Festival, Film, Top-Story: 30.04.2025

Filmtipps fürs 40. Internationale Dokfest München 2025

Das Dokfest München startet am 7. Mai mit 105 Dokumentarfilmen aus 58 Ländern in Münchner und Augsburger Kinos und Event-Locations — sowie per Streaming. Hier gibt es dazu Infos und Filmtipps.




Ping Pong Paradise

[Sportfilm, Wettkampf, Vereinswesen, Männerwelten]

Deutschland 2024 / 116 Minuten / 16:9

©Dokfest München
Film Still aus »Ping Pong Paradise«.

Profi-Tischtennis hat nichts mit dem zu tun, was man an der heimischen Platte aufführt. Disziplin und tägliches Training sind die Voraussetzungen für eine Karriere. Das öffentliche Interesse ist überschaubar. Der Film folgt dem Team des TTC-Neu Ulm, einer Neugründung aus 2019, hinter der der Verleger Florian Ebner steht. Im Bild erleben wir die 2023 Spielsaison, in der das Team den DTTB-Pokal gewinnt, aber im Champions-League-Halbfinale knapp gegen Borussia Düsseldorf verliert. Wegen Querelen mit dem Verband kommt es 2024 zur völligen Auflösung des Vereins.

Im Film sehen wir Training, Wettbewerbe, den Trainer, der Ratschläge gibt, und ausschließlich Männer, die sich mit Hand-Schlag-Ritualen vor und nach dem Spiel begegnen. Bisweilen unterscheidet sich der Sport an der Platte in den Hallen nicht wesentlich von der Industriearbeit am Fließband, und die Schönheit von Spielzügen wird erst am Ende in der Zeitlupe sichtbar und bleibt dem Live-Zuschauer in der Halle weitestgehend verborgen.

[sehenswert*]

Soldaten des Lichts

[Parallelwelten, Esoterik, Spiritismus]

Deutschland 2024 / 108 Minuten / Cinemascope

©Dokfest München
Film Still aus »Soldaten des Lichts«.

Es ist eine Art Wohngemeinschaft mit veganem, ökologischen Ernährungskonzept, ein bisschen Fitnessstudio und ein vegetarisches Café, in das die Kamera hineingeraten ist.
»Verhalte dich zu allem verbunden und alles Leid ist überwunden«, mit solchen Sinn-Sprüchen gibt David, bekannt in Social Media als »Mr. Raw«, den Ton an. Vorher war er im Vertrieb erfolgreich, jetzt ist er ein grandioser Selbstvermarkter zwischen Ernährungsberater, Onlineshop-Betreiber, Ausbeuter und Youtuber. Damit das Geschäftsmodell funktioniert, werden reale Follower aufgenommen, die gegen Kost, Logis und Ernährungsberatung die anfallenden, schnöden Arbeiten erledigen, so auch Timo, der sichtlich psychische Probleme hat. Eine »Entgiftung« durch Diät und vegane Ernährung sollen helfen. Die herbeigeredeten Besserungsprozesse glaubt er selbst zu spüren, sie sind im Bild über die Zeit aber nicht sichtbar. Religiöses, Esoterisches, Spirituelles wird mit Ernährungsideen und Yogastücken zu einem kruden Weltbild zusammengemischt, bei dem auch die Erde eine Scheibe sein darf, weil das schließlich in einem Buche steht. Damit aber nicht genug. Man sieht sich auch als Anhänger des KRD (Königreich Deutschland) eines »Peter des 1.« aus dem Umfeld der Reichsbürgerbewegung. Ein wunderbarer Einblick in eine absurde Parallelwelt.

[sehenswert****]

The Battle For Laikipia

[Afrika, Siedler, Klimawandel, Dürre]

Kenia, USA, Griechenland 2024 / 94 Minuten / 16:9

Der Film beginnt mit dem touristischen Blick auf Kenias Wildtiere in einem privaten Wildtier-Schutzgebiet in Laikipia County im Norden von Kenia. Ein großer Teil der Bevölkerung gehört dem Stamm der Samburu an und betreibt die sogenannte pastorale Vieh-Wirtschaft. Man zieht mit dem Vieh durch die karge Landschaft und ist als Nomade unterwegs.

©Dokfest München
Film Still aus »The Battle For Laikipia«.

