Editorial, Kommentar, Top-Story: 20.01.2009

Die neuen Werkzeuge sind da

Als die ersten PC-basierten Schnittsysteme und einige Jahre später die ersten DV-Camcorder ihre Plätze in der Produktionswelt eroberten, war viel von »Demokratisierung« die Rede: das Filmemachen, die Medien, die Meinungsbildung — vieles wurde durch diese Technologien angeblich demokratischer. Das Gleiche wurde immer wieder auch über das Internet gesagt. Folgt man dieser Logik, dann müssten ja Internet-Videos Ausdruck eines Höchstmaßes an Demokratisierung sein. Leider stellt sich das in der Praxis dann doch etwas anders dar …

Auch heute nutzt der eine oder andere Hersteller gerne noch die Demokratisierungsfloskel, wenn er verdeutlichen will, wie einfach und preiswert es geworden sei, heute professionell zu produzieren. So konnte man mehr als einmal hören, die Digitalkamera Red One habe das Filmemachen demokratisiert und nun wird auch über die HD-Fähigkeiten neuer Spiegelreflexkameras das Gleiche gesagt.

Mehr Megapixel für die Massen: Macht das die Filmproduktion demokratischer? Wird da nicht einfach »billiger« mit »demokratischer« gleichgesetzt? Und ist es am Ende überhaupt billiger?

Es wird zwar zweifellos mehr und in immer höherer Auflösung produziert. Wenn durchdachte Workflows zum Einsatz kommen, auch effizienter und billiger. Aber all zu oft wird das, was am einen Ende gespart wird, am anderen Ende verpulvert. Das passiert teilweise schon innerhalb des gleichen Arbeitsschritts: Da wird beispielsweise mit einem kleinen, billigen HDV-Camcorder gedreht, doch die restliche Equipment-Liste enthält Unmassen sehr viel teureren Filmgeräts, vom 35-mm-Filmlook-Adapter über teure Objektive und zusätzliches Licht bis hin zu ausuferndem Ton-Equipment, Kränen, Schienen und Set-Displays. Da fallen schon die Fahrzeugmietkosten, um das ganze Geraffel zu transportieren, höher aus als die zusätzliche Tagesmiete für eine »richtige« Kamera. Ob jemand, der die F23 mit einem 35-mm-Filmlook-Adapter einsetzt, dabei irgend etwas spart ist ebenfalls fraglich. Manchmal werden die Kosten auch nur verlagert: Wenn für das Umkopieren und Umkodieren der Originalaufnahmen für die Postproduktion ein enormer Zeitaufwand entsteht und dabei womöglich auch noch teures Equipment angemietet werden muss, dann braucht man meist gar keinen besonders spitzen Bleistift, um die Widersinnigkeit aufzeigen zu können. Was gewinnt man, wenn das billig aufgezeichnete Originalmaterial zwischendurch auf HDCAM überspielt und aufwändig korrigiert werden muss, weil es sonst schlicht unbrauchbar ist? Erfahrung?

Was läuft da ab? Da erhoffen sich plötzlich Menschen, die es eigentlich besser wissen sollten, mit einer Spiegelreflexkamera für 3.000 Euro Filme in einer Qualität drehen zu können, die 35-mm-Film erreicht. Kann das funktionieren? Selbst wenn die Bilder oft erstaunlich gut aussehen, lohnt sich stets ein Blick auf den Prozess, der zu diesen Bildern geführt hat. Hier wird oft ein immenser Aufwand getrieben, um schließlich mit vielen Einschränkungen und Kompromissen zu einem Ergebnis zu gelangen. Ergibt das viel Sinn: Wochenlange Selbstausbeutung, um schließlich mit einer billigen Kamera Bilder zu erreichen, die fast so gut aussehen, wie die, die mit einer etwas teureren Kamera schon seit langem und sehr viel einfacher erreichbar wären?

Hersteller wie Canon und Nikon haben nun eine weitere Büchse der Pandora geöffnet, und schon jetzt beschäftigen sich ganze Heerscharen von Technikfreaks damit, Mittel und Wege zu finden, um ihr mit dem Spiegelreflexfotoapparat gedrehtes HD-Videomaterial überhaupt erst mal schneiden zu können.

Vielleicht ist es ja ein Segen, wenn die Kamera selbst und die verwendete Technik letztlich immer unwichtiger werden und man die Demokratisierung durch die Technik unter diesem Aspekt sieht. Trotzdem wird es ein großer Aufwand bleiben, einen guten Film zu produzieren. Die Produktionswelt bietet heute zwar viele neue und interessante Möglichkeiten, aber das wichtigste Werkzeug des Filmemachers sollte eben doch das Gehirn bleiben.

Sie werden sehen.