Branche, Top-Story: 06.04.2010

Antizyklisch zum Erfolg: die Fernsehwerft in Berlin

Mitte vergangenen Jahres nahm die Fernsehwerft in Berlin ihren Betrieb auf: Die neue TV-Produktionsstätte auf dem Gelände des Berliner Osthafens, direkt an der Spree, hat zwei topmoderne Fernsehstudios, -regien und Postproduktionsräume zu bieten. Dort wird unter anderem das Sat.1-Frühstücksfernsehen, aber auch Frank Plasbergs ARD-Sendung »Hart aber fair« produziert. film-tv-video.de war vor Ort.

Wer sich in den vergangenen zwei Jahren in Deutschland und besonders in Berlin dafür entschied, in eine große Fernsehproduktionsstätte zu investieren, der hatte entweder sehr viel Spielgeld übrig, einen großen Kunden im Rücken — oder er war nicht ganz bei Trost. So sieht das zumindest die überwiegende Mehrheit der Marktkenner. Auf Helmut Audrit, den Chef der Fernsehwerft Berlin, trifft jedoch nichts davon zu. Aber ihm ist es gelungen, eine große Fernsehproduktionsstätte mitten in Berlin zu bauen und zu etablieren: die Fernsehwerft. Vielleicht liegt es daran, dass Audrit über drei Eigenschaften verfügt, die vielen in der Branche mittlerweile ganz offenbar abhanden gekommen sind: Unternehmergeist, Spaß an der Technik, Passion für das TV-Geschäft. Natürlich sind eigenes Geld für Investitionen und Überzeugungskraft im Gespräch mit der Bank auch sehr hilfreich, wenn man ein Projekt wie die Fernsehwerft stemmen will, aber die Motivation dafür kommt bei Helmut Audrit ganz sicher aus den genannten anderen Quellen.

Wenn Audrit sagt, »Ich bin Übertragungstechniker, ich habe vom Fernsehbusiness keine Ahnung«, dann kokettiert er natürlich ein bisschen mit dem Erfolg seines Unternehmens und betreibt ordentlich Downplaying. Fakt ist aber auch, dass sich Audrit bei all seinen Projekten stets auf seine beruflichen Wurzeln besinnt – und die liegen eben in der Übertragungstechnik. Außerdem setzt sich der zurückhaltende Firmenchef mit dieser Haltung vom üblichen Branchen-Bohei ab und lenkt den Blick lieber auf die Fakten.

Rückblende

Die Ursprünge der Fernsehwerft, die heute im Studiomarkt in lokaler Konkurrenz zur Studio-Hamburg-Tochter Studio Berlin Adlershof und zu Studio Babelsberg steht, aber zusätzlich noch Postproduktions- und Übertragungsdienstleistungen anbietet, liegen beim Ingenieurbüro Helmut Audrit. Das befasst sich mit Übertragungstechnik und aus dieser Wurzel entwickelte sich 2001 zunächst mit A-Medialynx ein Unternehmen, das heute die komplette technische Abwicklung von MTV und Viva in Berlin verantwortet.

Die beiden ersten Firmen bestehen weiterhin und mit der Fernsehwerft kommt für Helmut Audrit nun der nächste Schritt: Moderne, mittelgroße Studios in zentraler Lage, kombiniert mit einer leistungsfähigen Postproduktion — alles was man für komplette TV-Produktionen aus einer Hand braucht. »Als wir vor fünf Jahren die Idee entwickelten, die dann zur Fernsehwerft führte, war es unser Ziel, tägliche Produktionen im Bereich Live-Studioproduktion inklusive Schnitt und Abwicklung anbieten zu können«, erinnert sich Helmut Audrit.

Heute ist das Realität und einige Entwicklungen, die auch der Unternehmer Audrit nicht vorhersehen konnte, haben das Erreichen dieses Ziels beschleunigt: ProSiebenSat.1 (P7S1) trennte sich von seinem Berliner Produktionsarm, der als technischer Dienstleister für Sat.1 und für N24 fungierte. Die Fernsehwerft übernahm 2009 rund 150 festangestellte Mitarbeiter der Berliner P7S1-Tochter und erbringt nun die Produktionsdienstleistungen die P7S1 bisher in Berlin selbst realisierte — inklusive der täglichen Live-Sendung des Sat.1-Frühstücksfernsehens und der technischen Betreuung von N24. »Für uns war das letztlich der Einstieg in die Fernsehbranche jenseits der Musikproduktion«, erläutert Helmut Audrit, dessen Mitarbeiterstamm auf einen Schlag von 70 auf 220 anwuchs.

