Broadcast, Interview, Newsroom, Technology, Top-Story: 31.08.2017

Content und Format: Modern Times beim BR

Mit Christian Daubner, Leitung Informationsstrategie beim Bayerischen Rundfunk (BR), sprach film-tv-video.de darüber, welche Strategie der viertgrößte Sender innerhalb der ARD im Bereich Information verfolgt.






Welche Kanäle?

In den vergangenen Jahren hat sich die Anzahl der Kommunikationskanäle, die ein Sender bestücken muss, vervielfacht. Weitere Verbreitungswege werden in den nächsten Jahren sicher noch folgen, auch wenn noch nicht klar absehbar ist, in welcher Richtung es weitergeht.

»Dieses Problem versuchen wir zu lösen, indem wir mit unseren Informationen dort vertreten sein wollen, wo sich die Menschen eine politische Meinung bilden«, erklärt Daubner die Strategie, die die Informationsdirektion des Senders verfolgt, um den im Rundfunkgesetz festgelegten Auftrag zu erfüllen.

Wenn das vielleicht einmal bei Snapchat der Fall sein sollte, müsse man eben auch für diesen Kanal eine geeignete Form finden, um seriöse Inhalte darüber zu vermitteln.

Christian Daubner, Leitung Informationsstrategie / Informationsdirektion, BR, Porträt
»Unser Auftrag ist es, allen gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen ein geeignetes Angebot zu machen.«

»Nicht jeder hat zudem den permanenten Wunsch, sich ein umfassendes Informationsbild zu verschaffen. Der Mensch möchte auch unterhalten werden, und wir müssen auch dieses Bedürfnis in einer angemessenen Form befriedigen«, erläutert Daubner diesen Ansatz. »Unser Auftrag ist es, allen gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen ein geeignetes Angebot zu machen.«

Zudem, so Daubner, finde man über Plattformen wie Facebook oder Snapchat auch Zugang zu Zielgruppen, die man sonst als öffentlich-rechtlicher Anbieter kaum mehr erreichen könne. »Gleichgültig, wo und in welcher Ausprägung wir unseren Journalismus anbieten, müssen wir das aber mit den gleichen Standards und der gleichen Expertise tun«, sagt Daubner. Er ergänzt: »Wir wollen die gesamte Gesellschaft erreichen, und wir glauben auch, dass unsere Zielgruppen sich innerhalb unserer Angebote bewegen. Deshalb wollen wir Marken hinterlegen, ganz nach der Devise „Gleichgültig, in welchem Medium du dich bewegst, liefern wir verlässliche Infos“.«

Dann wird Daubner auch ein bisschen philosophisch: »Der Mensch ist, wie er ist. Und daran muss man sich als Informationsanbieter anpassen. Wir müssen, wie gesagt, aber dabei letztlich den gleichen hohen Standard in puncto Verlässlichkeit und Genauigkeit halten, jedoch die Inhalte in ganz verschiedenen Formen und auf allen Zugangswegen anbieten.«

Funk, Logo
Könnte das Jugendangebot Funk ein Modell für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt sein?
Zukunftsmodell Content-Netzwerk?

ARD und ZDF etablierten im vergangenen Jahr mit Funk ein gemeinsames Angebot, das 14- bis 29-Jährige ansprechen soll. Funk ist aber kein Sender oder Programm im früheren, klassischen Sinn, sondern eine Plattform für unterschiedlichste Formate. Die Inhalte werden von diversen Rundfunkanstalten produziert und zugeliefert, aber auch von Partnern aus der Web-Videobranche. Taugt ein solches Content-Netzwerk als Modell für den gesamten öffentlich-rechtlichen Medienbereich oder ganz allgemein gesprochen für den TV-Sender der Zukunft?

Christian Daubner hält den Ansatz von Funk für interessant und stuft ihn als sehr erfolgreich in der Zielgruppe ein. Er glaubt aber, dass sich dieses Modell nicht 1:1 auf einen Sender wie den BR übertragen lasse. »Ich denke, man muss vom Nutzer, Hörer und Zuschauer ausgehen und die Frage stellen, welche Bedürfnisse er hat und wie wir sie befriedigen können.« Noch sei ja auch das lineare Fernsehen sehr stark und erfolgreich. »Hier müssen wir Transformationen und Übergänge finden und sicher auch eine Parallelität aufrecht erhalten.«

Christian Daubner, Leitung Informationsstrategie / Informationsdirektion, BR, Porträt
»Wer mit linearem Fernsehen aufgewachsen ist, wird davon in aller Regel auch nicht ganz abrücken, wenn er älter wird.«
Was kommt?

Daubner prognostiziert, dass lineares Fernsehen auch in Zukunft noch sehr erfolgreich bleiben wird. »Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wer mit linearem Fernsehen aufgewachsen ist, wird davon in aller Regel auch nicht ganz abrücken, wenn er älter wird«, glaubt Daubner. Die entscheidende Frage für ihn ist die, was nachkommt – und das hängt aus seiner Sicht unter anderem auch von Fragen und Aspekten ab, auf die der BR keinen Einfluss hat und deren Entwicklung nicht wirklich absehbar ist.

Google Home
Systeme wie Google Home bringen eine neue Form der Mediennutzung mit sich.

»Ohne eine flächendeckende Breitbandversorgung etwa, sind viele Ideen von vornherein obsolet. Die flächendeckende Breitbandversorgung gibt es aber derzeit in Deutschland noch nicht — und wir wissen letztlich auch nicht sicher, wann das der Fall sein wird. Davon profitiert aber das lineare Fernsehen, das als technisch verlässliches Medium praktisch überall in Deutschland zur Verfügung steht.«

Amazon Echo
Alexa wohnt im Echo von Amazon — der BR zukünftig auch?

Sobald aber Breitbandversorgung, 5G-Technik und neue Endgeräte verfügbar sind und akzeptiert werden, kann sich das Bild aus Daubners Sicht ebenfalls rasch und dynamisch verändern: »Assistenzsysteme wie Amazons Echo oder Google Home können möglicherweise Teile der klassischen Mediennutzung verändern – und sie werden bald auch Bildschirme bieten. Wir müssen natürlich genau beobachten, wie sich dieser Markt weiterentwickelt. Denn letztlich stellt sich ja irgendwann auch die Frage, wer die Inhalte für solche Systeme liefern kann und wird. Sind wir als BR auf diesen Systemen präsent?«

»Natürlich müssen wir auch am Ball bleiben, was neue Technologien betrifft, etwa 360-Grad-Videos, Augmented Reality und weiteres. Dafür haben wir im Informationsbereich eine Kreativinsel etabliert, die als Ideenwerkstatt kreative Formate entwickelt.«

Seite 1: Einleitung, Lage
Seite 2: Content und Format, Laufender Prozess
Seite 3: Schemareform, Umstrukturierung, Regionalfokus, Arbeitsmodelle
Seite 4: Technik, Korrespondentennetz
Seite 5: Kanäle, Content-Netzwerk, Was kommt?
Seite 6: Biografie Daubner

Autor
Christine Gebhard, Gerd Voigt-Müller

Bildrechte
Nonkonform (8), BR, BR/Natasha Heuse (1), BR/Annette Goossens (1)

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