Editorial, Kamera, Kommentar: 31.10.2016

Virtual und Augmented Reality: Wunsch und Wirklichkeit

Von einer Messe erhoffen sich die Besucher in der Regel neue Erkenntnisse — und möglichst große, bahnbrechende Neuheiten. Letzteres wird natürlich häufig enttäuscht, denn es kann eben einfach nicht jede Messe mit einem absoluten Knallerthema aufwarten — und schon gar nicht bei jeder neuen Ausgabe. Technologien brauchen halt Zeit, um sich zu etablieren, durchzusetzen, in Produkten aufzuscheinen, schließlich ihren Markt zu finden und diesen zu besetzen.

Dennoch scheint derzeit — nicht nur in der Medienbranche — eine mehr oder weniger fieberhafte Suche nach dem nächsten großen Ding Raum zu greifen. Smartere Smartphones? Ja, ganz nett — aber reißt eigentlich keinen mehr vom Hocker und das ganz große Wachstum scheint hier auch schon vorbei zu sein. Explodierenden Akkus und fehlende Kopfhörerbuchsen bei Samsung und Apple, das ist zusätzliches Wassser auf die Mühlen chinesischer Billigmarken, von denen aber wiederum kaum große Innovationen zu erwarten sind.

Was also könnte »The next big Thing« werden? Viele denken dabei an Virtual- und Augmented-Reality-Produkte, auch auf der Analystenseite. Diese Technologien hätten durch Hypes wie das Handy-Spiel Pokemon Go und durch Massenprodukte wie Sonys Playstation VR den Sprung ins Bewusstsein einer großen Gruppe von Endkunden geschafft, damit sei die Grundlage für einen Boom geschaffen, so der Tenor: Wenn der Endkunde im Gaming die neuen Technologien annehme, werde ein neuer Virtual-Reality-Massenmarkt entstehen, der wiederum auch den Profimarkt befruchten könne.

Im Kommen: Augmented Reality.

Wie sieht es aber im klassischen Medienbereich aus? Hier sind es momentan eher die besonderen Events, die für VR/AR-Produktionen in Frage kommen: publikumsträchtige, mit entsprechenden Finanzen ausgestattete Sportproduktionen etwa, prestigeträchtige Veranstaltungen mit möglicherweise historischer Bedeutung, wie die Eröffnung des Gotthard-Tunnels. Hie und da noch eine aufwändige Reportage von einem exponierten Ort. Das ist das eine Ende. Am anderen Ende stehen die Selbstbeweihräucherung in den sozialen Medien, der Panorama-Blick in Immobilien und Fahrzeuge. Ganz klassische professionelle Brot- und Butterproduktionen hingegen, sind noch meilenweit von VR und AR entfernt.

Es reicht also für VR/AR zumindest in der Medienproduktionswelt noch nicht zur Qualifikation als »The next big Thing« — aber vielleicht wird daraus im Lauf der Zeit ja mehr und nachhaltigeres Wachstum, als es Stereo-3D je bieten konnte.

Sie werden sehen.