Live, Olympia, Sport, Top-Story: 04.08.2021

Olympische Spiele – wie nie zuvor

Seit dem 23. Juli 2021 finden in Tokio die 32. Olympischen Sommerspiele statt. Ein Report über die TV-Übertragungen von ARD und ZDF.



Bis kurz vor dem Start war noch unklar geblieben, ob die Olympischen Sommerspiele in Tokio tatsächlich stattfinden würden. Und ob sie auch stattfinden sollten, darüber waren sich Politiker, die Bevölkerung im Gastland, Funktionäre und Virologen bis zuletzt uneins. Nun aber brennt das olympische Feuer und die Spiele sind im Gang — auch wenn das an den meisten Sportstätten in Tokio ohne Publikum im engeren Sinne geschieht. Zwar sieht man auf den Rängen manchmal dennoch erstaunlich viele Personen, aber die gehören wohl zur »Blase«, sind also Funktionäre, Betreuer oder anderweitige Offizielle.

Bis es letztlich zu diesen »Schattenspielen« kam, war es insgesamt betrachtet ein weiter Weg, mit etlichem Hin und Her — entsprechend schwierig und steinig war die Produktionsvorbereitung für die Rechteinhaber.

Mit einem Jahr Verspätung: Olympia in Tokio.

Das Ringen um Olympia hatte im TV-Bereich tatsächlich schon lange vor den Spielen begonnen, nämlich bei der Rechtevergabe: Für die Berichterstattung mussten ARD und ZDF nämlich Sublizenzen des Rechteinhabers Discovery erwerben, lange wurde über den Kaufpreis verhandelt.

Diese Verhandlungen werden auch vor allen künftigen Olympischen Spielen weiter geführt werden.
Aktuell haben deutsche Zuschauer jedenfalls die Wahl, Olympia bei den Öffentlich-Rechtlichen oder aber bei Discovery zu verfolgen.

Die japanische Millionenmetropole Tokio.
Tokio2021: Alles anders

Olympia ist nicht nur für die Sportler eine ganz besonders wichtige Veranstaltung, sondern auch für die Broadcaster, die mit diesem Sportfest Quote machen wollen und hierfür in aller Regel auch erheblichen Aufwand treiben müssen.

Das Thema »Remote Production« ist zwar bereits seit einigen Jahren virulent, doch nach wie vor waren in der Vergangenheit meist viele Mitarbeitende der berichterstattenden Sender direkt vor Ort aktiv, wenn dort das Olympische Feuer entzündet wurde.

©V. Zoiro
Blick ins IBC in Tokio.

Dreh- und Angelpunkt ist für die Sendermitarbeiter bei dieser Art von Groß-Events im Normalfall das International Broadcast Center (IBC), und in Nicht-Pandemiezeiten sind üblicherweise im Austragungsland auch zahlreiche Journalisten unterwegs, um die Besonderheiten des jeweiligen Austragungsortes zu erspüren und davon zu berichten.

In Tokio ist das nun alles anders: Inmitten der Pandemie wird alles dem Ziel untergeordnet, das Virus unter Kontrolle zu halten. Das bedeutet für die Broadcaster, so wenig Personal wie nur möglich ins Land zu schicken – und primär remote zu arbeiten.

Über die Mediathek stehen unzählige Beiträge zum Abruf bereit – auch Interviews, die im Studio in Tokio gemacht wurden.
ARD und ZDF: an einem Strang — und remote

ARD und ZDF berichten seit dem 23. Juli im Wechsel von den »Sommerspielen Tokio 2020«. Trotz aller Widrigkeiten haben die beiden Sender ein Konzept entwickelt, das den Zuschauerinnen und Zuschauern das Erlebnis Olympia ermöglicht. Die Federführung innerhalb der ARD liegt beim NDR.

ARD und ZDF produzieren Olympia aus Tokio weitgehend remote. Das bedeutet ganz konkret: Es gibt zwar noch ein Studio in Tokio, doch die Regie dieses Studios befindet sich in Mainz – also über 9.000 km entfernt. ARD und ZDF steuern selbst die Studiokameras in Tokio remote aus Mainz.

Auch das gehört zu Olympia aus Tokio: Moderation im Stadion mit Maske.

Auch die Sendeabwicklung, die Produktion und Postproduktion der Berichterstattung finden weitgehend in Mainz statt. Dort befindet sich das NBC (National Broadcast Center), das ARD und ZDF gemeinsam nutzen.

Mit diesem Remote-Konzept produzierten ARD und ZDF auch schon die Fußball-Europameisterschaft. Doch bei der Euro hatte die ARD ihre Produktion noch in Köln beim WDR untergebracht.

