Branche: 21.12.2018

Neue Richtlinien für die Sozialversicherung bei Film- und Fernsehprojekten

Für Schauspielerinnen und Schauspieler gelten bei Dreharbeiten ab 2019 neue Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung. Demnach wird die Ermittlung der korrekten Versicherungszeiträume für die einzelnen Sozialversicherungszweige komplizierter und kann zu deutlich höheren Beitragszahlungen für Filmproduzenten und Versicherte führen, erläutert der Bundesverband Schauspiel.

Die jetzt veröffentlichten Richtlinien wurden aufgrund von zwei Bundessozialgerichtsurteilen bereits am 21. November 2018 in Berlin von der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Agentur für Arbeit und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen festgelegt.

Bisherige Regelungen

Schauspielengagements bei Dreharbeiten sind immer kurz befristete Beschäftigungen meist mit mehreren Vertragszeiträumen. Bisher gingen die Sozialgerichte und die Sozialversicherungsträger davon aus, dass wie bei allen anderen Angestellten auch bei Schauspielerinnen und Schauspielern in Film- und Fernsehprojekten sich die Beitragsbemessungsgrenzen genau nach der Gesamtzahl der Beschäftigungstage zu richten haben – und zwar für alle Versicherungszweige.

Neue Richtlinien bedeuten höhere Sozialabgaben

Jetzt schreiben die Sozialversicherungsträger vor, dass künftig jeder Vertragszeitraum eines Drehprojekts isoliert betrachtet und abgerechnet werden muss. Es gilt: Dauert einer der Vertragszeiträume mindestens eine Arbeitswoche oder länger, bleibt es bei der bisherigen Praxis. In alle Versicherungsbeiträge fließen Beiträge, die dem Vertragszeitraum entsprechen. Ist der Vertragszeitraum jedoch kürzer, greifen die Regeln für unständig Beschäftigte. Danach gilt für die Rentenversicherung ungeachtet der wenigen Beschäftigungstage die Beitragsbemessungsgrenze der ganzen betreffenden Kalendermonate. Die Folge sind wesentlich erhöhte Sozialabgaben, da allein für die ausgedehnte Rentenversicherung der Beitragssatz derzeit 18,6 Prozent beträgt.

Heinrich Schafmeister, Vorstandsmitglied des Bundesverband Schauspiel (BFFS).

»Höhere Rentenbeiträge sind zwar gut fürs Alter, aber durch die neuen Abrechnungsvorschriften bei Dreharbeiten werden wir wegen der enormen Sozial- und Steuerabzüge unterm Strich netto kaum noch etwas rausbekommen und können trotzdem so gut wie keine Anwartschaftszeit für unseren Arbeitslosengeld-1-Anspruch sammeln«, meint Heinrich Schafmeister, Vorstandsmitglied des Bundesverband Schauspiel (BFFS).

Produzenten haften als Arbeitgeber für Fehler bei Versicherungspflicht

Ist im Fall eines unständigen Vertragszeitraums der Schwerpunkt des Erwerbslebens ebenfalls unständig, muss auch für die Kranken- und Pflegeversicherung die Beitragsbemessungsgrenze der ganzen Kalendermonate angewandt werden. Dafür entfallen zwar die relativ geringen Beiträge für die Arbeitslosenversicherung, aber es wird auch keine Anwartschaftszeit für den Arbeitslosengeld-1-Anspruch erworben. Besteht der Erwerbsschwerpunkt nicht aus unständigen Beschäftigungen, richten sich die Beiträge der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung nach der Anzahl der wenigen Beschäftigungstage während des unständigen Vertragszeitraums.

Unterlaufen den Produzenten bei dieser differenzierten Einordnung der Versicherungspflicht Fehler, müssen sie als Arbeitgeber für ihre und für die Beiträge der Versicherten haften.

Herbe finanzielle Verluste für alle Beitragszahler bei Mehrfachbeschäftigungen

Da bei unständiger Beschäftigung ganze Kalendermonate versichert werden müssen, können mehrere unständige Beschäftigungen zu Beitragszahlungen führen, die weit höher sind, als es die Beitragsbemessungsgrenzen erlauben. Für die Rückerstattung dieser überzahlten Beiträge sind die gesetzlichen Krankenkassen verantwortlich, die allerdings erfahrungsgemäß selten von sich aus tätig werden. Auch hier erleiden die Betroffenen herbe finanzielle Verluste, wenn sie die Krankenkassen nicht zur Rückerstattung auffordern.

Chaos ist vorprogrammiert

Zudem sind bisher weder die Abrechnungssysteme der Produzenten noch die der gesetzlichen Krankenkassen hinreichend auf die rechtliche Differenzierung bei unständigen Beschäftigungen programmiert.

»Vorprogrammiert ist nur das Chaos«, prophezeit Schafmeister: »Über die Jahrzehnte hat sich in den Köpfen der Produzenten festgesetzt: „Geringe Vertragszeiten bedeuten geringe Sozialabgaben“.« Doch das Gegenteil sei der Fall.

Über den Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS):

BFFS steht für Bühne, Film, Fernsehen, Sprache. Gegründet 2006 ist der BFFS als Verband und Gewerkschaft mit seinen über 3.300 Schauspielerinnen und Schauspielern inzwischen die größte nationale Schauspielerorganisation und die mitgliederstärkste Berufsvertretung der deutschen Film-, Fernseh- und Theaterlandschaft.

Der BFFS vertritt die berufsständischen sowie die gewerkschaftlichen Interessen der Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland. Er will die kulturellen, gesellschaftlichen, politischen, rechtlichen, tariflichen und sozialen Rahmenbedingungen verbessern bzw. schaffen, die sowohl den einzigartigen Schauspielberuf schützen, bewahren und fördern als auch die besondere Lebens- und Erwerbsituation der Künstlerinnen und Künstler berücksichtigen, die diesen Schauspielberuf ausüben.