Broadcast, Top-Story: 20.08.2009

Leichtathletik-WM: HD-Premiere bei ARD und ZDF

Nicht nur Usain Bolt und die anderen Athleten strebten während der Leichtathletik-WM nach immer neuen Rekorden: ARD und ZDF schickten Berta ins Rennen — den gemeinsam von den öffentlich-rechtlichen Sendern betriebenen Host-Broadcaster der Leichtathletik-WM. Die Wettbewerbe wurden in HD produziert, dabei kamen rund 80 HD-Kameras für die internationalen, offiziellen Bilder der Veranstaltung zum Einsatz. Um die eigenen HD-Showcases von ARD und ZDF mit zusätzlichen nationalen HD-Bildern zu befeuern, sattelten die Sender noch einen weiteren HD-Ü-Wagen drauf.

Das größte Sportereignis des Jahres in HDTV war für ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz in doppelter Hinsicht ein verantwortungsvoller Sprung ins kalte Wasser: In Berlin vertrat er nicht nur die Interessen seiner eigenen Anstalt und der ARD, die im täglich Wechsel eigene Live-Sendungen fuhren. Als Chef von Berta (Berlin Radio and Television Athletics) verantwortete er auch das Weltbild. »Berta war eine Arbeitsgemeinschaft von ARD und ZDF, um die weltweite Übertragung dieser Veranstaltung sicher zu stellen — in Zusammenarbeit mit dem Veranstalter, dem Weltverband und den internationalen Fernsehanstalten.«

Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick der Produktion des internationalen Signals und konzentriert sich dann auf die zusätzlichen, nationalen Aktivitäten des ZDF. Einen umfassenden Bericht mit umgekehrten Akzenten, bei dem der Schwerpunkt also auf den Aktivitäten von Berta und der Live-Produktion des Weltbilds liegt, finden Sie hier.

Berta liefert internationale Bilder

80 Kameras standen für die internationalen Feeds zur Verfügung. Für diesen Maßstab reichten selbst die Möglichkeiten des angemieteten Übertragungswagens von Topvision nicht aus. Deren Signale wurden zusätzlich zum neutralen Weltbild den 190 angeschlossenen Sendeanstalten angeboten.

Neben den HD-Kameras in Standardgröße kamen auch zahlreiche Minikameras zum Einsatz, montiert unter anderem an den Sprunglatten und für die Draufsicht auf den Wurfkreis. Fast schon selbstverständlich sind die Schienenkamera längs der Sprintbahn und die Spidercam, die an Seilen über dem Geschehen schwebt. Neben diversen Funkkameras rückte ein Steadicam-System wo immer möglich, den Sportlern auf die Pelle. Viel Auswahl an spektakulären BIldern also für Manfred Straka (ARD) und Achim Hammer (ZDF) die sich die Arbeit am Regieplatz im Ü-Wagen von Topvision teilten.

Technikchef der Produktion war Ralf Göß, der einen Blick in die zahlreiche technischen Einrichtungen gewährte – etwa in den Serverraum, der mit 94 Terabyte Festplattenkapazität bestückt war, ausreichend für etwa 700 Stunden Material. Für weitere 70 Stunden gab es eine Backbone-Lösung. 20 kW-Kühlaggregate sorgten dafür, dass die Höchsttemperatur von 60 Grad Celsius im Serverraum nie überschritten wurde. An den Serverraum angebunden waren nicht nur die Schnittplätze – in einem »Sonderformate«-Raum wurden auch alle Bandformate und Ingest-Plätze für P2-Medien der EB-Kameras samt notwendigen Konvertierungen vorgehalten.

MP4 des ZDF produziert nationale Bilder für ARD und ZDF

Broadcast Solutions hatte im Vorfeld der Leichtathletik-WM in einer Bauzeit von nur acht Monaten den ersten HD-Übertragungswagen für das ZDF in Mainz realisiert (siehe Meldung). Das neue mobile Produktionsmittel »MP4« wurde Ende Juli 2009 übergeben und in Betrieb genommen. Dieses Fahrzeug stellte das technische Herzstück des ZDF-Parks im nationalen Compound dar, der wiederum angrenzte an den Uplink von Media Broadcast, sowie an zahlreiche weitere Trucks aus England, Belgien, Italien, Frankreich, Norwegen und anderen Ländern. Mitten im nationalen Compound fand sich auch ein Fahrzeug der Bundesnetzagentur, zuständig für das Frequenz-Monitoring der Produktionen. Das ZDF hätte, so Ralf Göß, gerne mehr Funkwege eingesetzt. Aber die Netze waren ausgeschöpft.

Die zwischen 1080i und 720p umschaltbaren Kameras stammten von Ikegami, »damit wir mit den Studiosystemen und den anderen Ü-Wagen immer kompatibel und austauschfähig sind«, kommentierte Göß. Von den elf »deutschen« Kameras waren sieben im Stadion stationiert und per 1-Gigabit-Glasfasernetzwerk mit einer Gesamtlänge von rund 3,5 km angebunden. Die am weitesten entfernte Kamera war 750 m vom MP4 abgesetzt. Dazu kam eine tragbare Kamera, die über eine Funkstrecke von Gigawave eingekoppelt war. Den Laufzeitunterschied zwischen der Funk- und den anderen Kameras konnten die Techniker so reduzieren, dass der Unterschied für die Zuschauer kaum wahrnehmbar blieb. Drei weitere Kameras waren für die Langlauf-Wettbewerbe am Brandenburger Tor postiert und über einen weiteren dort stationierten Ü-Wagen und eine Standleitung mit der Zentralregie am Olympiastadion verbunden.

