Unternehmen: 21.04.2004

NAB2004: Interview mit Robert Pascher von Panasonic

Robert Pascher ist Marketing Manager bei Panasonic Broadcast Europe. Im Gespräch mit www.film-tv-video.de beantwortete er Fragen zu Panasonics P2-Strategie.

? Mit P2 hat Panasonic ein revolutionäres Konzept für die Aufnahme von Bild und Ton in der Akquisition vorgestellt. Dieses neue System ändert im Endeffekt fast alle Aspekte der Aufnahmetechnik für die Kunden, aber auch für Panasonic als Hersteller. Ist die Zeit, ist der Markt reif für einen solchen Schritt?
Robert Pascher: Betrachtet man die Marktentwicklung im Medien- und Broadcast-Bereich über die letzten Jahre, so hat sich gezeigt, dass neue Technologien durchaus für Aufschwung sorgen können. Die volle IT-Tauglichkeit von P2 wird in vielen Bereichen zu effizienten und verbesserten Workflows sowie höherer Wirtschaftlichkeit beitragen. Faktoren, die von vielen Anwendern und Kunden bereits seit längerem gefordert werden.
Panasonic sieht weiterhin seine Stärken in der Entwicklung von fertigen Produkten, die für den Broadcast-Markt benötigt werden und konzentriert sich vornehmlich auf sein Kerngeschäft. Die Produktentwicklungen im DV- und DVCPRO/DVCPRO50-Bereich liefern genau das, was Produzenten und Broadcaster benötigen: Kostengünstiges Equipment mit innovativen Leistungsmerkmalen in hervorragender Qualität. Mit der Einführung von P2 zeigen wir klar in Richtung Zukunft, was wiederum Investitionssicherheit für den Kunden bedeutet.
Die Ankündigung von P2 hat in keiner Form das bestehende Business mit bandbasierenden Formaten beeinträchtigt, wie vielleicht viele gedacht haben. Ganz im Gegenteil, zur Zeit ist ein Wachstum speziell im DVCPRO50 Bereich zu verzeichnen.
Panasonic sieht mit P2 einer sehr positiven Marktentwicklung entgegen. Der Zeitpunkt der Markteinführung könnte gar nicht besser sein.

? Verlagert sich nun die Auseinandersetzung der großen Anbieter von der Format- in die File-Ebene?
Robert Pascher: Davon kann keine Rede sein. Ganz im Gegenteil: Mit der Standardisierung von MXF als File-Austauschformat werden viele technologische Probleme gelöst und die Entwicklungen innovativer IT-basierender Lösungen ist möglich. MXF wird ja bereits von vielen Herstellern zur Anwendung gebracht und ist auch mit ein Schlüssel zur herstellerübergreifenden Interoperabilität, was natürlich auch im Interesse des Kunden und Anwenders zu sehen ist.
Die ersten P2 Produkte, wie sie wähend der NAB gezeigt werden, zeichnen bereits im MXF-Format auf.

