Broadcast, Signaltechnik, Top-Story, Trend: 29.06.2005

MXF: Von der Idee zum praktischen Einsatz

MXF hat einen langen Weg hinter sich: Nach einem umfangreichen Standardisierungs-Prozess muss sich das File-Austauschformat nun in der Praxis bewähren. Bruce Devlin von Snell & Wilcox berichtet vom Status Quo beim Umgang mit MXF. (PDF-Download mit zusätzlichen Grafiken am Ende des Beitrags.)

MXF MXF gehört schon seit etlichen Jahren zum festen Themenprogramm jeder Messe: Hersteller und Anwender entwickelten gemeinsam unter dem Dach des Pro-MPEG-Forums ein Format für den Austausch von Video-, Audio- und Metadaten. Dabei wurde immer klarer, dass dieses Format plattform- und kompressionsunabhängig funktionieren sollte.

So ist über die Jahre in einem aufwändigen Standardisierungs-Prozess schließlich MXF entstanden. Die Standardisierung ist nun schon längst abgeschlossen, jetzt geht es darum, MXF in der Praxis zu etablieren und einzusetzen. Und das macht MXF aktueller denn je.

Was ist MXF?
Im Grunde deckt MXF einen Teil dessen ab, was das Advanced Authoring Format (AAF) anstrebt. MXF wurde in erster Linie als universelles Austauschformat für Multimedia-Inhalte (rich media content) entwickelt, wogegen AAF vorwiegend für die umfassende Bearbeitung von Projekten in der Postproduktion konzipiert ist. Unterm Strich haben beide aber im wesentlichen die gleiche Struktur.

Der Übergang von bandbasierten Streaming-Systemen hin zu bandlosen IT-basierten Systemen hat weltweit begonnen. Tausende Stunden an Audio- und Videomaterial werden tagtäglich auf Servern gespeichert. Diese Dateien werden von Asset- und Storage-Management-Systemen indiziert, beschrieben, getrackt und archiviert. Der Zugriff auf diese Dateien wird sowohl elektronisch wie auch physikalisch kontrolliert.

Dabei haben Verwaltung und Beschreibung des Materials eine besondere Bedeutung, denn in einer file-basierten Welt ist der Content nicht mehr greifbar, er existiert nicht mehr auf einem Träger. Der Content ist eines von vielleicht zehntausend Files auf einem Server.

Jeder Computerbenutzer weiß, dass 10.000 oder mehr Dateien auf einer Festplatte eine rigorose Organisation und Verwaltung erfordern, wenn man die Files bei Bedarf schnell wieder finden will. Und genau darin liegt auch eine der Schlüsseleigenschaften von MXF.

MXF wurde als Austauschformat konzipiert, das Video-, Audio- und Daten-Inhalte als Nutzdaten (Essence) transportieren kann. Weiter enthält MXF Zusatzinformationen über diese Nutzdaten. Diese »Daten über die Daten« werden Metadaten genannt. Zu jeder Essence gibt es bei MXF auch Metadaten. Diese Metadaten wiederum können mit den Metadaten einer Datenbank verknüpft werden, was die Verwaltung und Organisation erleichtert. Über die Metadaten identifizieren sich MXF sozusagen selbst, man muss nicht unbedingt die Essence decodieren, um zumindest in etwa zu wissen, was im jeweiligen MXF-File enthalten ist.

MXF ist dabei ein allgemeines, von Kompressionsart, Bildgröße, Frame-Rate und Anzahl der Audiokanäle unabhängiges Wrapping-Format: eine für MXF-fähige Systeme »allgemeinverständliche« Hülle für Nutzdaten unterschiedlichster Art. Was letztlich als Essence in dem jeweiligen File steckt, ist für MXF unerheblich. Und wie man diese Daten abspielen, archivieren, konvertieren oder bearbeiten kann, das muss der Anwender mit seinen individuellen Geräten selbst festlegen, optimieren und anpassen.

MXF ist ein Container: genormt, mit einer klaren Aufgabe und einheitlichen äußeren Elementen versehen. Was man reinfüllt, wie und wo man den Container lagert, transportiert und seinen Inhalt behandelt, ist dagegen dem Benutzer überlassen.

Was ist AAF?
AAF steht für »Advanced Authoring Format«. AAF weist zusätzlich zu allen MXF-Features weitere Funktionen auf, die für Editing und weitere Bearbeitungsschritte in der Postproduktion benötigt werden. MXF ist auf die Archivierung und den Austausch von Content ausgerichtet, wogegen AAF für die komplexe Bearbeitung und Weitergabe eines Projekts in der Postproduktion ausgelegt ist. Die Datenstrukturen von MXF und AAF wurden so konzipiert, dass sie identisch sind.

