Report, Top-Story: 08.04.2005

Zeitreise mit Smoke

Jelly Television mit Sitz in Bristol produzierte mit Smoke on Linux Material für die BBC-Serie »Time Machine«.

Bristol ist nicht gerade ein Ort, an dem man eine große Film- und TV-Industrie erwarten würde. Doch in der Stadt im Südwesten Englands befinden sich nicht nur berühmte Animationsstudios, in denen unter anderem die Trickfiguren »Wallace und Gromit« zuhause sind, sondern auch etliche TV-Produktionsfirmen. Eine davon ist Jelly Television.
Dieses Unternehmen produzierte Effekt-Sequenzen für die erfolgreiche BBC-Serie »Time Machine«, die im vergangenen Jahr ausgestrahlt wurde. Die Serie beleuchtet die Entwicklung der Erde aus geologischer Sicht und zeigt, wie fragil dieses System ist. Dies wurde durch komplexe Szenen veranschaulicht, die Jahrtausende von Naturgeschichte im Schnellvorlauf darstellen, um die unterschiedlichen Kräfte aufzuzeigen, die hier am Werk sind.
Die Serie arbeitet in hohem Maße mit Effekten, und die Komplexität der Szenen erforderte naturgemäß einen intensiveren Bearbeitungsprozess. Das beste Beispiel dafür ist die Eröffnungssequenz. Darin verändert sich der Blickwinkel auf einen sich drehenden Globus, eine Kamerafahrt führt nach unten durch die Wolken – bis man schließlich am Ende der Zoomfahrt auf einem Dachziegel landet. In der Titelsequenz wirkt diese Passage wie eine enizige, fortlaufende Zoomfahrt aus einem Guss. In Wahrheit wurde sie mit Material aus unzähligen Quellen aufgebaut: Aus 3D-Modellen, Nasa-Aufnahmen und Luftbildern bis hin zum digitalen Foto eines Dachziegels. Mit dem Postproduction-Systems Smoke von Autodesk wurde das Materials nahtlos zu einer einzige Sequenz kombiniert in die Jelly einen kleinen Insider-Gag einbaute: das Gebäude auf dessen Dach die Zoomfahrt endet, ist Jellys Firmengebäude.

Compositing
Auch bei anderen Szenen war es nötig, mit Filmmaterial aus verschiedenen Quellen zu arbeiten – letztlich ware, wie üblich, finanzielle und zeitliche Überlegungen ausschlaggebend dafür, wie die einzelnen Aufnahmen produziert werden sollten.
Bei der Time-Machine-Sequenz wird etwa eine Taschenuhr gezeigt, die auf den Boden fällt, wobei das Glas in viele Teile zersplittert. Später erscheint die Uhr noch einmal und wird durchs All gewirbelt. In Wirklichkeit ist die sich drehende Uhr eine animierte 3D-Sequenz, die zerbrechende Uhr jedoch ist echt. »Wir hätten die Sturz-Sequenz auch mit dem Computer produzieren können, doch der Zeitaufwand, das splitternde Glas zu modellieren, besonders mit all den Reflektionen und Brechungen, hätte das nicht gerechtfertigt«, erklärt Jan Golunski, der Kreativdirektor von Jelly. »Der Versuch, es in CG so gut hinzubekommen, wäre sehr kostspielig geworden.«
Die andere Aufnahme wiederum war leichter in 3D um zu setzen, anstatt die Kosten und den Aufwand in Kauf zu nehmen, das Modell zu filmen, während es sich scheinbar schwerelos dreht.
Glücklicherweise kann laut Jelly Filmmaterial aus verschiedenen Quellen mit Smoke relativ einfach kombiniert werden, selbst wenn dieses mit verschiedenen Verfahren produziert wurde und unterschiedliche Auflösung oder Tiefenschärfe aufweist. Jelly setzt auf Smoke in der Linux-Version, weil dieses System preisgünstiger ist und besser in die Infarstuktur des Unternhmens passt.