Motivation, Planung

Wie kommt man darauf, aus einem Unternehmen wie A-Medialynx heraus den Schritt zu wagen, ganz neue Felder zu erschließen und weitere Bereiche zu beackern? »Als Viacom 2005 Viva übernahm, zeichnete sich aus unserer Sicht klar ab, dass das Musikfernsehen in der Form, wie man es aus den Hochzeiten von MTV und Viva kannte, sich verändern wird«, erläutert Helmut Audrit. Diese Einschätzung hat sich bewahrheitet: In Zeiten von YouTube nutzen viele junge Menschen die Möglichkeiten des Webs und sind nicht mehr auf einen TV-Sender angewiesen, wenn sie ihre Lieblings-Musikvideos sehen wollen. »Wachstum ist beim Musikfernsehen nicht mehr zu erwarten, daher war klar, dass sich A-Medialynx neue Betätigungsfelder suchen musste«, so Audrit: »Fernsehen verändert sich eben permanent.«

Trotz der von manchen für Berlin diagnostizierten Überkapazitäten im lokalen Studiomarkt, glaubte Helmut Audrit daran, dass es Raum für einen Anbieter im Bereich News und Entertainment geben würde, der mittelgroße Studios für tägliche Produktionen anbieten kann. So entstand im Jahr 2007 die Fernsehwerft GmbH, die zunächst als Ausgliederung der Sendeabwicklung und der Satellite Services von A-Medialynx gedacht war. Gleichzeitig wurde für 14,5 Millionen Euro das neue Gebäude im stillgelegten Berliner Osthafen errichtet.

Mit seiner unternehmerischen Herangehensweise ist Helmut Audrit der Schrecken jedes modernen Controllers: Er urteilt und entscheidet unabhängig, ohne dabei nur in Excel-Tabellen zu denken — und der Erfolg gibt ihm Recht.

Die Fernsehwerft ist dabei meilenweit davon entfernt, ein Selbstverwirklichungsprojekt zu sein, wie man sie im TV-Bereich durchaus finden kann. Wirtschaftlichkeit und Kostenaspekte spielen eine wichtige Rolle in der Fernsehwerft — aber sie sind auch nicht zum Selbstzweck mutiert. »Meine Frau sagt immer zu mir: Mach, was du willst – aber schreib schwarze Zahlen«, berichtet der Medienmann von seiner persönlichen Kontrollinstanz.

Persönliche Beziehungen sind Audrit wichtig: Bei einem Rundgang durch das Unternehmen zeigte sich, dass er alle Mitarbeiter persönlich kennt, auch die Azubis und Praktikanten im Musik-TV-Bereich. Eine besondere Rolle spielt Audrits technischer Leiter Markus Eicher. Der Schweizer hat zuvor lange Jahre als Technischer Leiter bei Kachelmanns Meteomedia gearbeitet, bevor Audrit ihn in sein Unternehmen und nach Berlin holte. Eicher tüftelt technische Konzepte aus, mit denen kosteneffizientes, schnelles Produzieren möglich ist — und er setzt sie um.

Ein Beispiel macht deutlich, wie A-Medialynx neue Technologien nutzt, um im Fernsehbetrieb neue Konzepte erfolgreich umzusetzen: Das Unternehmen konnte MTV als großen Kunden gewinnen, weil es früh auf bandlose Servertechnik setzte. Anfangs mit Sony-Diskrecordern, später mit Quantel-Servern ermöglichte A-Medialynx ein für damalige Verhältnisse unschlagbar kostengünstiges, sehr flexibles, weitgehend bandloses Produzieren. Ein älteres Zitat von Markus Eicher: »Unser Ziel ist ganz einfach: Wir wollen zusammen mit unserem Kunden noch produktiver werden. Statt langwierig nach Bändern zu suchen oder diese sogar mehrmals auf verschiedene Editing-Stationen zu spielen, können wir in Zukunft von jedem Schnittplatz und Sichtplatz immer und sofort auf das notwendige Material zugreifen, ohne dafür eine komplexe technische Infrastruktur haben zu müssen.« Was selbst heute für etliche Broadcaster noch eine ambitionierte Vision ist, setzte A-Medialynx also schon früh in die Praxis um: Das Unternehmen war Wegbereiter einer technischen Revolution in der TV-Produktion — auch wenn der Revolutionsbegriff in der modernen Medienwelt arg strapaziert wird.