Bedeutung von Standards
Warum ist ein allgemeines Format, ein Standard so wichtig? Im wesentlichen sind MXF und AAF File-Formate, die die Präsentation von medialen Inhalten (Bild und Ton) anhand einer Timeline beschreiben und steuern. Das ist eine komplexe Aufgabe. Der Autor war in einige Entwicklungen von timeline-basierten Systemen involviert, die alle mit einem einfachen Systemdesign begonnen hatten, aber schlussendlich doch sehr komplex wurden und letztlich das beinhalteten, was MXF und AAF entspricht.

Ein File-Standard für unsere Industrie bedeutet, dass jede Software- oder Hardware-Applikation, die diesen Standard nutzt, in der Lage ist, die Brücke zu anderen Systemen zu schlagen. Interoperabilität ist hierfür das Schlagwort.

Digitalisierung eines Files mit einer Ingest-Lösung von Hersteller A, Kommentierung und Qualitätssicherung mit Produkten von Hersteller B, Editieren auf der Plattform C, Erzeugen von Effekten und Grafiken auf Plattform D, Audio-Bearbeitung auf Plattform E, Anpassen auf Plattform F und Abspielen von Server G und H – all dies wird (erst) mit einem allgemeinen Austausch-format möglich.

MXF und AAF sind gewissermaßen die BNC-Stecker für die file-basierte Welt und sie werden von allen namhaften Herstellern dieser Industrie unterstützt.

Doch was muss man als Nutzer tun, um mit dem offenen MXF-Standard arbeiten zu können?

Der MXF Standard
MXF wurde von der SMPTE standardisiert und in einer Reihe von Dokumenten beschrieben, die auf SMPTE 377M basieren (Eine Liste der zugehörigen Standards und Dokumente für MXF ist in der PDF-Version dieses Artikels als Grafik enthalten. PDF-Download am Ende des Online-Beitrags.) Erhältlich ist dieser Standard im SMPTE Online Store. Wer an einer Mitarbeit bei der SMPTE interessiert ist oder Dokumente der »Work in Progress«-Kategorie einsehen möchte, muss einem der SMPTE-Engineering Commitees beitreten und eine Teilnahmeerklärung (»Statement of Participation«) einreichen.

Der MXF-Standard ist in einer typischen »Standardsprache« geschrieben und daher ziemlich schwierig zu lesen. Die beiden Engineering Guidelines EG41 und EG42 bieten jedoch eine gute Einführung in das Thema, zusammen mit verschiedenen bei NAB-, IBC- und EBU-Konferenzen präsentierten Veröffentlichungen, sowie einem Buch von Focal Press.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das MXF-Format standardisiert und stabil. Wie bei jedem Projekt dieser Größenordnung wurden und werden kleinere Fehler in der Spezifikation gefunden und auch fortlaufend berichtigt. Viele Broadcaster und auch Produktionshäuser entscheiden sich weltweit für das MXF-Format, und die fortwährenden Verbesserungen des Standards werden MXF zum File-Format der Wahl machen – gerade auch bei neuen Projekten.

MXF-Einsatz in einer Facility
Die Produktion von multimedialen Inhalten, ob für Film, Fernsehen, DVD-, Internet- oder für mobile Telefonie, wird mehr und mehr industrialisiert. Das Traumziel »einmal produzieren, vielfach verwerten«, wird mit der Zeit für immer mehr Firmen die Norm werden.
Während derzeit noch die Workflows erarbeitet werden, um Material für eine bestimmte Anwendung wieder zu verwenden, benennen die Anwender schon weitere Wünsche:
• Automatisierung von Prozessen, die ohne Personal funktionieren
• Prozess-Tracking für effiziente und kosteneffektive Automatisierung
• Genaue Beschreibung des Inhalts
• Verwaltung des Contents während seines Lebenszyklus‘ als Asset
• Schaffung von flexiblen »Best-of-Breed«-Systemen unter Einbeziehung von Equipment vieler Hersteller
• Interoperation von Standard-Ausrüstung ohne teure, kundenspezifische Software zur Integration.

Die Verwendung von MXF als Basis-File-Format in einer Facility hilft, viele der genannten Wünsche und Ziele zu erreichen, weil MXF von Grund auf dafür entwickelt wurde.
Haben Sie jemals eine Datei auf ihrem PC verloren, etwa nach einem Betriebssystemfehler? Mal angenommen, diese Situation würde in einer MXF-basierten Facility eintreten, dann könnte diese ihren Datenbestand sehr viel schneller wieder herstellen und online verfügbar machen, als dies bei anderen Lösungen der Fall wäre.

