Branche: 04.12.2019

Potsdam ist »Creative City of Film« der Unesco

Potsdam ist jetzt eine von weltweit 246 Städten, die den Unesco-Titel »Creative City« führen dürfen. Damit stellt sich Brandenburgs Landeshauptstadt quasi unter internationale Beobachtung. Während man den Eintrag in der Unesco-Welterbeliste den historischen Schlössern und Gärten verdankt, schaut das Kreativstädte-Programm mit Potsdam im Filmbereich nach vorne.

Die Unesco vernetzt 246 Creative Cities.

Natürlich könnte Potsdam allein schon mit seinem Film- und Medienortsteil Babelsberg punkten, ginge es nur darum, sich quasi mit dem Bestand international stärker ins Gespräch zu bringen. Die Unesco will aber mehr: Die Kreativstädte sollen nachhaltige Aktivitäten auf vielen Gebieten durch ihre Kompetenzen anregen und sich miteinander vernetzen. »Die Unesco-Creative Cities verpflichten sich bei Aufnahme in das Netzwerk, ihr kreatives Potenzial nicht nur für die kulturelle, sondern auch für die sozio-ökonomische Entwicklung in den Städten einzusetzen und sich gegenseitig zu fördern.« Dafür hat die UNO 17 Ziele formuliert.

Erst vier Wochen nach der Bekanntgabe durch die Unesco am 30. Oktober könne man »nicht mehr als ein paar Sachen lostreten«, hieß es bei einer ersten Präsentation in der Filmuniversität Babelsberg »Konrad Wolf« Ende November. Understatement? Einen ersten Eindruck dessen gab es bereits. Das beginnt mit der bestehenden Zusammenarbeit mit der irischen »Creative City of Film« Galway.

Projekte nicht nur um Bildungsbereich

Constanze Beyer verwies auf die Partnerschule des privaten Filmgymnasiums Potsdam in der Film-Schwesterstadt Wellington (Neuseeland) und stellte zwei Projekte vor. Eine der Schülerarbeiten »Meine Stadt in 100 Minuten« aus den 18 Unesco-Filmstädten könnte in Potsdam montiert werden. Die zweite Idee zielt auf das Erlebbarmachen lokaler Filmgeschichte; Schüler sollen ihre Großeltern anregen, vor der Kamera über ihr Erleben mit und ihre Beziehung zu Film und Kino Auskunft zu geben. Für beide Projekte werden Technikpartner gesucht.

Aus dem Bildungsbereich kommen weitere Ideen. So besucht die Ökofilmtour von Januar bis April bis zu 70 Orte in Brandenburg – und dort auch Schulen und Kindergärten –, um mit einer aktuellen Filmauswahl das Engagement für Umwelt-Themen zu fördern.

Filmbaustelle Babelsberg: Das Fundus-Gebäude ist bereits im Bau – ein 10 Mio. Euro-Projekt.

Matthias Voß, Co-Geschäftsführer des Filmparks Babelsberg, informierte über umfangreiche Neubaupläne. Für den zu seiner Firmengruppe gehörende Kostümfundus Babelsberg, ein Defa-Erbe mit 500.000 Stücken, ist ein neues Gebäude mit rund 5.000 Quadratmetern Nutzfläche im Bau. Werkstätten, Arbeitsräume für Kostümbildner und Büros sind dort ebenso vorgesehen wie Lagerflächen für die benachbarte Eventlocation Metropolis Halle.

Gegenüber der Filmuni entsteht ab 2020 das Depothaus für das Filmmuseum (braun markiert). Wo längs der Marlene-Dietrich-Straße Wohngebäude und ein See geplant sind, steht heute u.a. eine Lummerland-Außendeko der Babelsberg-Koproduktion »Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer«.

Zwischen der Filmuni und dem ehemaligen Defa-Kopierwerk werden die Bauarbeiter ab dem kommenden Jahr ein Depot für das Filmmuseum Potsdam errichten. Die insgesamt über 8.000 Quadratmeter Fläche ersetzen nicht nur das bisherige Lager-Provisorium des Museums, das seit 2011 ein Institut der Filmuni ist. Vorgesehen ist u.a., Objekte der umfangreichen Filmtechnik-Sammlung erstmals öffentlich dauerhaft zu zeigen, kündigte Prof. Dr. Chris Wahl, Leiter des Bereiches Audiovisuelles Kulturerbe an der Filmuni, an.

