360-Grad-VR, Branche, Veranstaltung: 20.02.2019

Virtual Reality ist schon da, aber wo?

Der Umfang der VR-Angebote steigt. Dennoch suchen immer mehr Kreativschmieden nach geeigneten Vertriebs-Plattformen für ihre Produkte. Im Rahmen der Horizon-Veranstaltungen des Berlinale-Marktes brachte der Verein Virtual Reality Berlin Brandenburg Branchenleute auf einen aktuellen Stand.

Foto; Dehn
Samsung wirbt für seine VR-Produkte.

Liz Rosenthal (Power to the Pixel; Venedig-Festival) trennte zwischen »mobilem« Einsatz (wozu auch die isolierte häusliche Online- und Offline-Nutzung zählt) und »Location Based Entertainment« (LBE) als Vermarktungsplattformen. Und schon gibt es unterschiedliche Einschätzungen. US-Produzent Bob Cooney meint, die Leute wollten VR zuhause genießen. Andere sehen das genau umgekehrt: Privates VR-Equipment sei noch zu teuer für einen wirklichen Massenmarkt.

Foto: Dehn
Joanna Pepper

Joanna Pepper betreut bei Hewlett Packard die VR-Kunden und listet eine Fülle von Standorten (vorwiegend in den USA) auf, wo VR-Produktionen laufen. Besonders gut scheint das zu funktionieren, wo VR mit Anderem gekoppelt wird, was z.B. in Themenparks der Fall ist. Oder an Orten, wo man Zeit hat – etwa am Flughafen. Oder auch da, wo man ohnehin Bewegtbild-Produktionen anschaut – also im Kino, bei Filmfestivals. Finanziert wird das aus Eintrittsgeldern. Drei Dollar pro Minute für eine kurze Anwendung muss der Nutzer da schon mal kalkulieren. Über Refinanzierung wird nicht gesprochen.

Finanziert die Filmindustrie den Einstieg in die AV-Zukunft mit VR?

Auffällig unter den vielen genannten internationalen wie später auch deutschen Beispielen sind die Abkömmlinge von Kinofilmen. Die gegenseitige Bewerbung ist gewollt, keine Frage. Daher scheint die Finanzierung meist aus dem Marketingbudget von Großproduktionen zu kommen. Den Eindruck erwecken zumindest VR-Sites zu »Jurassic World«, »Jack Ryan«, »Terminator Salvation« etc. als LBE. Einige verfolgen »4D«-Konzepte, d.h. sie kombinieren (eher im Stile einer Jahrmarktattraktion) Action mit Wackelsitzen.

Plakat: Warner.
Film zum Anfassen? Für Fatih Akins »Der goldene Handschuh« gibt es eine VR-Experience.

Das VR-Erlebnis wird deutlich gesteigert, wenn man inmitten einer VR-Szenerie nicht nur zum Beobachten verdonnert ist. Möglicherweise kann man Dinge anfassen und benutzen, wie etwa in der VR-Adaption zum Berlinale-Wettbewerber von Fatih Akin »Der goldene Handschuh«, die Warner Bros. in Kanada beauftragte. Interaktivität und das immersives Erlebnis werden gesteigert, wenn mehrere Personen in der VR-Szene spielen und z.B. gemeinsam Aufgaben lösen müssen. Inspiriert von Escape Rooms entwickelte man bei Anotherworld VR eine Anwendung zur Sky-Thrillerserie »Der Pass«. Ein Originalstoff des Berliner Unternehmens ist »Der Krampus« – Alpenmythen als Mehrspieler Horrortrip.

Remote Control aus München ist ein in der Spieleszene wurzelndes Firmennetzwerk. Aktuell arbeitet man u.a. an einem Vierspieler Game zum Serienremake »Das Boot« – das klaustrophobische U-Boot-Szenario sei besonders geeignet für VR. Zuvor hatte man u.a. für den WDR ein Steinkohle-Bergwerk als 360 Grad-Anwendung entwickelt.

Artes Mann fürs Digitale ist Alexander Knetig. Bald Erinnerung an die Kohle: Das begehbare Bergwerk des WDR.

Das Fernsehen ist übers Gröbste des VR-Anfangs hinweg. Laut Arte Digitalchef Alexander Knetig haben sich 360-Grad-Filme als Brückentechnologie erwiesen, deren Akzeptanz bei den Nutzern schon bald nach dem Einstieg vor vier Jahren absackte. Beim deutsch-französischen Kulturkanal setzt man jetzt auf Interaktivität und Immersion und bemüht sich trotz deutlicher finanzieller Beschränkung um spannende Inhalte. Auf »Das Totale Tanz Theater« zum Bauhaus-Jubiläum folgen einige Projekte mit fiktionalem Charakter. »A Fisherman’s Tale« wird ein Spiel in einem Raum, der sich als Raum im Raum erweist …

Ein Beispiel gänzlich anderen Charakters erwähnt Mária Rakušanová, beim Londoner Raindance-Filmfestival für VR, AR und New Media verantwortlich. Die sieben biblischen Weltwunder wahlweise am Stück in 70 Minuten oder in 7 mal 10 Minutenportionen. So ein Konzept lässt sicher viele Möglichkeiten und Plattformen der Vermarktung offen.

Wenig beachtet scheint der Umstand, dass sich VR längst einen Platz als Sektion mit Wettbewerb auf vielen Filmfestivals erobert hat. Nur in Berlin nicht, winkte Max Sacker von AnotherworldVR mit dem Zaunpfahl. Mal sehen, wer schneller ist: Die Berlinale oder die VR-Schlange am BER? 

Dem VR-Horror auf den Grund gehen: »Kobold« ist die erste Arbeitsprobe von AnotherworldVR.