Die Frage »Wo soll ich MXF in meiner Facility einsetzen?«, lässt sich also spontan am einfachsten mit »überall« beantworten. Doch in der Praxis ist es klug, sich die verschiedenen Anforderungen der unterschiedlichen Funktionsbereiche anzusehen. Als Basis dafür soll hier die Abbildung oben dienen, die den üblichen Workflow einer Fernsehanstalt zeigt.

Innerhalb des Verarbeitungsprozesses unterliegen einige Bereiche speziellen Anforderungen, etwa was die Zahl der verwendeten Komprimierungsformate betrifft oder die Zahl von Formatwandlungen des Materials. Aber einige Bereiche lassen noch Raum für Variabilität – ob etwa Video und Audio im selben File zusammengefasst oder getrennt werden, ob Material von einem zum anderen Ort kopiert oder über eine Kennung referenziert werden soll. Genau dieser Grad an Flexibilität wirft die Frage auf: »Wie nutze ich MXF?«

Gemeinsames File oder Gruppe von Files?
Diese Frage mag ziemlich trivial klingen, aber die richtige Antwort darauf hängt sehr oft von der jeweiligen Facility ab. Eine Facility, die Ingest für fertige, präsentationsbereite Filme anbietet, mag sich dafür entscheiden, ein einziges File des Assets zu führen, um sicher zu gehen, dass die gesamte Einheit als untrennbares Stück gehandhabt wird, falls das File verschoben, kopiert oder gelöscht wird.

Ein anderes Beispiel ist eine Facility mit Radio- und TV-Beiträgen. Möglicherweise wird hier das Material beim Ingest als Gruppe kleiner Files angelegt. Somit könnten Rundfunk-Journalisten auf den Toninhalt des Beitrags unabhängig vom Videomaterial zugreifen.

Es könnte auch der Fall sein, dass Material als Band angeliefert wird, der Inhalt auf dem Band jedoch in individuelle Clips mit ähnlichem Inhalt aufgeteilt werden soll. (Eine Grafik, die diesen Sachverhalt genauer erläutert, ist in der PDF-Version dieses Artikels enthalten. Download am Ende des Online-Beitrags.)

Die Menge der Fragen, die behandelt werden müssen, um die Arbeitsprozesse einer Facility gänzlich in Hinblick auf MXF zu spezifizieren, ist ähnlich der Menge an Fragen, die bei der ursprünglichen Planung der Facility behandelt werden mussten. Das sollte nicht überraschen, denn MXF wurde konzipiert, um allen Aspekten des Daten-Austausches über den gesamten Lebenszyklus eines Contents in einer Facility gerecht zu werden. (Eine Checkliste, die einen ersten Überlick der FRagen/Themenfelder gibt, ist in der PDF-Version dieses Artikels enthalten. Download am Ende des Online-Beitrags.)

Interoperabilität von MXF in der Praxis
MXF wurde in vergangenen 12 bis 24 Monaten in den Markt eingeführt. Die Kooperation zwischen den verschiedenen Herstellern, die MXF unterstützen, war sehr gut. Inzwischen sind viele Systeme in Betrieb. Innerhalb der SMPTE gibt es eine MXF-Implementierungsgruppe, die sich um die so genannten »Grenzfälle« im Hinblick auf MXF-Interoperabilität kümmert und die Spezifikation wie auch Implementierungen dahingehend überprüft, ob Änderungen an den Dokumenten erforderlich sind. Ein Großteil dieser Diskussion wird via Internet geführt und kann so von Mitgliedern der MXF-Implementierungsgruppe verfolgt werden. Kostenlose Implementierungen sind ebenfalls über das Internet verfügbar.

Innerhalb einer Facility ist Interoperabilität ein fortlaufender Prozess, der gemanagt werden muss. In der nebenstehenden Tabelle ist eine Liste von Punkten aufgeführt, die bei der Planung einer Facility berücksichtigt werden müssen. Ob man sich nun für eine strikte oder flexible Umsetzung jedes einzelnen Punktes entscheidet, wird wohl auch immer ein Kompromiss zwischen operationaler Effizienz und Betriebskosten sein.

So wird sich beispielsweise ein Nachrichtenstudio möglicherweise dafür entscheiden, intern MXF mit MPEG-codierten Essenzen zu nutzen. Der Ingest-Bereich dieser Facility wird jedoch flexibler sein und mehr Komprimierungsvarianten für mögliche Nachrichtenbeiträge zulassen müssen – insbesondere Consumer-Formate. Gleichermaßen wird eine Spielfilm-Produktion möglicherweise nur einsprachige Produktionen erstellen, wogegen sich der Vertriebsarm eben dieser Gesellschaft mit mehrsprachigen Synchronisationen und Untertiteln befassen muss.

