Branche, Broadcast, HDR, Live, Signaltechnik, Top-Story: 25.05.2022

»The Voice Kids« live in PQ inklusive Metadaten

Anlässlich des Finales der Sat1-Show »The Voice Kids« demonstrierte BET mit Partnern das volle Potenzial der Live-Linear-Distribution von HDR mit PQ.

2021 wurden 4,5 Mio. UHD-Fernseher – fast alle unterstützen mindestens einen HDR-Modus.

Der Industrieverband GFU weiß, worum es geht: »HDR-Signale transportieren mehr Details in dunklen und hellen Szenen, was das Bild nochmals knackiger und natürlicher macht. Sonnenuntergänge und Spiegelungen auf dem Wasser wirken so gleißend wie in der Natur. Dunkle Szenen, die normalerweise im Schatten versinken, zeigen noch jedes Detail«, heißt es in einer Verbraucherinformation des Mitveranstalters der Berliner Funkausstellung. Die Unterhaltungselektronik setzt, nach dem Fehlschlag mit der Stereoskopie, jetzt neben »smarten« Empfängern auf HDR: »Drei von vier im Jahr 2021 verkauften Fernsehern (4,5 Mio. Stück) sind Ultra-HD-Geräte, die nahezu alle mindestens ein Verfahren für High Dynamic Range (HDR) unterstützen«, greift die Deutsche TV-Plattform GfK-Marktzahlen auf. De facto  ist es so, dass die Geräte die Transferfunktion HLG und PQ unterstützen müssen — sonst wäre keine Wiedergabe von Video-on-Demand in HDR möglich.

Und auch auf der Produktionsseite ist HDR immer öfter ein Thema: Bei so gut wie jeder neuen Investition wird HDR zumindest als Zukunftsoption eingeplant. In neuen Studios oder Ü-Wagen ist HDR-Funktionalität heute schon verfügbar. Aber wie kommen die HDR-Bilder in bester Qualität zu den Zuschauern?

The Voice Kids, Logo, © Sat.1
Beim Finale gab es auch eine technische Besonderheit: PQ10 inklusive Metadaten-Übertragung an Endgeräte.

Im Live-Bereich gibt es bisher für Zuschauer hauptsächlich bei Sportübertragungen die Gelegenheit, HDR-Bilder zu sehen — dass HDR-Live-Übertragungen auch in anderen Bereichen und mit anderen Inhalten sehr viel Sinn ergeben, braucht es weiterhin Pilotprojekte. Michael Mücher kann hier auf fundierte eigene Erfahrungen aus HDR-Projekten verweisen: Einerseits, weil er schon mit seinem Broadcast-Schulungsunternehmen vielen Mitarbeitern bei Sendern und TV-Dienstleistern die neue Technik nahe gebracht und trainiert hat. Andererseits, weil BET seit 2018 knapp zwei Dutzend HDR-Produktionen für verschiedene Sender und Institutionen mit Rat und Tat unterstützt hat. Seit 2019 betreut er als technischer Supervisor »The Voice Kids«, und zuletzt wurde auch das Finale dieser Sat1-Show in HDR realisiert.

Die Test-Idee

Bei diesem jüngsten Testprojekt ging es für BET darum, gemeinsam mit Dolby und der Unterstützung von Sat.1, Studio Berlin und Grass Valley im Rahmen des Finales der Sendung »The Voice Kids 2022« in Berlin Adlershof die Live-Distribution auf der Basis von PQ zu testen.

BET wollte dabei das Ganze so gestalten, dass möglichst viele unterschiedliche Fernsehgeräte die live in HDR produzierten Signale auch korrekt und möglichst ähnlich wiedergeben können. Dafür bietet das HDR-Verfahren mit PQ eine sehr gute Voraussetzung. Hierbei steht prinzipiell ein Kontrastbereich von bis zu 10.000 cd/m2 zur Verfügung. Neuere Broadcast-Kameras nutzen Kontraste bis zu 5.000 cd/m2, »Hollywood geht beim Grading aber grundsätzlich von 4.000 cd/m2« aus, so BET.

The Voice Kids, © Sat.1/André Kowalski
Das Finale von »The Voice Kids« im Jahr 2022 wurde in PQ10 inklusive HDR-Metadaten verarbeitet. Gewinnerin Georgia mit ihrem Coach-Team Michi Beck und Smudo.

