Branche, Top-Story: 29.12.2001

AnimationCampus: Produktionsstandort Deutschland

AnimationCampus nennt sich ein Weiterbildungsprogramm, das von verschiedenen Trägern aus der bayerischen Medienlandschaft gemeinsam veranstaltet wird. Bei einer der Wochenend-Veranstaltungen dieser Reihe diskutierten die Referenten und die teilnehmenden Medienmacher unterschiedliche Aspekte und Ausprägungen der Visual-Effects- und Animations-Szene in Deutschland.

Das Thema »Visual Effects und Animation in Deutschland« versprach einen Querschnitt des Schaffens in diesem Markt. Die Hoffnung, einen Überblick zu erhalten, wurde nicht enttäuscht. Die Referenten der Veranstaltung kamen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, und schon daran zeigt sich, dass der Einsatz von Animationen und Visual Effects mittlerweile längst nicht mehr auf den klassischen Einsatz bei Filmen oder in der Werbung beschränkt ist. So werden im Games-Bereich digitale Tools auf breiter Basis eingesetzt, und auch im Fernsehbereich, insbesondere bei den privaten Fernsehanstalten, spielt diese Technologie eine zunehmend wichtige Rolle. Wie in diesen Bereichen gearbeitet wird, welche Aspekte besonders hervorstechen, was sich in den vergangenen Jahren getan hat – alles Fragen, die in der Veranstaltung zur Sprache kamen.

Markan Karajica von Premiere World zeigte exemplarisch auf, wie wichtig der Einsatz digitaler Tools bei Fernsehstationen mittlerweile ist: Trailer-Produktionen sind aus seiner Sicht im Fernsehbetrieb nicht mehr wegzudenken, gibt doch das On-Air-Design einem Kanal erst die gewünschte »Farbe« und den Wiedererkennungswert. Dass Trailer für einen Action-Kanal entsprechend aufgemacht sein müssen, versteht sich von selbst. Das gilt auch für Formate und Sendungen wie etwa »Kino-News«, die ihre Zuschauer letztlich nur dann langfristig binden können, wenn auch die Präsentation der Clips modern und zeitgemäß geschieht.

Ein Sender wie Premiere World wickelt viele seiner Projekte mit externen Dienstleistern ab, und in den vergangenen Jahren wuchs durch diesen Bedarf eine große Zuliefererlandschaft heran, die speziell für die Sender Trailer, Animationen, Cartoons und mehr produziert. Karajica erläutert: »Es gibt in der Arbeit mit diesen Dienstleistern bei uns eigentlich immer zwei Herangehensweisen: Entweder wir geben genaue Vorgaben, die der Dienstleister erfüllt, oder der Dienstleister kann eigene Ideen einbringen und wir erarbeiten gemeinsam ein Konzept. Beides hat seine Vorteile, aber generell gilt, dass es immer sinnvoll ist, eine genaue und konkrete Projektplanung zu machen und schon während des Produktionsprozesses klar zu kommunizieren, was geht, was nicht geht und was sinnvoll ist.«

Einig waren sich die Referenten darin, dass es grundsätzlich wichtig ist, die eigenen Projekte auch als Verkaufsförderung für die zukünftige Akquise zu betrachten. »Man kann als Dienstleister wie auch als Auftraggeber von einem Projekt noch lange nach der Fertigstellung profitieren, wenn die Qualität des Produkts gut ist,« so die allgemeine Schlussfolgerung, und letztlich dürfe man diesen Wert nicht unterschätzen. Gert Zimmermann, Studienleiter beim AnimationCampus, gab allerdings zu bedenken, dass die beste Qualität nichts nutze, wenn die Zahlen nicht stimmten. Sprich: Wenn die Produktionen zu teuer werden oder die gewünschten Ergebnisse ausbleiben.

Thomas Mulack von Effectory Film Effects aus Potsdam deckte bei der Veranstaltung den Bereich VFX bei TV-Serien ab. Effectory realisierte unter anderem die digitalen Spezialeffekte für die Science-Fiction-Serie »Lexx – the dark zone« und ist von ursprünglich sechs Mitarbeitern auf nunmehr 15 festangestellte Mitarbeiter angewachsen – nicht zuletzt aufgrund des hohen Aufwands, den Effectory an dieser Sience-Fiction-Serie betreibt. Mulack betonte im Hinblick auf die eigene Firmengeschichte, wie wichtig es sei, auf internationaler Ebene zu arbeiten, den Austausch zu suchen und zu forcieren. »Ohne unseren internationalen Partner, der an Effectory Film Effects beteiligt ist, wäre es nicht möglich gewesen, den Standort Potsdam zu etablieren und Effekte auf dieser hohen Qualitätsebene in diesem Maßstab umzusetzen – und zwar nicht nur was die technische Umsetzung, sondern auch was die Logistik hinter so einem Projekt betrifft.« Sein genereller Tipp: »Alles, was real gedreht werden kann, sollte man auch real drehen!«.