Effektiver arbeiten
Auf die Frage, wie Smoke die Produktionsweise bei Jelly Television verändert habe, antwortet Jan Golunski: »Wir haben nun deutlich größere Kapazitäten. Für die BBC wickelten wir schon einmal eine Produktion ab – mit 550 Szenen, die per Compositing bearbeitet wurden. Alle Aufnahmen zeigten Schauspieler vor Bluescreen, die mit CG-Hintergründen kombiniert werden mussten. Unsere Geräte waren 24 Stunden täglich im Einsatz, damit wir rechtzeitig fertig wurden. Mit Smoke werden hoffentlich normalere Arbeitszeiten möglich. Durch das Echtzeit-Playback können wir die Sequenzen schneller abarbeiten. Vorher mussten wir Sequenzen im Arbeitsspeicher darstellen, um ein Echtzeit-Playback zu bekommen. Das sofort sichtbare Playback ist eine enorme Verbesserung.«.
Mit Smoke können ganze Sequenzen in Echtzeit und voller Qualität wiedergegeben werden. Man muss also nicht auf gerenderte Versionen warten. Statt dessen greift Smoke direkt auf die Raw-Daten zu und stellt sie auf dem Bildschirm in Echtzeit dar – selbst bei komplexen Composites.
In einer von Deadlines geprägten Branche, in der die Systeme oft an die Grenze ihrer Belastbarkeit ausgereizt werden, zählt jede gesparte Minute doppelt. Ein typischer Auftrag beginnt normalerweise mit einer detaillierten Planung, bei der die Sequenzen und alle Elemente, die darin vorkommen, auf einzelne Teams verteilt werden. Danach beginnen die einzelnen Personen und Abteilungen mit ihrer Arbeit, doch an vielen Sequenzen müssen die Teams eventuell mehr als einmal arbeiten.
Jan Golunski erklärt: »Für ein großes Projekt braucht man einen sehr guten Projektplan: Sequenzen können von 3D ins Compositing gehen und dann wieder zurück zu 3D.«
Bei solchen Projekten werden Ausfallzeiten letztlich als Katastrophe betrachtet. Ein Absturz von Smoke oder einem anderen System würde bedeuten, dass die 3D-Artists ihre Arbeit nicht beenden könnten.
»Wir haben deshalb für all unsere Systeme Wartungs- und Support-Verträge«, führt Jan Golunski aus und ergänzt: »Bei Smoke leisten unsere Zulieferer über eine Remote-Verbindung Support. Das ist wirklich sehr praktisch für uns.«

Zukünftige Projekte
Die deutlich bessere Storage-Lösung und die Möglichkeit, viele Layer von Composites und Effekten in Echtzeit zu rendern, ermöglicht es Jelly Television, nun auch sehr komplexe und umfangreiche Projekte zu realisieren. Hunderte von Sequenzen sind jetzt kein Problem mehr.
Jelly arbeitet derzeit an einem Projekt namens »Jungle«, das für den Sender ITV produziert wird. Die Serie beinhaltet eine Reihe komplexer Spezialeffekte, die das Wachsen von Pflanzen und Ökosystemen über Generationen hinweg zeigt.
»Die Serie enthält viele düstere Szenen in denen man Pflanzen wachsen sieht,« erzählt Jan Golunski. »Es musste alles fotorealistisch aussehen, als ob es mit Zeitraffer aufgenommen worden wäre. Das wäre in der Realität unmöglich, aber genau das versuchen wir, darzustellen: das Verstreichen von 10 oder 20 Jahren in wenigen Sekunden.«
Diese Art von Sequenzsteht für einen immer stärkeren Trend: Die Produzenten wünschen sich vermehrt raffinierte visuelle Effekte für ihre Sendungen, verfügen jedoch nicht über das dafür nötige Hollywood-Budget. Jan Golunski geht jedoch davon aus, dass die Produktionskosten für solch spektakuläre Effekte dank der Leistung von Systemen wie Smoke on Linux sinken könnten – vorausgesetzt Postproduktionshäuser werden wesentlich früher in den Prozess ein bezogen.
»Früher kamen die Kunden oft erst dann zu uns, wenn das Projekt schon weit fortgeschritten war«, erklärt er. »Sie brachten einen ganzen Stapel bereits aufgenommenen Filmmaterials und teilten uns mit, was sie gerne hätten. In diesem Stadium sind unsere Möglichkeiten begrenzt. Wenn sie jedoch bereits vor Beginn der Produktion zu uns kommen, können wir direkt vor Ort Vorschläge machen und ihnen sagen, was wir für unseren Job benötigen. Wir haben wesentlich mehr Möglichkeiten, wenn wir früher einbezogen werden, da wir dann mithelfen können, dass so gedreht wird, dass wir anschließend optimale Ergebnisse erzielen können. Theoretisch können wir für nur unerhebliche Mehrkosten viel bessere Arbeit leisten«, fügt Jan Golunski hinzu. »Das versuchen wir unseren Kunden zu vermitteln, denn oft ist es so: Wenn wir schon zu Beginn kein gutes Material bekommen, dauert das Compositing ungleich länger und das Ergebnis ist nicht so gut.«

Der Linux Effekt
Jan Golunski möchte in möglichst kurzer Zeit die bestmögliche Arbeit abliefern. Letztlich ist es ihm unwichtig, auf welchem Betriebssystem seine Smoke-Installation läuft. Für ihn zählt nur, ein zuverlässiges Tool für seine Anforderungen zu bekommen. Das sieht er bei Smoke on Linux erfüllt. Das System ist um so viel schneller und stabiler als das vorher von Jelly genutzte Equipment, dass Jans Interesse für die Linux-Plattform geweckt wurde. »Unser 3D-Render-System läuft im Moment auf Windows«, sagt er und ergänzt nachdenklich: »Es würde mich interessieren, ob wir eine bessere Performance mit einem Linux-System erzielen würden«

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T_0305_SmokeLinux.pdf