? Rückwärtskompatibilität war in den vergangenen Jahren ein Argument, mit dem Panasonic immer wieder konfrontiert wurde. Evolutionäre Konzepte, die eine langsame Migration erlauben, scheinen letztlich für viele Kunden das einzig realistisch Machbare zu sein. P2 klingt aber in vielen Aspekten eher nach Revolution und hartem Schnitt, den sich zwar auch auf der Anwenderseite manch einer wünscht, den er aber aus verschiedenen Gründen nicht umsetzen kann. Was tut Panasonic bei P2 unter diesem Aspekt für die Kunden?
Robert Pascher: Mit der Markteinführung von DVCPRO vor etwa acht Jahren wurde ein digitales Bandformat mit einem klaren Migrationsweg für die Zukunft vorgestellt. Das betrifft sowohl die Migration von SD zu HD als auch die Migration in neue Aufzeichnungsmedien und IT-basierende Infrastrukturen. Von Anfang an wurde DVCPRO bereits als »Fileformat« entwickelt. Je nach Infrastruktur und Anwendung konnte DVCPRO in bestehende oder neue Systeme sehr einfach eingebunden werden.
Bei P2 handelt es sich tatsächlich um eine »Revolution« und nicht einfach um ein neues Speichermedium. Mit P2 wird jetzt erstmals IT-Technologie an das Front-End der Produktion und Aufzeichnung gebracht. Daher sprechen wir hier auch von ING, was für »IT News Gathering« steht. Dass hat natürlich sehr viele Vorteile, erfordert andererseits ein Umdenken beim »Workflow« , ist aber in der Summe sehr zu begrüßen. Ein Aufzeichnungsmedium ohne bewegte Teile, war schon immer der Traum der Anwender. Mit der Einführung von nonlinearen und vernetzten Systemen hat dieses Umdenken in der Postproduktion bereits vor einigen Jahren begonnen. Die P2-Karte ist das erste Aufzeichnungsmedium, das ein direktes Bearbeiten auf dem Speichermedium selbst erlaubt, das heißt es sind keine Transfer- oder Einspielvorgänge vor dem Schnitt mehr notwendig.
Die Anbindung an vernetzte Systeme kann auch in sehr einfacher Form durchgeführt werden, der Transfer schneller als in Echtzeit ist hier selbstverständlich. Mit der Vorstellung des P2-Decks ist auch die Anbindung herkömmlicher Band oder disk-basierender Systeme an Netzwerke sehr einfach möglich. Das P2-Deck fungiert hier sehr einfach als Video-zu-IT-Brücke, man muss nicht auf digitale VTRs zurückgreifen, um analoge Medien in ein Netzwerk zu bekommen.
Panasonic hat bereits in der Entwicklungsphase von P2 die Kunden sehr eng einbezogen, um die Aspekte der Anwendung und Arbeitsabläufe im Detail zu kennen. Unter den Entwicklungspartnern finden sich führende Broadcaster und News-Networks. Die Nähe zum Kunden steht auch hier an oberster Stelle.

? Mit welchen Preisen für Geräte und besonders für Speichermedien ist zur Markteinführung zu rechnen, die ja nach der NAB2004 beginnen soll?
Robert Pascher: Panasonic wird zur NAB2004 das erste P2-Produkt-Line-Up vorstellen. Es besteht aus AJ-SPX800E P2-Cam, AJ-SPD850E P2-Deck, AJ-PCD10E P2-Drive und AJ-P2C002SG/4SG P2-Card mit 2 und 4GB.
Ein P2-Cam System mit einer Aufnahmekapazität von 80 Minuten DVCPRO, also mit fünf P2-Karten bestückt, wird preislich im Bereich eines heutigen DVCPRO50 Camcorders liegen.

? Speziell der Preis für die Speichermedien ist sehr hoch, etwa im Vergleich zu Band, aber auch zur Scheibe. Wie löst Panasonic dieses Problem?
Robert Pascher: Man muss die Gesamtbetrachtung des Systems in den Vordergrund stellen. P2 bietet eine hohe Effizienz in der Verbesserung der Arbeitsabläufe wie auch in der Reduktion der benötigten Aufzeichnungsmedien. Die P2-Karte ist hier nicht als Verbrauchsmedium im herkömmlichen Sinne zu sehen.
Kostenvorteile im Vergleich zu band- oder auch disk-basierenden Systemen sind eindeutig in der Optimierung der Arbeitsabläufe zu sehen, es ist keine zusätzliche Hardware zum Einspielen von Beiträgen notwendig, der Schnitt kann direkt auf der Karte erfolgen. Weiter sind P2-basierende Geräte nahezu komplett wartungsfrei, da sie vollkommen ohne bewegte Teile und ohne Laufwerk auskommen.

