Kommentar, Top-Story: 11.06.2007

Leisten Sie Widerstand!

Dass in Werbung und Marketing neben wenigen Glanzleistungen und einigem Mittelmaß auch sehr viel Schwachsinn produziert wird, ist keine Neuigkeit. Aber immer wieder sieht man sich mit Fehlleistungen konfrontiert, die besonders augenfällig zeigen, dass viele Agenturen und Werbeabteilungen ganz offenbar in einer völlig eigenen Welt leben, die mit dem Rest der Bevölkerung und der Realität wenig zu tun hat.

Um eines von zahllosen möglichen Beispielen herauszugreifen: Am vergangenen Wochenende fand eine Motorsportveranstaltung statt, die den offiziellen Namen »ADAC Zurich 24h« trägt. Bekannt ist diese Veranstaltung als 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring in der Eifel, Zurich steht also keineswegs für den Veranstaltungsort.

Dass mittlerweile jeder Kleinstadt-Halbmarathon einen Sponsoren im Namen trägt, ist genauso normal, wie dass dieser unnatürliche Beiname von jedem klar denkenden Menschen einfach ignoriert wird. Deshalb wäre »ADAC Zurich 24h« trotz der falschen Verortung eigentlich noch gar nicht besonders ungewöhnlich und erwähnenswert. Alberner ist, dass sich die Zürich-Versicherung seit einiger Zeit Zurich nennt. Die Ü-Pünktchen wurden wegrationalisiert.

Ja, es ist klar, was der Zweck dieser Übung war und man kann sich gut vorstellen, wie das den Vorständen unter dem Stichwort »Global Player« präsentiert und schließlich abgenickt wurde. Aber da hätten sich Agentur und Vorstand der Zürich-Versicherung doch lieber mal ein Beispiel an der britischen (!) Rockband Motörhead genommen: Die sind nicht nur weltweit bekannt und erfolgreich, sondern waren und sind in ihrer Zielgruppe stilprägend — trotz nicht gesprochenem Umlaut im Markennamen. Sicher, Umlaute machen in der Computerwelt Umstände. Aber wir brauchen sie nun mal, denn schließlich besteht ein Unterschied etwa zwischen den Worten »wurde« und »würde«, der weit größer ist, als die zwei kleinen Pünktchen eigentlich vermuten ließen.

Natürlich geht es bei diesem Aufruf zum Widerstand letztlich gar nicht um die verlorenen Ü-Pünktchen von Zurich: Wer »FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2006 Deutschland« zur Fußball-WM gesagt hat, ohne dass er dafür bezahlt wurde, der hat auch schon etwas falsch gemacht — und das nicht nur in der Orthografie. Das eng verwandte Thema absurder Schreibweisen bei Firmen- und Produktnamen wurde an dieser Stelle ja schon hin und wieder thematisiert.

Überlegungen, die aus Zürich schnell mal Zurich machen, können auch andere Blüten treiben: Im Bestreben »internationaler« zu klingen, heißen Unternehmen heute gern Aventis, Infineon, Novartis, Epcos, Arcelor, Solvadis, Qimonda oder Arcandor. Das klingt je nach individueller Vorstellungskraft eher nach einem Fantasy-Roman — »Die Schlacht um Arcandor« — oder nach exotischen Ferien — »Qimonda – Spa und Resort«. (Arcandor ist übrigens der neue Name von Karstadt-Quelle, Endungen auf –is deuten meist auf Chemie- oder Pharmafirmen hin, drei der genannten Firmen sind direkt oder indirekt aus Siemens hervorgegangen.)

Zum Schluss noch ein Blick auf mögliche Folgen und Nebenwirkungen von Namensänderungen: Wenn der jährliche Anzeigenumsatz von www.film-tv-video.de jemals den Umfang der Kosten erreichen sollte, die der nun fällige Austausch von Schildern und Visitenkarten bei der bisherigen DaimlerChrysler AG kostet, dann schicken wir allen derzeit registrierten Nutzern ein Gratis-T-Shirt in absoluter Spitzenqualität zu. Versprochen.

Sie werden sehen.