Editorial, Kommentar, Top-Story: 26.09.2007

Vivat Helvetia

Ab Dezember 2007 will das Schweizer Fernsehen mit HD Suisse einen Kanal starten, der täglich rund um die Uhr HD-Programme in 720p ausstrahlt. HD Suisse will Sport, Dokumentarfilme und Serien zeigen. Teile des Programms sollen mit Eigen- und Koproduktionen in den vier Landessprachen bestritten werden, mit internationalen HD-Produktionen wollen die Schweizer Broadcaster den Kanal zum Vollprogramm auffüllen. Auch die Fußball-WM 2008, die von Österreich und der Schweiz gemeinsam ausgetragen wird, soll auf diesem Kanal in HD zu sehen sein. Bis 2012 will das Schweizer Fernsehen dann sein Programm komplett auf HD umgestellt haben.

Bis zum Jahr 2012 ist es zwar noch eine Weile hin, aber dennoch: Die Schweizer Zuschauer können schon Ende des Jahres ein öffentlich-rechtliches Programm mit regionalen Programmanteilen in HD sehen, ohne hierfür zusätzlich bezahlen zu müssen – wenn auch Teile des Programms verschlüsselt ausgestrahlt werden sollen.

Die Fernsehmacher in der Schweiz können schrittweise in die HD-Produktion hineinwachsen und ihre HD-Archivbestände Schritt für Schritt ausbauen, so dass bis zum Jahr 2012 genügend Programme und auch Erfahrungen in der Produktion von HD vorhanden sein werden. Das ist ein Konzept, von dem man in Deutschland noch weit entfernt ist. Hierzulande ist man bei den öffentlich-rechtlichen Sendern erst damit beschäftigt, im Hintergrund die nötigen Allianzen für oder gegen HD zu schmieden und all die rundfunkrechtlichen Hürden zu umgehen, die bei der Einführung von HD im Weg stehen.

Derzeit lautet die offizielle Sprachregelung der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland nach wie vor, dass ab 2010 mit HD-Ausstrahlungen im Simulcast-Betrieb begonnen werde. Ein richtiges Konzept, an dem sich auch freie Programm-Produzenten orientieren könnten, gibt es allerdings leider nicht.

Stattdessen wagt sich mal das ZDF vor und kündigt ein HD-Testprogramm an, das dann (angeblich) an der verweigerten Gebührenerhöhung scheitert. Dann prescht zur Abwechslung mal die ARD vor, wie jüngst während der Funkausstellung, als das Programm von Eins Festival für die Laufzeit dieser Veranstaltung in HD übertragen wurde. Über diese Mischung aus Hin und Her, Grabenkämpfen und Salami-Taktik nähert man sich hierzulande bei den Öffentlich-Rechtlichen scheibchenweise dem Thema HD. Und im Hintergrund werkeln dann noch die EBU und deren subalterne Institutionen auf der Suche nach einer Daseinsberechtigung herum und stiften mit ihren Formatempfehlungen nur noch mehr Verwirrung, wo sie doch eigentlich genau das Gegenteil tun sollten.

Das ist alles andere als befriedigend, so langsam wäre es für die deutschen Broadcaster, die zu den größten in Europa gehören, definitiv an der Zeit, ein schlüssiges, klares Konzept für den Übergang zu HD zu haben.

Es sind aber nicht nur die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten, die sich schwer tun: Schon der Wechsel von 4:3 auf 16:9 läuft im deutschen Fernsehen so zäh ab, dass ein so fundamentaler Schritt wie die Umstellung auf HD sich erst recht hinzieht. Noch heute weigert sich etwa RTL standhaft, wenigstens größere Teile seines Programms endlich in 16:9 auszustrahlen. Die Werbewirtschaft setze eben auf 4:3, wird da vorgeschoben. Wer so argumentiert, der sollte sich mal die Werbeblocks seines eigenen Abendprogramms anschauen: Breitbild an allen Ecken und Enden. Die Werbewirtschaft hat längst begriffen, dass besonders in den konsumfreudigen Haushalten 16:9 das normale Format ist, an das die Fernsehgeräte in den Wohn- und Kinderzimmern das 4:3-Material durch Verzerrung oder simples Beschneiden anpassen — was den mit großem Aufwand auf Hochglanz polierten Werbespots gar nicht gut tut. Dass RTL an 4:3 kleben bleibt, liegt wohl eher daran, dass man erst mit dem Umzug in die Kölner Rheinhallen auch im Technikbereich Änderungen vollziehen will. RTL wird wohl die rote Formatlaterne noch eine ganze Weile tragen.

Manche Dinge ändern sich — wenn überhaupt — eben nur langsam. Sehr langsam.

Sie werden sehen.