Branche: 10.10.2017

Neues vom IRT-Lizenz-Skandal

Dem IRT sollen durch entgangene Lizenzeinnahmen insgesamt rund 200 Millionen Euro Schaden entstanden sein. Wer daran Schuld ist, scheint unklarer, als bisher von den Betroffenen dargestellt.

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Das Institut für Rundfunktechnik (IRT) ist eine renommierte Einrichtung, auf deren Verwaltung und Führung nun möglicherweise ein Schatten fällt.

Aus der Verwertung von Patenten, die im Zusammenhang mit dem MPEG-Verfahren stehen, hätte das Institut für Rundfunktechnik (IRT) in den vergangenen Jahren wesentlich höhere Einnahmen erhalten müssen, als tatsächlich bei dem Institut eingingen (Bericht). So viel scheint sicher zu sein.

Wer aber am IRT-Lizenz-Skandal Schuld ist, darüber gehen die Meinungen offenbar auseinander.

BR und IRT sehen Patentanwalt als Hauptschuldigen im IRT-Lizenz-Skandal

Das Institut für Rundfunktechnik ist eine rechtlich selbständige Gemeinschaftseinrichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Insgesamt gibt es 14 Gesellschafter, die größten sind ARD und ZDF.

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Das IRT ist auf dem Gelände des BR im Münchener Ortsteil Freimann angesiedelt.

Das IRT ist auf dem Gelände des Bayerischen Rundfunks (BR) im Münchener Ortsteil Freimann angesiedelt. Auch verwaltungstechnisch bestehen enge Beziehungen zwischen dem IRT und dem BR. Deshalb kümmert sich nun von Seiten der ARD der BR um diesen Fall.

Als Schuldigen sehen das IRT und der BR dabei einen Patentanwalt und früheren IRT-Mitarbeiter. So schreibt der BR in einer Pressemitteilung (voller Wortlaut hier): »Der Beschuldigte genoss hohes Vertrauen am IRT, nutzte seine Tätigkeit jedoch mutmaßlich dafür aus, um sich auf Kosten des Instituts zu bereichern.«

Der BR hat, wie er selbst in einer Pressemitteilung erläutert, nach Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten – angezeigt durch das IRT – reagiert und straf- und zivilrechtliche Schritte eingeleitet.

Patentanwalt aus U-Haft entlassen, IRT-Verantwortliche in der Kritik

Tatsächlich wurde der Patentanwalt in Untersuchungshaft genommen und saß rund vier Monate ein. Die Justiz überprüfte aber vor kurzem, ob diese U-Haft weiterhin berechtigt sei und kam zu einer anderen Auffassung: der Patentanwalt wurde aus der U-Haft entlassen.

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Wieso kam viel zu wenig vom Lizenzgeld in der Kasse des IRT an?

Die Gründe dafür haben es in sich und könnten durchaus noch eine gewisse Brisanz entfalten: Die Entscheidung fiel nach der Auswertung vorliegender Unterlagen durch die mit der Haftprüfung befassten Richter. Die führte nach Angaben verschiedener Medien bei den Richtern zu der Auffassung, dass IRT-Verantwortliche schon sehr viel früher als zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung, zumindest im Bilde waren — oder hätten sein müssen —, dass viel zu wenig von den Einnahmen aus den Patenten beim Institut ankommt.

Das hatte laut früheren Recherchen der Süddeutschen Zeitung auch der Patentanwalt schon ausgesagt (Infos).

Das IRT soll in früheren Jahren auch wiederholt Hinweise auf hohe MPEG-Einnahmen vom Rechteverwerter Sisvel erhalten, aber nichts unternommen haben, um mehr davon abzubekommen. Sollte das stimmen, gab es zumindest massive Versäumnisse — im Institut selbst, aber auch in der Aufsicht und Überwachung des Instituts.

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Die Vorwürfe gegenüber dem Patentanwalt werden aufrecht erhalten.

Die mit der Prüfung der U-Haft befassten Richter sahen zumindest große Versäumnisse auf Seite von aktuellem und früherem Führungspersonal des IRT. Zudem ist von Widersprüchen in den Angaben von IRT-Mitarbeitern die Rede.

Am IRT gab es also nach Ansicht der Richter und nach Angaben des Patentanwalts Personen, die Bescheid wussten, aber nichts unternahmen. Weshalb? Weil sie von dem bestehenden System in irgendeiner Weise profitierten? Aus Trägheit? Aus Unfähigkeit? Aus Angst in etwas hineingezogen zu werden, was man dann nicht mehr kontrollieren kann?

Vielleicht haben auch die Gesellschafter ihre Kontrollfunktionen nicht gut genug ausgeübt? Und sollte der Patentanwalt letztlich zum alleinigen Sündenbock gemacht werden, auch für Versäumnisse anderer?

Die Diskrepanz zwischen Soll und Ist jedenfalls ist riesig: Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung kamen 13,75 Millionen Euro in der Kasse des IRT an, es hätten aber mehr als 200 Millionen sein müssen. Ein Teil der Differenz wurde in einer GmbH geparkt, deren Geschäftsführerin die Ehefrau des Patentanwalts ist. Ein vollkommenes Unschuldslamm scheint der Patentanwalt also auch nicht zu sein.

Ermittlungen laufen weiter

IRT und BR bleiben jedenfalls dabei: Die Vorwürfe gegenüber dem Patentanwalt werden aufrecht erhalten.

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Die interne und juristische Aufarbeitung des IRT-Lizenz-Skandals ist keineswegs zu Ende.

Auch die Justiz bleibt am Ball: Das Ermittlungsverfahren läuft auch nach der Entlassung des Patentanwalts aus der U-Haft weiter.

Die Gesellschafter des IRT, also die öffentlich-rechtlichen Broadcaster, haben nach eigenen Angaben schon im Mai 2017 eine »Taskforce IRT« eingesetzt. Diese soll den Fall intern klären und aufarbeiten, was aber wegen der langen Zeiträume und der großen Zahl von Unterlagen, die betroffen sind und die es zu sichten und auszuwerten gilt, wohl noch dauern wird.

Die interne und die juristische Aufarbeitung des IRT-Lizenz-Skandals sind also keineswegs zu Ende — fraglicher als bisher scheint derzeit aber, wer in deren Zentrum stehen muss.