Modularer Ü-Wagen mit zwei Bild- und Tonregien

Der MP4 ist modular konzipiert, berichtet Göß, sodass die Technik an die jeweilige Produktion angepasst werden kann. In Berlin wurde nur eine der beiden vollwertigen Regien eingesetzt. Im zweiten Regieabteil befanden sich Arbeitsplätze für die Redaktion, die MAZ-Zuspielung (die immer noch so genannt wird, obwohl längst keine Bänder mehr gesteuert werden) und die Grafik. Für andere Produktionen, so Göß, würde in der Regie 1 das ZDF-Bild produziert, in der Regie 2 ein internationales Signal.

94 Monitore von Penta, bis 16fach im Muliviewer-Betrieb teilbar, ermöglichen die Bildkontrolle. Alle Monitore stammen aus der gleichen LCD-Produktionsserie, um mögliche Unterschiede in der Bilddarstellung zu vermeiden.

Ergänzt wird das Konzept durch die moderne Tonregie mit einem definierten Dolby-5.1-Abhörpunkt für den Toningenieur, zu dem das Lawo-Mischpult herausgefahren werden kann — ergänzt durch einen zweiten Audioplatz in der Regie 2. In Berlin wurde allerdings nicht in 5.1, sondern in Stereo produziert. »Die gesamte Nachbearbeitung in 5.1 zu mischen wäre ein Riesenaufwand«, so die Begründung dafür. Die Entscheidung fiel nach langer Diskussion — auch mit den internationalen Partnern — nicht zuletzt deshalb für eine Gesamtproduktion in Stereo, weil »sonst zwischen Live-Bild in 5.1 und vorproduziertem Beitrag in Stereo ein Bruch entstanden wäre.«

Zwei Dutzend Mikros lieferten zusätzlich zum internationalen Ton auch Atmo-Sounds aus dem Stadionrund und von jeder Sportart.

Beim Ton wird das nächste große Sport-Event einen Sprung bringen: Die Winterolympiade in Vancouver soll mit 5.1-Ton produziert werden, kündigt Ralf Göß an.

Sportdaten

An der Bereitstellung, Aufbereitung und Darstellung von Wettbewerbsdaten, die in die Grafik des Weltbildes integriert wurden, waren drei Unternehmen beteiligt. Seiko war für die Messungen zuständig. In den Katakomben des Olympiastadions sorgten etwa 40 Mitarbeiter von Epson dafür, dass die Ergebnisse sofort in die Datenbank einflossen. An den Reporterplätzen, in den Ü-Wagen und im Pressezentrum waren 550 Touchscreens des »Commentator Information Systems« (CIS) angeschlossen. Dort standen neben den aktuellen Ergebnissen umfangreiche historische Daten als Hintergrundinformationen bereit. Epson stellte auch Analysen von Bewegungsabläufen zur Verfügung und erfasste beim Weitsprung die Platzierung des Fußes auf dem Absprungbrett, beim Dreisprung wurden die Weiten der einzelnen Sprungphasen eingemessen. Diese Werkzeuge ermöglichten den Journalisten vergleichende Analysen der Einzelleistungen. Die Daten wurden für das Fernsehbild von der italienischen Firma DeltaTre aufbereitet. Daneben sorgte die Ü-Wagen-Grafik im MP4 für Namenseinblendungen der Interviewpartner von ARD und ZDF, sowie für zusätzliche Sportgrafiken.

HDTV-Varianten in der Diskussion

Vor Ort wurde das internationale Bild im HDTV-Format 1080i25 produziert. Dem haben sich auch ARD und ZDF untergeordnet, obwohl ihr Sendeformat eigentlich 720p50 ist. Erst in den zentralen Schalträumen der beiden Anstalten wurde das Signal ins Sendeformat konvertiert, was durchaus diskussionswürdig ist. Zu dieser Produktionsweise habe man sich unter anderem aus Rücksichtnahme auf die internationalen Sendeanstalten entschieden, kommentieren ARD und ZDF diese Entscheidung.

Rand-Erscheinungen

Die Zuschauer zuhause konnten während der Leichtathletik-WM erstmals HDTV auf breiter Basis sehen — vorausgesetzt das passende Equipment war vorhanden: Per Satellit war es möglich, HDTV-Bilder zu empfangen, und auch etliche Kabelanbieter distribuierten HDTV. Nur Kabel Deutschland wollte – im Gegensatz zu anderen Netzbetreibern — von ARD und ZDF für die HD-Einspeisung bezahlt werden. Davon ging Deutschlands größter Kabelnetzer erst wenige Tage vor WM-Beginn ab und speiste die Showcase-Kanäle »Das Erste HD« und »ZDF HD« zumindest für 4,6 Millionen seiner 9,1 Millionen Kundenhaushalte ein. Eine »Rand«-Erscheinung besonderer Art trug Eurosport Deutschland bei und verdiente sich damit die rote Laterne: Dort wurde das WM-Bild in der SD-Version gesendet und auf 4:3 beschnitten…