Eine andere Seite des Einsatzes von Animation beleuchtete Siggi Kögl, der im Sommer vergangenen Jahres die Firma Attaction gegründet hat und sich auf die Entwicklung von Computerspielen mit 3D-Echtzeit-Technologie konzentriert. Kögl sieht im Games-Markt »ein Riesenpotenzial«, weil hier von Anfang an digital produziert wird und dies zu einer Entwicklung passt, die aus seiner Sicht übergeordnet abläuft, nämlich die Entwicklung hin zu einer digitalen, breitbandigen, interaktiven Medienplattform, die nicht auf einen Kanal beschränkt ist, sondern unterschiedlichste Applikationen in sich vereint.
Kögl zeigte auch einen besonders wichtigen Aspekt für angehende Medienmacher auf: »Wer Games entwickeln will, muss sich auf jeden Fall auch mit Software-Entwicklung beschäftigen, denn die Produktion von Games hat nichts mit klassischer Medienproduktion zu tun.« Zu den wirtschaftlichen Aussichten sagt Kögl: »In diesem Markt kann man sehr viel Geld verdienen, denn der Games-Markt hat umsatzmäßig schon 1989 den Videomarkt überholt. Das war für Hollywood damals ein erstes Schockerlebnis. 1999 gab es dann den zweiten Durchbruch, denn da überholten die Umsätze im Games-Markt, den weltweit an den Kinokassen erzielten Umsatz. Mittlerweile gibt es 150 Millionen Game-PCs, und Top-Game-Titel wie etwa »Final Fantasy« wurden weltweit über 7 Millionen Mal verkauft. Der weltweite Gesamtumsatz im Games-Markt liegt zwischen 30 und 35 Milliarden Mark.« Zahlen, die eindrucksvoll belegen, welchen Stellenwert der von vielen Außenstehenden unterbewertete Games-Markt für Animation und VFX hat.

Wie schnell die technische Entwicklung voran schreitet, zeigte Angela Reedwisch auf, die bei Arri den Bereich Digital Film seit den Anfängen betreut. »Als wir bei Arri vor gut acht Jahren die Abteilung Digital Film etablierten, waren für uns auf der Anbieterseite eigentlich nur Quantel mit dem Domino-System und Kodak mit Cineon relevant. Es waren damals Workstations mit den Dimensionen riesiger Kühlschränke notwendig, um die Systeme überhaupt betreiben zu können.« Heute existieren zahlreiche weitere Anbieter, während etwa der Pionier Kodak mit seinen Systemen gar nicht mehr am Markt vertreten ist. High-End-Softwares laufen mittlerweile teilweise auch auf simplen Workstations. Ein Beispiel, das zeigt, dass die sehr rasch voran schreitende technische Weiterentwicklung nicht zu unterschätzen ist – vor allem in der Planung größerer Projekte. Außerdem ergänzt Angela Reedwisch, dass es in Deutschland sehr schwer war, Spielfilmproduktionsfirmen davon zu überzeugen, mit Special Effects zu arbeiten.

Till Fuhrmeister von der Interteam Grünwood Filmproduktion und und Oliver Humbert von der Agentur Brauch, Hube und Partner thematisierten in ihrem Beitrag unter anderem die Auswirkungen, die sich durch die digitale Nachbearbeitung auch auf inhaltlicher Seite ergeben: »Viele Filme entstehen in der Nachbearbeitung neu oder werden zumindest nochmals überdacht, weil man durch die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten nonlinearer Systeme auf einmal sieht, dass manche Dinge mit einem anderen Schnitt besser funktionieren als ursprünglich geplant. Diese kreative Freiheit ist natürlich auch ein Problem, weil Kunden dann dazu tendieren, immer wieder Änderungswünsche zu haben. Das kann zwar einerseits sehr befruchtend für ein Projekt sein, aber andererseits leider auch sehr viel Zeit, Geld und Nerven kosten.«

Claudia Meglin, selbst eine erfahrene VFX-Spezialistin, die mit Gert Zimmermann gemeinsam die Aus- und Weiterbildungsmaßnahme AnimationCampus leitet, schloss die Veranstaltung mit ihrer Sicht der Dinge und des Marktes: »Letztlich haben wir es im Bereich Animation und Visual Effects mit einer sehr jungen Technologie zu tun, und da fließen natürlich noch sehr viele Erfahrungen in die Produktionsprozesse ein. Und diese Erfahrung wächst erst seit sechs bis sieben Jahren auch in Deutschland heran. Deshalb ergibt es wenig Sinn, unsere Situation immer wieder mit der in den USA zu vergleichen, denn dort kann eben auf ein viel größeres Potenzial und auf mehr Erfahrung zurückgegriffen werden. Aus diesem Grund fahren viele Agenturen immer noch lieber in die USA oder auch nach England, um ihre Produkte digital nachbearbeiten zu lassen. Aber dennoch: Hier in Deutschland findet ein Lernprozess statt, und die Palette der Referenten und die Bandbreite der Produktionsmethoden und -prozesse, die wir bei dieser Veranstaltung kennengelernt haben, zeigt doch, wie viel sich hier in Deutschland tut und sicherlich weiter tun wird.«

Weitere Informationen zum AnimationCampus finden Sie in einer früheren Meldung von www.film-tv-video.de.

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T_1201_AnimationCampus.pdf