? Ganz klar und geradlinig scheint die Entwicklung hin zu P2 bei Panasonic nicht immer gelaufen zu sein. Jahrelang zeigte auch Panasonic bei verschiedenen Gelegenheiten seinen Key-Kunden Ideen und Konzepte für disk-basierte Camcorder. Zudem konnte man noch zur IBC2002 den Eindruck gewinnen, Panasonic ziehe sich im Broadcast-Bereich eher von den IT-basierten Produkten wie etwa Servern zurück. Nun kommt quasi der große Sprung nach vorn. Wann fiel denn intern die Entscheidung für P2?
Robert Pascher: Das ist grundsätzlich richtig. Panasonic ist führend in der Entwicklung und Herstellung von diskbasierenden Systemen wie etwa DVD-R/RAM oder DVD-Video. Da wurde natürlich schon in den Anfängen der Disk-Systeme über mögliche Anwendungen im professionellen Bereich nachgedacht. Lösungsansätze wurden dann auf einigen Messen gezeigt. Es hat sich aber im Lauf der Forschung und Entwicklung gezeigt, dass die optische Disk für die professionelle Anwendung Limitationen mit sich bringt. Das war der Grund für Panasonic, die Strategie grundlegend zu ändern und die Solid-State Speichertechnologie schon jetzt zu realisieren.
Die P2-Karte bietet einen klar definierten Migrationsweg zu künftigen HD-Systemen, volle Kompatibilität zu Standard-IT-Plattformen. Sie nutzt die weit verbreitete SD-Speicherkarte, ist stabil und robust gegen äußere Umwelteinflüsse wie extreme Temperaturen, Erschütterungen und Ahnliches.
Die optische Disk findet sich bei Panasonic speziell im Bereich der Archivierung wieder, aber auch hier gilt, dass Grundvoraussetzungen wie Datentransferrate, Speicherkapazitäten und Kompatibilität zu weitverbreiteten Consumer-Medien gegeben sein müssen. Panasonic setzt hier auf die BluRay-Technologie in Dual-Layer-Struktur.
Die Entscheidung, Solid-State-Technologie auch im professionellen Bereich ein zu setzen, wurde bei Panasonic kurz vor der NAB2003 getroffen.

? Was kommt aus der Sicht von Panasonic hinter P2? Wie werden P2-Kunden also nachbearbeiten und wie archivieren? Macht Panasonic hier konkrete Angebote, oder gehen Sie davon aus, dass hier die Vorstellungen und Wünsche der Kunden stark divergieren und sowieso jeder seine individuelle Lösung realisieren wird?
Robert Pascher: Die Einführung von P2 ist sicherlich die signifikanteste Änderung im Bereich der Akquisition und Bearbeitung seit der Einführung des Videobandes vor rund 35 Jahren. Ähnlich der Verfügbarkeit von Speicherkarten in der Fotografie, die sukzessive den analogen Film ablösen.
Diese strategische Änderung benötigt natürlich Unterstützung von Partnern, sowohl von der Anwender- als auch Hersteller-Seite. Bereits zur NAB und IBC im letzten Jahr hat Panasonic die Entwicklungs- und Allianz-Partner vorgestellt. Die Einbindung dieser Partner in den Entwicklungsprozess von P2 stellt sicher, dass Produkte und Systemlösungen im Sinne der Kunden umgesetzt werden. Das betrifft den einfachen Schnitt wie auch das Arbeiten in vernetzten Strukturen.

? XDCAM von Sony und P2 von Panasonic brechen unterschiedlich stark mit der bisherigen Vorstellungswelt und mit etablierten Arbeitsabläufen.
Bisher reagieren große Teile des Marktes noch sehr zurückhaltend auf beide Technologien. Was tut Panasonic konkret, um die Kunden vom radikaleren Schritt, den P2 erfordert, zu überzeugen?
Robert Pascher: Die Vorteile liegen hier eindeutig in der Gesamtbetrachtung von Arbeitsabläufen, sowie in neuen Möglichkeiten in der Produktion zu sehen. Erstmalig wird IT-Technik an das Front-End der Aufzeichnung gebracht. Neue Anwendungsmerkmale wie zum Beispiel die USB-Schnittstelle an der P2-Cam, direktes Generieren vom Proxy-Video bereits bei der Aufnahme oder W-LAN Anbindung seien hier nur stellvertretend genannt.

