Schatz sieht den Return des mit 2,1 Millionen Euro öffentlich geförderten 10-Millionen-Euro-Investments nicht nur im Füllen der Kapazitätslücken der Potsdamer Messegesellschaft oder in Firmen-Events und Konzerten. Die neue »Metropolis-Halle« soll auch das Live-Fernsehen in die Medienstadt holen. Bereits gebucht seien Stefan Raabs »Bundesvision Song Contest«. Und über »Wetten, dass?« stehe man mit dem ZDF in Verhandlung, so Schatz bei der Einweihung.

HD und Fußball

Weiteres Investitionsgebiet für die Berliner Dependance von Studio Hamburg ist die HD-Produktionstechnik. Nach den bekannten Einsatzerfolgen des deutschlandweit ersten 24-Kamera-HD-Ü-Wagens Ü6, unter anderem beim internationalen Fußball (WM 2006, EM 2008) oder kürzlich beim Auftritt des Comedian Mario Barth im Berliner Olympiastadion, setzt Studio Hamburg in der mobilen Produktionstechnik weiter auf HD: Der während der Fußball-EM in Österreich als Slomo-Wagen eingesetzte Ü1 wird mit HD-Kameras ausgerüstet. Der Ü1 steht jedoch auch weiterhin als Ergänzungseinheit zur Verfügung — etwa als Schnittmobil. Der Ü4 ist für HD vorbereitet, arbeitet derzeit aber noch mit SD-Kameras. Zudem ist Studio Hamburg an Media Mobil mit Sitz in Halle mit 49 Prozent beteiligt. Deren neuer Ü8 mit 24 HD-Kameras wird während der Berlinale seinen Ersteinsatz haben.

Ein Produktions-Highlight für die mobilen Einheiten von Studio Hamburg soll die Fußball-WM 2010 in Südafrika werden. Studio Hamburg hat der Fifa für das Host-Broadcasting ein Konzept angeboten, das stationäre Container-Regien an zwei Spielorten vorsieht. »Das sind Ü-Wagen ohne Räder«, so Christoph von Borries, Chef der Berliner Holding Studio Hamburg Berlin Brandenburg GmbH. Die HD-Kameras bekommen Flügel — sie sollen abwechselnd an beiden Standorten verwendet werden. Nach dem Finale sollen sie dann die Ausstattung des Ü5 ergänzen und damit der Umbau der Ü-Wagenflotte auf HD abgeschlossen sein.

Den Markt dafür sieht von Borries nicht nur bei Groß-Events, wo »wir große Einheiten brauchen« — wie die 24-Kamera-Ü-Wagen á la Ü6. Für kleinere Live-Produktionen bringt von Borries den Ü1 ins Gespräch. HD als Produktionsformat sei von 25 Prozent Anteil am Produktionsvolumen im Vorjahr auf 80 Prozent in diesem Jahr gestiegen, so von Borries. Auch weil die Produktionsfahrzeuge vielfach anstelle einer fest installierten Studioregie eingesetzt würden, sei »die große Zeit der Ü-Wagen nicht vorbei«, ergänzt Dr. Willich.

Service und Produktion sollen der Krise trotzen

Gefasst sieht man bei Studio Hamburg den Folgen der Wirtschaftskrise entgegen. Dr. Willich erwartet für 2009 einen Umsatzrückgang um 15 bis 16 Millionen Euro von derzeit 300 Millionen Euro für die Firmengruppe. Der krisenbedingte Ausfall an TV-Werbegeldern könnte Schätzungen zufolge in Deutschland 2009 bis zu 200 Millionen Euro betragen. Für ARD und ZDF käme der erwartete Anstieg der Arbeitslosenzahlen um bis zu eine Million und die damit verbundenen Einnahmeausfälle durch Gebührenbefreiungen hinzu. Ermutigend sei jedoch, dass es über die Absage von lediglich zwei Produktionen hinaus bisher »keine Signale für einen Rückgang« der TV-Auftragsproduktionen gebe.

Auch vom Weggang von Sat.1 aus der Hauptstadt sieht sich Studio Hamburg nur bedingt betroffen, da für Sat.1-Produktionen zumeist mit Partnern wie UFA oder Constantin für den Sender zusammen gearbeitet wird. Berlin sei weiterhin »der wichtigste kulturelle Standort für Film und Fernsehen«.

Mit zunehmenden Schwierigkeiten der öffentlichen Haushalte sieht Dr. Willich allerdings auch die Kultur- und Filmförderungen »auf dem Prüfstand«. Dennoch und trotz der »einvernehmlichen Trennung« vom Chef der Produktionstochter Sytze van der Laan will Studio Hamburg auch in Zukunft in Kinofilme investieren. Ein »Ausstieg aus dem Kino ist Unfug«, so Willich, Kino sei »das Sahnehäubchen und Fernsehen das Schwarzbrot«. Man werde aber vorsichtiger mit fondsfinanzierten internationalen Projekten sein und stärker auf konventionell finanzierte deutsche Filme setzen.