Branche, Postproduction, Preis, VFX, Veranstaltung: 28.03.2019

Können Werbebilder noch begeistern?

Bei der Verleihung des Deutschen Werbefilmpreises 2019 beantworteten VFX-Mann Mate Steinforth und seine Mitjuroren diese Frage zumindest teilweise. Sie hoben zwei Spots heraus, die nicht ganz in das Bild passen, mit dem die Werbefilmer sich und ihre Arbeiten sonst präsentieren.

Veranstalter des Preises ist die 2013 gegründete Deutsche Werbefilmakademie.

Was ein Produkt leistet, worin ein Service besteht, spielt kaum eine Rolle bei den Top-Produkten der audiovisuellen Werbung, die es aus 800 Einreichungen auf die Shortlist gebracht hatten. Emotionalisierung läuft der Information den Werberang ab. Unternehmen präsentieren sich als Gestalter von Zeitgeist und arbeiten hierfür mit Sportlern, mit Menschen mit Behinderung oder auch mit Kindern. Weil Zeit aber nicht stehen bleibt, braucht es regelmäßig ein werbliches Upgrade. Das freut die Agenturen und die darauf spezialisierten Produktionen und Postproduktionen.

Deutscher Werbefilmpreis
Die Auszeichnungen für »Ein monstermäßiger Film« nahm Justin Mundhenke (l., hier mit Juror Simon Verhoeven) von der Produktionsfirma Tempomedia entgegen.

Über eine Konsequenz freute sich Jurymitglied und Komponist Maximilian Olowinsky (Supreme Music): »Die Emotionalisierung in der Werbung hat der Musik mehr Bedeutung gebracht«. Kritik richtete er an das Sounddesign: »Mehr abwechslungsreiche Arbeiten«, wünsche er sich, »mal was Anderes«. Noch konsequenter hinterfragte sein Jurykollege Mate Steinforth (Sehsucht) vor der Übergabe des VFX-Preises: »Wieviel Wahrheit ist in einem Film« angesichts des »Wettrüstens zwischen Technologie und Wahrnehmung? Können Bilder da noch begeistern?«

Emotionale Werbung – und doch ohne Zeitgeistelei und Effekthascherei

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»Ein monstermäßiger Film« – ab mit der Sensation ins Web oder die eigene Verantwortung für die Konsequenzen übernehmen?

Ja, das geht. Z.B. wenn man sich bemüht, »hinter die eigenen Geschmacksmuster zu schauen«, wie Jury-Präsident Benjamin Minack (Agentur Ressourenmangel) berichtete. Der Hauptpreis für »Ein monstermäßiger Film« krönt dieses Bemühen. »Ein Film, der anders ist, … der nicht zynisch ist und eben nicht always on verkauft«, kommentierte Minack auf der Bühne der Hamburger Kampnagel-Fabrik. Denn der Beste Werbefilm des Jahrgangs stellt sich gegen die zeitgeistelnde Einvernahme der sozialen Medien für Werbung und provoziert. Der kleine Film fordert Rücksichtnahme auf Andere und zeigt der selbstgefälligen Bestückung »sozialer« Medien mit Allem, was sich nicht dagegen wehren kann, den ausgestreckten Mittelfinger. Das bewegt, ist auf den Punkt inszeniert und findet in Alex Feil einen würdigen Regie-Preisträger. Das Plädoyer für einen »vernünftigen Umgang mit den sozialen Medien« und für gesellschaftliche Verantwortung befand auch die Medienjury für preiswürdig.

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Wie kommt man nach Sylt, wenn die Bahn mal wieder aussteigt? »Catapult Air« hat die Antwort.

Ganz ohne massives Effektdesign und austauschbare Image-Standards kommen Casper-Jan Hogerzeil, Oliver Zacharias-Toelle und Klaus Huber aus. »Catapult Air« bewirbt die Insel Sylt mit einer originellen, witzigen Idee und ist im unerwarteten Stil einer Reportage geschrieben und gedreht. Den Blick über den Tellerrand eines stilisierten Markenimages wagt auch der Beste Nachwuchsfilm. Ben Miethke von der Filmakademie Baden-Württemberg stellt in »Benim Evim Sensin« (deutsch: Du bist mein Haus) die Frage nach dem Heimatgefühl der Migranten der 60er und 70er Jahre und erzählt das als Familiengeschichte, in der ein Auto eine die Generationen verbindende Rolle spielt.

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»Stronger than Time« – Die effektreiche Autoinszierung und …
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… und der Animations-Preisträger »Voll auf E« entstanden im Produktions- und Posthaus Sehsucht.

Die weiteren Preisträger bewegen sich im gestalterisch üblichen Rahmen. Vier Auszeichnungen gehen an die exklusiv für Mercedes-Benz tätige Agentur Antoni Garage und ihre mit verschiedenen Partnern umgesetzte Image-Kreationen. Da rollt das Budget, international hochrangige Teams drehen: Kamera-Preisträger für »In the Long Run« ist der Schwede Linus Sandgren. Der Oscar-Gewinner (»La La Land«) arbeitet gerade am neuen »Bond«. Auch der Schnittpreis geht an die Mercedes-Connection – an Simon Colin für »Never Stop Improving«. Die VfXe mit dem dritten Stuttgarter Auto gestalteten Daniel Jahnel, Timo von Wittken und Florian Zachau (»Stronger than Time«). Jahnel durfte auch die Auszeichnung für die beste Animation entgegennehmen. Gemeinsam mit Hans-Christoph Schultheiß entstand bei Sehsucht »Voll auf E« für EnBW.

Liste der Gewinner:

»Ein monstermäßiger Film«. Bester Werbefilm, Preis der Medien. Beste Regie: Alex Feil. Produktion Tempomedia, Kunde Huawei.

»Catapult Air«. Bestes Script: Casper-Jan Hogerzeil, Oliver Zacharias-Toelle, Klaus Huber. Produktion PUK Film, Kunde Sylt Marketing, Agentur: Philipp & Keuntje.

»Voll auf E«. Beste Animation: Daniel Jahnel, Hans-Christoph Schultheiss. Produktion Sehsucht, Kunde EnBW.

»In the Long Run«. Beste Kamera: Linus Sandgren. Produktion Iconoclast. Kunde Mercedes-Benz. Agentur antoni garage.

»Benim Evim Sensin«. Bester Nachwuchsfilm: Ben Miethke. Produktion Filmakademie Baden-Württemberg, Captcha.

»Never Stop Improving«. Bester Schnitt: Simon Colin, Bestes Sounddesign: Wenke Kleine-Benne. Produktion Iconoclast. Kunde Mercedes-Benz. Agentur: antoni garage.

»Stronger than Time«. Beste Visuelle Effekte: Daniel Jahnel, Timo von Wittken, Florian Zachau. Produktion Sehsucht. Kunde Mercedes-Benz. Agentur antoni garage.

»Lebensphasen«. Beste Komposition. DamienDamien. Produktion Saltwater. Kunde Audi. Agentur Kolle Rebbe.

»Hör’ auf Deine innere Stimme«. Bestes Art Department: Bader El Hindi. Produktion Bubbles Film. Kunde Immowelt. Agentur: Noga.

Deutscher Werbefilmpreis
Deutscher Werbefilmpreis 2019 – Die Preisträger.

Zur Website des Deutschen Werbefilmpreises mit allen Preisträger-Filmen.

 

Autor
Peter Dehn.

Bildrechte
Deutscher Werbefilmpreis (2); Screenshots: film-tv-video.de

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