? Gerade im News-Geschäft, wo Panasonic das Hauptpotenzial für P2 sieht, sind hektische Situationen an der Tagesordnung. Hier ist meist einfach zu bedienendes Equipment gewünscht. Steht das nicht im Widerspruch zu den neuen zusätzlichen Möglichkeiten der P2 Produktpalette?
Und wollen die meisten Nutzer nicht letztlich doch eine Kassette oder eine Scheibe in den Händen halten und ins Regal stellen, auf der das Material »sicher« gespeichert ist? Was ist andererseits gewonnen, wenn man zwar vor Ort bandlos arbeiten kann, aber später dann ein Backup ziehen muss?
Robert Pascher: Nein, definitiv nicht. Betrachtet man beispielweise die P2-Cam, so sieht sie eigentlich wie ein bandbasierender Camcorder aus, mit den wesentlichen Bedienelementen und Funktionen an den üblichen Stellen. Im Inneren handelt es sich aber um IT-Technologie mit Aufzeichnung auf P2-Karten. Von der reinen Bedienung wird sich für Kameraleute also nicht sehr viel ändern. Neue Features erhöhen aber die Effizienz in der Arbeitsweise wie bereits erwähnt, und das kann man eigentlich nur positiv sehen.
Sollte der Bedarf für eine »private« oder »Back-Up«-Kopie der Inhalte bestehen, so ist das in sehr einfacher Form mit bestehenden Medien wie DVD-R/RAM möglich. Aber auch hier zeigt sich bereits ein Umdenken dabei, wie man Inhalte – und darum handelt es sich ja letztlich – für die Journalisten zugänglich machen kaann, ohne auf ein Verbrauchsmedium zu kopieren.

? Welche anderen Hersteller unterstützen P2? Wie sehen Panasonics Pläne aus, P2 und HD auf einen Nenner zu bringen?
Robert Pascher: Panasonic hatte bereits zur NAB2003 die Strategie angekündigt, Solid-State-Speicher als Aufzeichnungsmedium zu verwenden. Jetzt, nicht einmal 13 Monate später, sind die ersten Geräte während der NAB2004 zu sehen. Die Auslieferung an Kunden beginnt bereits kurz nach der NAB. Von Anfang an hat P2 eine breite Akzeptanz gefunden wie auch die Zustimmung führender Hersteller in der Industrie. So werden Avid, Pinnacle, Quantel und Thomson/Grass Valley ein breites Produkt-Line-Up mit direkter P2-Unterstützung in den Bereichen Nonlinear-Editing und Server vorstellen.
Die Migration von P2 in High Definition ist aufgrund der technologischen Voraussetzungen der P2-Karte sehr einfach. Die hohe Datenrate von bis zu 640 Mbit/s bildet die Basis hierfür und war ein wesentlicher Entwicklungshintergrund.

? Birgt P2 denn nicht auch ein hohes Risiko für Panasonic: Es gibt kein Verbrauchsmaterial mehr und im Vergleich zum Bandlaufwerk kaum noch bewegte Teile, also auch keinen Verschleiß mehr. Diese beiden Bereiche fallen also innerhalb des Businessmodells fast gänzlich weg, Panasonic kann damit praktisch kein Geld mehr verdienen. Letztlich ist zu erwarten, dass auch bei den Speichermedien andere IT-Hersteller mitmischen werden, denn im Grunde hat die P2-Karte ja die Abmessungen einer PCMCIA-Karte. Eine solche Speicherkarte können viele Anbieter herstellen. Rechnet sich P2 also mittelfristig überhaupt für Panasonic?
Robert Pascher: Wie bereits erwähnt, hat sich gezeigt, dass mit der Ankündigung von P2 unser bestehendes Band-Business nicht rückläufig ist, sondern ganz im Gegenteil wächst. Mit ein Grund für den Erfolg von DVCPRO waren ein klarer Migrationsweg, eine klare Zukunftsperspektive und Investitionssicherheit für die Anwender.
Grundsätzlich ist die P2-Karte voll PCMCIA-Type-II kompatibel. Im Inneren dieser Karte kommen vier SD-Speicherkarten zum Einsatz, wie sie vielfach im Consumer- und Medienbereich verwendet werden. Die SD-Speicherkarte, entwickelt von Matsushita, Toshiba und Sandisk bildet also die Basis für die P2-Karte und hat schon jetzt die Marktführung bei Flash-Memory-Cards übernommen.
Mit P2 wird die Migration von DVCPRO in neue, bandlose Medien vollzogen, P2 gehört somit zu dem wesentlichen Bestandteil der Gesamtstrategie von Panasonic. Wir befinden wir uns jetzt in der ersten Gerätegeneration und weitere sind bereits in Planung.