Kommentar, Top-Story: 03.09.2003

Werbeblocker

Die Funkausstellung in Berlin zieht derzeit etliches Medieninteresse auf sich, denn schließlich gibt es dort die neuesten Apparate, mit denen Fernsehen für den Konsumenten erst schön wird. In TV- und Hörfunkbeiträgen werden dabei ebenso wie in Zeitungsartikeln mitunter wahre Jubelarien auf Festplattenrecorder für den Heimanwender angestimmt: Diese Geräte, auch PVR genannt, seien der Hit des Jahres. Sehr viele Beiträge stellten dabei in den vergangenen Tagen als ultimatives Feature heraus, dass man mit einem PVR die störenden Werbeblöcke beim Mitschneiden von Spielfilmen schnell und problemlos überspringen kann.

Damit kein Missverständnis entsteht: Niemand in der Redaktion behauptet, er freue sich über Werbeblöcke mitten im Spielfilm. Nein: Die Spots mitten im Film können richtig nerven und einen aus der spannenden Handlung katapultieren.

Denkt man aber den in der IFA-Berichterstattung oft gelobten Werbeblocker-Ansatz konsequent zu Ende, dann kann es leicht passieren, dass man sich am Schluss im klaren Widerspruch zu all denen in den Medien wieder findet, die diesen Ansatz einfach nur populistisch lobpreisen, nachplappern und verbreiten.

Was würde denn passieren, wenn ein Großteil der Fernsehzuschauer Festplattenrecorder nutzen würde, um keine Werbung mehr sehen zu müssen? Die Werbeeinnahmen der privaten TV-Anbieter brächen massiv ein, die Geschäftsgrundlage würde ihnen entzogen. Gäbe es dann in der Folge keine privaten TV-Anbieter mehr, die relativ neue Spielfilme mit Werbeunterbrechungen ausstrahlten, dann fiele auch das in den oben genannten Berichten heraus gestellte Top-Feature der Festplattenrecorder weg: Kein Free-TV-Privatsender, keine Werbeblöcke im Film, kein Bedarf für Heim-Festplattenrecorder. Damit führten sich die Geräte selbst ad absurdum.

Nun wird es natürlich so weit gar nicht kommen: Schließlich werden die TV-Anbieter ihrem eigenen Untergang nicht seelenruhig zu schauen. Momentan ist die Bedrohung ohnehin gering, denn es sind bisher nur rund 40.000 solcher Geräte im deutschen Markt installiert. Bei der Gesamtzahl der Fernsehhaushalte ist das eine auch aus Sicht der Werbewirtschaft zu vernachlässigende Zahl. Weil die Bedienung der Geräte ganz sicher nicht jedermanns Sache ist, bleibt ab zu warten, wie weit sich die Diskrecorder verbreiten und ob deren Funktionsvielfalt auch tatsächlich von breiten Anwenderschichten genutzt wird.

Da aber nun mal die Technologie verfügbar ist und sich weiter verbreiten wird, können daraus früher oder später Folgen erwachsen. So könnte es als Reaktion auf Werbeblocker im Heim-TV-Bereich zukünftig eben verstärkt andere Werbeformen geben: Product Placement und Sponsoring etwa, Methoden, mit denen die Öffentlich-Rechtlichen ja heute schon ihre Werbebeschränkungen wirkungsvoll umgehen. Die Werbung wird dann eben inhaltlicher Bestandteil der Shows, Filme, Serien und Soaps. Weniger Spielfilme im Free-TV könnten ebenfalls daraus resultieren und eine klare Verschiebung des deutschen TV-Marktes hin zu Pay-TV, eventuell mit Video-on-Demand-Dienstleistungen. Oder eben ein neuer TV-Look: Einklinker, Overlays, durchlaufende Infobänder in allen denkbaren Variationen. Vielleicht auch TV-Layouts wie bei Bloomberg-TV, bei denen dann der Spielfilm nur noch in einem Fenster läuft, das ganz langsam seine Position verändert, um das Extrahieren zu erschweren.

Würden die deutschen Zuschauer diese möglichen Folgen besser finden, als Werbeblöcke im Free-TV? Wohl eher nicht.

Das eigentliche Problem ist aber nicht der Heim-Festplattenrecorder, selbst wenn er nur als Werbeblocker gesehen wird – was er ja letztlich gar nicht ist. Das Problem ist die dahinter stehende Haltung: Immer mehr Menschen wollen ganz offenbar alles haben, aber nichts mehr dafür geben. Kein Geld, keine Zeit, keine Aufmerksamkeit, keine Arbeit, einfach gar nichts.

Diese Sauger-Mentalität steht unter anderem hinter dem Schwarzkopieren von Software, Spielfilmen und Musik, und sie greift nun immer weiter um sich.

Der wirtschaftliche und oder kulturelle Untergang, den manche daraus schon ableiten, wird wohl nicht eintreten. Manche Geschäftsmodelle werden aber einfach nicht mehr funktionieren, manche lieb gewonnene Vielfalt wird sich drastisch reduzieren. Die damit verbundenen Umwälzungen können schmerzlich werden: für die beteiligten Unternehmen wie auch für die Verbraucher.

Das einfache Prinzip »Du bekommst relativ aktuelle Spielfilme gratis im Fernsehen, dafür schaust Du meine Werbung an« könnte zum Auslaufmodell werden. Statt dessen wird es in manchen Bereichen für den Verbraucher immer schwieriger werden, den Überblick zu behalten und zu durchschauen, wofür und wie er bezahlen muss: Eine Weiterentwicklung dessen, was bei den Kids zu sehen ist, die gratis immer die neuesten Handies bekommen, aber dafür einen undurchsichtigen Vertrag abschließen, der sie ins finanzielle Chaos bringen kann. In anderen Bereichen wird man sich daran gewöhnen müssen, direkter für bestimmte Leistungen zu bezahlen: Pay-TV ist dafür ein Beispiel. Ein anderes Beispiel ist das separate Abrechnen von Beratungsleistungen, die früher mal selbstverständlich zur Dienstleistung eines Händlers gehörten.

Sie werden sehen.