Gleichzeitig gibt es in Laikipia große Farmen oder Conservancys im Besitz weißer Kenianer. Diese sind meist umzäunt und hindern den Durchzug der Nomaden mit ihren Tieren. In der großen Dürreperiode 2022-2023 eskaliert die Situation. Nomaden dringen mit ihren Tieren auf die besseren Weiden der Rancher vor und es kommt zu Gewalttätigkeiten. Der Film verfolgt über eine längere Zeit die Konfliktparteien und gibt Einblick in den Alltag und die Nöte beider Seiten.

[sehenswert***]

The End Of The Internet

[Kommunikationstechnik, Internet, Konzerne]

Deutschland, Kanada, Spanien 2025 / 85 Minuten / 16:9

©Dokfest München
Film Still aus »The End Of The Internet«.

1959 entstand vor dem Hintergrund eines möglichen Atomschlags die Idee zu dezentralen Kommunikationsnetzwerken, die einen solchen Angriff ohne Totalausfall überstehen können. Dazu wurde ein Netz mit Knotenpunkten und die Übertragung von Informationspaketen entworfen und eine hierarchische, zentralistische Struktur vermieden. Im Internet sollten alle Informationen und Teilnehmer gleichwertig behandelt werden. Dem ist längst nicht mehr so. Durch wenige globale Player ist das World Wide Web sehr zentralistisch und kontrollierbar geworden. Der Film besucht Leute in Berlin, Taiwan, Katalonien, Miami und im brasilianischen Regenwald, die sich gegen diese Machtkonzentration wehren und eigene Strategien entwickelt haben.

[sehenswert****]

The Invisible Contract

[Frauen, soziale Hierarchien, fremde Welten]

Mexiko 2024 / 85 Minuten / 16:9 / 4:3 s/w

Sie heißen Rosabella, Goyita, Aurora, Claudia, Rosalla und säubern die öffentlichen Plätze in Mexico City, Toiletten, das Kino der Cinemathek, den Flughafen, die Straßen, die Metro. Und sie werden vom Rest der Bevölkerung oft genauso behandelt wie das, was sie beseitigen sollen, den Schmutz und Müll.

©Dokfest München
Film Still aus »The Invisible Contract«.

Alle sind Frauen. Einen Vertrag, der die Arbeit genau beschreibt, bekommen sie nicht, weil die öffentliche Hand die Arbeit an Subunternehmer delegiert hat. Der Schwarzweiß-Film begleitet die Frauen oft in den Abendstunden bei ihrer Tätigkeit auf der Straße. Die beobachteten Szenen sind in 16:9 gedreht, die gesetzten Interviews und Statements in 4:3. Manche der Protagonistinnen werden zu ihrem Schutz von Schauspielerinnen nachgespielt. Am Rande bekommt man auch einen Einblick in die privaten Wohnverhältnisse dieser Frauen. Ein heilsamer Film für alle, die mit unseren gesellschaftlichen Verhältnissen unzufrieden sind.

[sehenswert****]

©Dokfest München
Der Fotograf Martin Schoeller.
We All Bleed Red

[Fotografenportrait]

Deutschland 2024 / 87 Minuten / 16:9

Filme über Fotografen sind ein sicheres Geschäft, schließlich steuert der Protagonist mit seinen Bildern doch einen wesentlichen Teil zum Endprodukt bei. Der deutsche Martin Schoeller ist in den 90er Jahren nach New York ausgewandert und hat sich eine besondere Methode der Portraitfotografie erarbeitet, die er selbst als Close-Ups bezeichnet. Die Ergebnisse seiner Arbeit sind so verlässlich wie die eines Passbildautomaten, natürlich auf höchstem Niveau und in analoger Großbildtechnik.

Film Still aus »We All Bleed Red«.

Gott und die Welt hat vor seiner Linse gesessen, Prominente aus Politik, Wissenschaft und Kultur, wie Trump, Obama, Clinton, Eastwood und weitere hunderte von Prominenten, aber auch Menschen am Rande der Gesellschaft, wie Obdachlose, die er in LA ins Studio eingeladen hat. Und weil die Fotografie durch die digitale Technik sich stark geändert hat, probiert er Neues mit seinen Moving Portraits, Bilder unter gleichen Bedingungen, nur dass sie sich jetzt bewegen und man im Off den O-Ton der Protagonisten hören kann.

[sehenswert**]

 

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