Einblicke in die Kultur des Gastlandes bleiben den meisten Mitarbeitenden verwehrt – sie dürfen sich lediglich zwischen Hotel und Arbeitsplatz bewegen.

Das ist nun anders: Bei Olympia wird auch an den »ARD-Tagen« alles im NBC in Mainz abgewickelt, Mitarbeitende des NDR sind zu Gast beim ZDF. Das gesamte Olympia-Team von ARD und ZDF arbeitet gemeinsam im NBC in Mainz, dort wird also auch alles geschnitten und postproduziert.

Planung

Die Produktionsplanung für eine Großveranstaltung wie die Olympischen Spiele ist schon in normalen Zeiten eine Herausforderung für alle Beteiligten. In einer Pandemie ist es jedoch ein Höllenritt, den niemand wiederholen möchte.

Gunnar Darge, Technischer Leiter ZDF.

Gunnar Darge, Technischer Leiter des federführenden ZDF, berichtet: »Wir hatten und haben so viele unbekannte Variablen, mit denen wir planen und umgehen müssen, dass es teilweise wirklich sehr schwierig war, voranzukommen. So gab es Phasen, in denen beispielsweise selbst die Redaktionen nicht wussten, ob es möglich sein würde, im Studio ohne Maske zu moderieren oder auch, ob wir die Sportler ins Studio einladen durften. Das warf wiederum die Frage auf, ob wir dann überhaupt noch ein Studio brauchen würden.«

Björn König, Technischer Leiter NDR.

Mit der Entscheidung des Gastlandes, keine ausländischen Zuschauer zu den Spielen zuzulassen und an den meisten Sportstätten auch keine inländischen, gab es dann zumindest eine feste Größe, mit der die Sender planen konnten.

Björn König, Technischer Leiter des NDR, berichtet: »Wo wir in Rio oder London noch mit eigenen Ü-Wagen-Präsenzen vor Ort waren, arbeiten wir in Tokio nun mit ganz kleinen Minimalteams. Wir haben wirklich jegliche Präsenz auf die kleinstmögliche Größe reduziert

Situation vor Ort

Dass es in Tokio im August heiß und stickig werden würde, war hinlänglich bekannt — so sind dort nun mal die klimatischen Verhältnisse. Was dann aber hinzukam, waren strengste und auch vielfach wechselnde Pandemie-Anforderungen für die Broadcast-Teams. Das begann mit strengen Quarantäne-Vorschriften nach der Einreise, ging über streng reglementierte Aufenthaltsorte und reichte bis zu strikten Bewegungspfaden, an die sich alle schon in der Vorbereitung halten mussten und nun auch während der laufenden Veranstaltung müssen.

Bilder wie diese hätte man sich gewünscht – hier gab es Corona noch nicht.

Björn König, Technischer Leiter des NDR, berichtet: »Die Situation ist schon extrem für uns. Selbst die Techniker vor Ort an den Venues bekommen kein anderes Stadion zu sehen, sie dürfen sich lediglich zwischen ihrem Hotel und ihrem Arbeitsplatz bewegen.« All diese Vorgaben sind in einem Playbook geregelt, das der Veranstalter herausgab — und zum Leidweisen der Broadcaster im Verlauf der Planung auch immer wieder an die aktuelle Situation anpassen musste.

©Screenshot ZDF
Studioausblick bei Nacht.
Glasstudio Tokyo Bay

Bedingt durch die Zeitverschiebung von sieben Stunden übertragen die deutschen Sender in der Regel von sehr spät nachts bis zum späten Nachmittag oder frühen Abend. In der eigentlichen deutschen Primetime gibt es so gut wie keine Live-Veranstaltungen.

Im Mittelpunkt der Berichterstattung aus Japan steht das »Fenster zu Olympia« – ein Glasstudio an der Tokyo Bay. Auf dieser Präsentationsfläche mit Blick auf die Rainbow Bridge und das Olympische Dorf führen die Moderatorinnen, Moderatoren, Expertinnen und Experten von ARD und ZDF durchs Programm und begrüßen Gäste aus der Welt des Sports. »Das Studio hat eine Fläche von rund 10 x 10 m und bietet den ganzen Tag über sehr schöne Ausblicke auf Tokio«, erzählt Björn König.

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Autor
C. Gebhard, G. Voigt-Müller

Bildrechte
ZDF/Ulrike Lenz (1), NDR/Christian Spielmann (1), Screenshots (11), V. Zoiro (4), F. Rathgeber (4), B. König (1), Pixabay (4)

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