»PQ10 entspricht der ITU-R BT.2100, der Farbauflösung 4:2:0 und nutzt eine 10-Bit-Quantisierung mit H.265 bzw. HEVC«, erläutert Arnd Paulsen von Dolby. Der Testaufbau basierte auf der Möglichkeit, einem UHD-HDR-Kamerabild bei der Ausstrahlung Metadaten mitzugeben — und zwar sowohl für statisches HDR – wie etwa HDR10 – als auch für dynamisches HDR auf Grundlage von Dolby Vision. In der Praxis wurde diese Möglichkeit bisher so gut wie nicht genutzt, beim Finale vom »The Voice Kids« wurde das erste Mal gezeigt, dass dies für alle Fernsehgeräte möglich ist.

PQ wird bislang nur beim Abruf-Streaming, UHD-BluRays und im Kino verwendet. Das lineare Fernsehen setzt zwar auf ähnliche Parameter, jedoch ausschließlich auf Basis von Hybrid Log Gamma (HLG), in Deutschland bisher nicht auf Basis von PQ. Beide Modi sind aber nicht kompatibel. Wollte man beide Wege bedienen, mussten Programme gewandelt werden, was die Produktion verteuert.

Nur noch HDR: Die Broadcast-Kamera LDX-150 von Grass Valley.
Nichts geht ohne Metadaten

Während der Aufzeichnung von »The Voice Kids«, produziert am 6. Mai 2022 auf dem Studiogelände in Berlin-Adlershof, stellte Grass Valley dem Projekt eine LDX-150 Studiokamera zur Verfügung, die auf der Tribüne gegenüber der Spielfläche aufgebaut wurde. Die Kamera ist für eine Leuchtdichte bis zu 5.000 cd/m2 geeignet, liefert also Bilder mit einem extrem hohen Kontrastumfang — in HDR versteht sich. Diese Bilder wurden vor Ort als DVB-Signal in HEVC komprimiert und im UHF-Band (706 MHz, Kanal 50) per Kabel an rund ein Dutzend unterschiedlich ausgestatteter Empfangsgeräte als DVB-Signal geschickt.

Die Metadaten für die maximale und die mittlere Leuchtdichte sowie die Koordinaten des verwendeten Farbraums werden live erzeugt. Diese können von den Fernsehgeräten ausgewertet werden. Damit ist denjenigen Consumer-Geräten — die den Vorgaben der Produktion nicht im vollen Umfang folgen können — möglich, Ihr Fähigkeiten optimal anzupassen. Für HLG werden keine Metadaten übermittelt. HDR10 überträgt statische Metadaten nach SMPTE-2086, die von vielen Consumer-Geräten verarbeitet werden können. HDR10+ und Dolby Vision liefern dynamische Metadaten nach ST 2094-10 (Dolby Vision).

Das Verfahren ist also prinzipiell einfach: Versteht das Empfangsgerät keine Metadaten, passt es das Bild nach eigenen Kriterien an — wie bei HLG10. Beherrscht das Empfangsgerät statische oder dynamische Metadaten, kann es die HDR-Bilder mit den jeweils passenden Metadaten anpassen. Diese Arbeitsweise ist auch mit handelsüblichen Set-Top-Boxen gesichert, wie die Beispiele einer zwischengeschalteten handelsüblichen UHD-Box von Technisat und einer über HDMI mit dem Display verbundenen Streaming-Box für Magenta TV (Telekom) zeigen.

The Voice Kids, Mücher, Paulsen, © Peter Dehn
Michael Mücher (BET) und Arnd Paulsen (Dolby).

Problemloser Empfang mit verschiedenen Fernsehern und Boxen

Der Empfang erwies sich auf allen Geräten, ungeachtet der Ausstattung, als problemlos. Natürlich unterschieden sich die Bilder in Abhängigkeit von der zur Verfügung stehenden Leuchtdichte der Geräte und der verwendeten Metadaten. Subjektiv wirkten die Farben auf einem OLED-Display und einem großen LCD-Schirm besonders brillant und angenehm. Auf beiden Displays widerspiegelte HDR gerade kräftig leuchtende Farben von Kleidung und Bühne und Ausleuchtung. Die unterschiedlichen Leistungen der Displays — vor allem in den Lichtern — hatten zuvor Testbilder verdeutlicht: Sie zeigten, in welchem Maße die Displays bei hohem Videopegel noch Unterschiede wiedergeben können — oder eben nicht.