Filmorte entdecken – Heimatforschung und Tourismus

Das Medienboard will Brandenburger Städte in Sachen Filmtourismus unterstützen. U.a. wird die Website »Reiseland Brandenburg« demnächst umgestaltet, um die Hinweise auf Film-Schauplätze besser herauszuheben und mit Zusatzinformationen zu untersetzen. Bekanntester Filmort im Bundesland ist sicherlich, neben Studio Babelsberg, die Glienicker Brücke zwischen Potsdam und Berlin. Kaum bekannt ist das vom Medienboard ausdrücklich genannte Eisenhüttenstadt – jüngst ein zentraler Schauplatz (und Premierenort) des Kinofilms »Und der Zukunft zugewandt«.

An der Aufgabe, Potsdam als historischen und gegenwärtigen Filmort sichtbarer zu machen, beteiligt sich die Filmuni als einer der Partner bei der Unesco-Bewerbung. Anna Luise Kiss leitet dort den Bereich Forschung & Transfer. Sie bringt natürlich das studentisch organisierte Filmfestival Sehsüchte ins Gespräch, schlägt einen Filmbus als rollendes Werbemittel und einen »Walk of Fame« vor. Bereits angelaufen ist ein Projekt, für das Potsdamer »Bürgerwissenschaftler« u.a. dokumentieren, wo und wie in ihrer Stadt Film sichtbar wird. Daraus könnte schon bis zum kommenden April das Konzept eines Stadtrundgangs entstehen.

Filmuniversität soll CO2-neutral produzieren

Grüner Drehpass für »Psykhe«. Andere nachhaltige Studentenproduktionen aus Potsdam.

Victor Schwarz, Masterstudent im Fach Produktion an der Filmuniversität, stellte die studentische »Initiative Grün« vor, deren Konzept der Studentenvertretung vorliegt. Aus ohnehin erhobenen Daten gewonnen, soll künftig zu jedem Dreh eine CO2-Bilanz erstellt werden. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Studierenden zur Nachhaltigkeit könnte die Uni mit einer kleinen Budgeterhöhung für nachhaltig produzierte Abschlussfilme flankieren. Die Finanzierung könnte über einen zweckgebundenen Aufschlag auf die Studiengebühr in Höhe von »einem oder zwei Kaffees pro Semester« gestützt werden. Flankiert werde das mit einem Green Guide als Anleitung für die Studenten. Schwarz hat selbst schon mal vorgearbeitet: Sein Kurzspielfilm »Psykhe« wurde als erster CO2-neutraler deutscher Studentenfilm mit dem Grünen Drehpass der Filmförderung HSH zertifiziert.

246 Creative Cities, 17 Filmstädte

Die Bewerbung hatten die Stadt Potsdam, die Filmuni, der Filmpark und das Medienboard gemeinsam vorbereitet. Das Büro wird in der Filmuni eingerichtet. Die Unesco erwartet eine Evaluierung im Vierjahresturnus samt Ausblick auf die nächste Vierjahres-Periode.

 Sechs deutsche Städte sind Mitglieder im UNESCO-Netzwerk.
Sechs deutsche Städte sind Mitglieder im Unesco-Netzwerk.

Potsdam ist eine von 66 Ende Oktober bekannt gegebenen neuen Unesco Kreativstädten. Nachdem jetzt auch Mumbai, Valladolid und Wellington als Cities of Film Teil des Netzwerkes sind, gibt es weltweit 17 Unesco Creative Cities of Film. Heidelberg (Literatur), Berlin (Design), Hannover und Mannheim (beide: Musik) und jetzt auch Karlsruhe (Media Arts) sind die anderen deutschen Teilnehmer am 2004 gegründeten Nachhaltigkeits-Netzwerk für Städte mit besonderer Beziehung zu Film, Musik, Design, Gastronomie, Medienkunst, Handwerk oder Literatur.

Mehr über die Creative Cities der Unesco und die Potsdamer Aktivitäten. Presseinfos der Stadt Potsdam und der deutschen Unesco-Kommission.