Editorial, Kommentar, Top-Story: 09.12.2015

»Deutschland ’83«: Am falschen Ort?

»Deutschland ’83« ist eine Fernsehserie, die vor dem Hintergrund des kalten Kriegs und des gesellschaftlichen Umfelds der 80er-Jahre in Deutschland handelt. Erzählt wird die Geschichte eines DDR-Grenzsoldaten, der als Spion in die Bundeswehr eingeschleust wird, um Nato-Geheimnisse auszukundschaften. Dabei wird im Hintergrund einer spannend erzählten Spionagestory offenbar, wie sich die Ost-West-Spannungen auf das gesellschaftliche Klima insgesamt und auf die Biografien der einzelnen Protagonisten auswirken. Die Grundidee der Serie basiert teilweise auf realen Ereignissen um einen DDR-Topspion mit dem Decknamen Topas.

Bei ihrer Premiere während der Berlinale 2015 erntete die Serie viel Lob und Anerkennung, auch von der internationalen Kritik. Ein US-Kabelsender erwarb die Senderechte der Serie für die USA — diese Hürde nehmen nur die wenigsten nicht-amerikanischen Serien.

Entsprechend hoch war die Erwartungshaltung, als die von UFA Fiction produzierte Serie Ende November 2015 in Deutschland startete – und zwar bei RTL. Um es kurz zu machen: Die Serie konnte die hohen Quotenerwartungen bei weitem nicht erfüllen, der Serienstart fiel für den Sender recht ernüchternd aus.

Natürlich fragt man sich nun in der Branche, warum das so ist: Wieso geht eine hochwertig produzierte TV-Serie unter, die gerade für deutsche Zuschauer viele Anknüpfungspunkte bietet — während weniger ambitionierte, einfacher gestrickte Serien immer noch viele Zuschauer ziehen?

Die Produzenten der Serie entschieden sich angesichts des schwachen Starts dazu, via Facebook Zuschauer zu befragen, warum die Serie in puncto Quote so floppt. Einen sehr großen Teil der Reaktionen kann man so zusammenfassen: »Tolle Serie, aber beim falschen Sender und auf dem falschen Sendeplatz.« Außerdem wird Unzufriedenheit mit den Online-Angeboten geäußert, über die man die Serie ja auch sehen könnte.

Tatsächlich ist es so, dass RTL »Deutschland ’83« auf einem Sendeplatz präsentiert, auf dem bisher »Cobra 11« lief. Das ist vielleicht ein Fehler, da sich die neue Serie doch sehr stark von der hier angestammten unterscheidet. Vielleicht waren auch die Marketingmaßnahmen für die Serie falsch gewählt? Böse Zungen spitzen die Diskussion mit der Behauptung noch weiter zu, dass ohnehin niemand bei RTL eine Produktion wie »Deutschland ’83« erwarte.

Für solche Diskussionen ist film-tv-video.de die falsche Plattform. Aber denkt man einmal um die Kurve, dann eröffnen sich ganz andere Fragen. So etwa: Seit ein paar Jahren wird uns erzählt, dass der lineare TV-Konsum, das Einschalten zu einer bestimmten Sendezeit, dramatisch auf dem Rückzug sei. Wenn das stimmt und somit ohnehin ein großer Teil der Zuschauer nur noch per Streaming, Mediathek oder Festplattenmitschnitt TV-Inhalte konsumiert, dürfte es doch eigentlich gar keine Rolle mehr spielen, wann eine Sendung läuft. Bei »Deutschland ’83« soll es nun aber aus Sicht der Experten plötzlich doch wieder entscheidend sein, wann die Sendung läuft? Vielleicht unter dem Aspekt, dass man eine erfolgreiche TV-Erstausstrahlung braucht, um das Produkt populär zu machen, so dass es dann auch auf anderen Verbreitungswegen nachgefragt wird?

»Deutschland ’83« ist natürlich auch per Streaming oder Download, etwa bei Amazon Prime und iTunes verfügbar, DVDs und BDs gibt es ebenfalls. Am Ende wird es interessant sein, zu sehen, ob es die Serie über diese Verwertungskanäle doch noch schaffen wird, die offenbar missratene TV-Erstausstrahlung zu kompensieren.

Wir ziehen jedenfalls folgenden Schluss: Es ist offensichtlich immer noch entscheidend, in welchem Umfeld Inhalte präsentiert werden – und welches Image die Plattform hat, auf der sie laufen. Parallelen zur Online-Welt erkennen wir dabei natürlich auch.

Sie werden sehen.