Deutlich im Vorteil war nicht nur der 31-Zoll-Referenzmonitor OBM-X310 von Postium (1.000 cd/m2), sondern unerwartet auch ein Apple-Notebook: Dort war ein kurzer Film mit gegengeschnittenen Aufnahmen vom »echten« Hamburger Rummel und dem beim Modellbahn-Miniaturwunderland in überraschend strahlenden Farben zu sehen. Vielleicht doch kein Wunder: Sowohl das für die Aufnahmen verwendete iPhone 13 als auch das Display des Notebooks stellen HDR immerhin mit bis zu  1.600 cd/m2 dar.

»Mit Metadaten gebe ich Informationen über das Licht«, kommentiert Michael Mücher den Grundgedanken von HDR. Das ähnele dem Umgang mit dem Ton in Gestalt der Lautheit. Die Zusatzinfo über die Leuchtdichte an die Displays auf der Empfangsseite zu übertragen helfe, leuchtende, gesättigte Farben — wie sie auch im Voice-Kids-Studio produziert wurden — unverfälscht zu zeigen. »50 Jahre blasses Fernsehen sind vorbei«, resümiert Michael Mücher. Die Blende werde einmal an der Kamera eingestellt und nicht verändert. Das gibt, so Michael Mücher, den Lichtleuten neue gestalterische Möglichkeiten und stellt das Licht gleichberechtigt neben das Setdesign.

Das Workflow-Konzept für den Distributionstest mit PQ10 inklusive Metadaten-Übertragung an Endgeräte. Dabei wurde ein PQ Live-Signal des Ü-Wagens über eine DVB-S-Strecke geführt und getestet, wie sich die Empfangs- und Wiedergabemöglichkeiten verschiedener Consumer-Fernsehgeräte verhalten.
Zwischen Billig-Software und Stromfresserei

Der Test zeigte einerseits, dass UHD/HDR-Live-Bilder mittels ST 2094-10 live linear gesendet werden können. Die Displays und die davor liegende software-mäßige Bearbeitung des Bildsignals sind freilich die letzte Instanz für die Bildqualität und können senderseitige Bemühungen konterkarieren — da jedoch PQ im Gegensatz zu HLG ein absolutes System ist, sind die zu erwartenden Abweichungen geringer.

Das Energieeffizienz-Label weist den Stromverbrauch mit und ohne HDR über 1.000 Stunden nach.

HDR muss sich allerdings mit einem Problem auseinandersetzen: UHD/HDR-Displays ab 23 Zoll Bilddiagonale haben einen vergleichsweise hohen Energieverbrauch. Ein kurzer Check der Produktinfos von Grundig, LG und Philips zeigt das beispielhaft: Bei den im März 2021 eingeführten Energieeffizienz-Klassen von A (sehr gut) bis G (sehr schlecht) rangieren die aktuellen UHD/HDR-Fernseher in den Gruppen E, F und G – teils nahe der Grenze dessen, was überhaupt zulässig ist. So gesehen stehen Verbraucher vor der Frage, was sie höher bewerten: Den Stromverbrauch und dessen aktuelle Kostenexplosion oder die Verbesserung der Bildqualität. Hier werden von den Herstellern neue Technologien gefordert.

UHD und HDR in die Haushalte tragen

Hinter den Kulissen sind UHD und HDR beinahe schon Alltag. So verweist Michael Mücher auf das ZDF, das Sendungen inzwischen — im Falle szenischer Produktionen — nur noch in UHD/HDR abnehme — aber, wie alle Sender in Deutschland nicht im Regelbetrieb sendet. Immerhin werden die Formel-1-Rennen, die Bundesliga-Spiele und etliche Shows von RTL, ProSieben und Sat.1 bereits parallel in UHD/HDR produziert und parallel zu HD/SDR ausgestrahlt. Einzig Arte plant unter den öffentlich-rechtlichen Sendern ab 2023 einen Einstieg in die UHD-Bildauflösung, während ARD und ZDF dafür für den Zeitraum bis Ende 2024 keinen Finanzbedarf bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) angemeldet haben.

Einfacher haben es die großen Streamer, in deren Milliarden-Budgets HDR ein Geschäftsmodell ist: Netflix  und Co liefern laut BET PQ-Streams in HDR10 und in Dolby Vision aus. Ersteres steht für alle Fernseher zur Verfügung.

 

Keinen Report mehr verpassen und einfach den Newsletter abonnieren:

 

Anzeigen