Editorial, Kommentar, Top-Story: 11.06.2014

Der Dunkelsack

Noch wird es unter den Lesern dieses Newsletters sehr viele geben, die wissen, was ein Dunkelsack ist — oder die sogar schon mal einen benutzt haben. Aber es wird nicht mehr lange dauern, bis das nur noch eine ganz kleine Minderheit sein wird.

Für alle, die jetzt schon im Dunkeln stehen, was diesen Begriff betrifft: Der Dunkel- oder Wechselsack sieht aus wie ein unten verschließbarer Pullover ohne Halsausschnitt und wird benutzt, um chemisches Filmmaterial beim Ein- oder Auslegen in eine Kamera oder Filmkassette vor Überbelichtung zu schützen.

Wir wollen den Dunkelsack heute als Metapher und Beweis dafür verwenden, dass die Annahme, dass sich die Technik immer weiter beschleunige, nicht immer bloß der individuellen Wahrnehmung geschuldet ist. Der Dunkelsack hat in der Filmwirtschaft eine rund ein Jahrhundert währende Karriere hinter sich gebracht, in der sich das grundlegende Design nur wenig verändert hat. Aktuelle Techniken und Produktdesigns in unserer Branche und auch weit darüber hinaus, werden wohl kaum so lange genutzt werden und so lange leben: Nehmen wir einfach mal die SMS als Beispiel.

Vor rund zwanzig Jahren wurde dieser Kurznachrichtendienst eingeführt und nun ist erstmals die Zahl der in Deutschland verschickten SMS-Nachrichten nicht mehr gewachsen, sondern zurückgegangen. Die Bundesnetzagentur gab einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr um drastische 37 % auf 37,9 Milliarden bekannt.

Grund dafür sind Chat- und Messenger-Dienste wie etwa WhatsApp — aber glaubt irgend jemand ernsthaft, dass diese wiederum überhaupt zwanzig Jahre alt werden? Es wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schneller gehen, bis hier wieder was Neues kommt.

Nun wollen wir natürlich weder dem Dunkelsack hinterher weinen, noch ihn zum Bannerträger der Nachhaltigkeit stilisieren. Aber die Frage, ob man in immer höherer Taktzahl stets dem neuesten »heißen Scheiß« hinterherhecheln muss, die muss eben ab und zu schon mal aufgeworfen werden.

Sie werden sehen.