Eine gut durchdachte Spezifikation, die die jeweiligen Beschränkungen und die Flexibilität in den verschiedenen Bereichen der Facility detailliert aufführt, wird jedoch das Maximum an möglicher Interoperabilität gewährleisten.

Interoperabilität von AAF
Es gibt sehr viele Entwickler, die sich darum bemühen, dass keine funktionalen Divergenzen zwischen AAF und MXF entstehen. Dies bedeutet, dass die beiden Formate exakt dieselben Konzepte für Zeit, Video, Audio, Metadaten und andere Strukturen aufweisen. Das Hauptziel besteht darin, dass AAF-Projekte den MXF-Content so lesen und schreiben können, dass dabei keine Metadaten versehentlich verloren gehen.

Umgekehrt können MXF-Applikationen AAF-Files lesen, die als MXF gespeichert wurden. Sie sollten die Essenzen und alle Metadaten lesen können, die es innerhalb der MXF-Spezifikation gibt. Beide Formate können »Private-User«-Metadaten ohne Verlust transportieren und austauschen.

Die Fortschritte bei der Implementierung von MXF und AAF fasst ein kürzlich erschienener Bericht von Trendwatch zusammen. Demnach nutzen derzeit 18% aller US-Studios AAF für den Projektaustausch und 10% setzen MXF als Austauschformat ein. Die befragten Studios betonten zudem, dass die Nutzung dieser Formate zunehmen werde. Bedenkt man, wie jung diese Formate sind, zeigt sich, dass der Ansatz eines offenen Standards für Content-Austausch die Zukunft darstellt.

Interoperabilität und Business
Interoperabilität mit vielen Herstellern durch offene Standards schafft ein Umfeld, in dem »Best-of-Breed“-Produkte genutzt und vielseitige Workflow-Lösungen, auch unter Einbeziehung von »Off-the-Shelf«-Produkten erzielt werden können. Offene Standards wie MXF und AAF können das Fundament für neue, moderne und bandlose Facilities sein. Sie sind vielseitig genug, um den Anforderungen der Facility während des Aufbaus zu entsprechen, aber auch in der Lage, mit der Zeit zu wachsen, um neue Arbeitsabläufe, neue Metadaten, neue Komprimierungs- und Audioformate und neue Datentypen zu integrieren.

Open-Standard-Lösungen geben der Branche die Chance, auf das wachsende Tempo der Veränderungen in der neuen Multi-Format-Welt, in der wir alle leben, zu reagieren. Werden die Kosten für video-spezifische Speicher mit den Kosten für handelsübliche IT-Speicher verglichen, so kann der Einsatz spezieller Speicher nur in den Fällen, in denen sie erforderlich sind, zu einer klaren Kostenersparnis führen.

Aussagen wie »Kein einzelner Hersteller kontrolliert den Betrieb« und »Ein Einzelfehler darf nicht den gesamten Betrieb blockieren«, forcieren die Forderungen nach offenen Interface-Standards.
Auf der File-Ebene wurden diese Anforderungen beantwortet. Nun, da Essenzen zuverlässig ausgetauscht werden können, steigt auch die Nachfrage nach offenen Standard-Interfaces zwischen datenzentrischen Applikationen und Asset-Management. In den kommenden Jahren wird es noch viel Arbeit und Berichte über die Fortschritte auf diesem Gebiet geben.

Fazit
Es gibt heutzutage eine Vielzahl von Herstellern, die interoperierendes Equipment für MXF und AAF anbieten. Diese Standards sind jedem für die Implementierung zugänglich. Es wird ständig daran gearbeitet, dass diese Standards gut genug geschrieben sind, um sicherzustellen, dass damit entwickelte Systeme auch tatsächlich »Out-of-the-Box« funktionieren.

Um den besten Nutzen aus MXF und AAF zu erzielen, muss aus Sichtweise des Systems sehr sorgfältig überlegt werden, wie die Workflows gestaltet und beschränkt werden. Sobald man diese Fragen beantwortet hat, kann man auch die wichtigste aller Fragen beantworten: »Sind wir bereit für MXF?«

Dieser Beitrag von Bruce Devlin wurde durch Snell & Wilcox zur Verfügung gestellt. Snell & Wilcox bietet für MXF-Interessenten einen weiteren interessanten Service und stellt eine DVD mit Hintergrund-Infos zu MXF zur Verfügung. Hier geht’s zur MXF-DVD-Seite von Snell & Wilcox.

Downloads zum Artikel:

T_0605_MXF.pdf