Mittlerweile wurde das für MTV und Viva eingesetzte Quantel-System bei A-Medialynx nach fünf Jahren problemlosen Betriebs ausrangiert — aber nicht, weil technische Gründe dagegen sprachen, sondern weil man bei A-Medialynx mit Quantels Support-Konditionen nicht mehr einverstanden war, erläutert Markus Eicher.

»Die Planung für die Fernsehwerft haben wir ohne einen konkreten Kunden begonnen. Unser Ausgangspunkt war ein modernes Produktionsgebäude mit zwei Studios, 28 Schnittplätzen und vier Audio-Suiten. Später wurde dann klar, dass Sat.1 und Maz & More im neuen Gebäude auch einige Büroräume haben wollte, so haben wir etwas umgeplant«, erklärt Markus Eicher.

Effiziente Workflows

»Unsere Kunden waren schon immer sehr kostenbewusst. Meiner Meinung nach sollten die Kosten aber nicht vorrangig über Einsparungen bei Gehältern und Honoraren erzielt werden. Hier ist eigentlich kaum noch Luft drin und wenn man komplett mit Praktikanten produziert, wie das ja manche tun, geht das auf Kosten der Qualität und Sicherheit — das kann kein langfristiges Modell sein. Wir wollen aber langfristig in diesem Markt agieren«, fasst Helmut Audrit zusammen. »Wir nutzen stattdessen Einsparpotenziale durch hochgradige Vernetzung und optimierte Workflows.«

Die Planer der Fernsehwerft haben sich also zum Ziel gesetzt, die internen Abläufe mit intelligenten technischen Lösungen so zu optimieren, dass in sehr kurzer Zeit sehr viel produziert werden kann. Ein Systemhaus beauftragte das Unternehmen nicht, die Planung erfolgte unter Federführung von Helmut Audrit und Markus Eicher.

»Die TV-Produktion wird sich ändern müssen, dafür sorgt der Kostendruck«, konstatiert Audrit und zeigt neue Wege auf, die mit der Fernsehwerft beschritten wurden: »Hochgradige, intensive Vernetzung der Technik, die bandlos aufgesetzt ist, ermöglicht effektivere Arbeitsabläufe. Dabei muss die Technik perfekt funktionieren, sie darf nicht stören und behindern — wir setzen dabei auf Systeme von Apple, Harris und IBM. Letztlich wird der Trend auch hin zur teilweise standortunabhängigen Produktion und Postproduktion führen: Der Laptop ist das zentrale, wichtigste Arbeitsmittel des Redakteurs und damit will und wird er auch sichten und schneiden.«

Grundlegende Technik

Das Studiogebäude der Fernsehwerft am Berliner Osthafen ist ein Neubau. Es wurde von Grund auf für seinen Bestimmungszweck geplant — mit dem Ziel, komplett in HD produzieren zu können. Der Neubau ist symmetrisch aufgebaut und könnte theoretisch in zwei autarke Hälften geteilt werden. Die Gebäude von Fernsehwerft und A-Medialynx am Osthafen sind vollständig per Glasfaser vernetzt (Gigabit-Netzwerk).

Interner Standard der Fernsehwerft ist 720p50. »Aus meiner Sicht ergeben bei HD nur P-Signale einen Sinn«, erläutert der Fernsehwerft-Technikchef Markus Eicher diese Entscheidung. P7S1 hat sich aber auf 1080i als HD-Format festgelegt und deshalb werden die 720p50-Signale eben vor der Übertragung in die Unterföhringer P7S1-Zentrale konvertiert. Rein technisch gesehen ist diese Konvertierungsrichtung die bessere und das bestätigt auch Markus Eicher: »Die Ergebnisse sind hervorragend, die Kunden sind mit unserer Qualität mehr als zufrieden.«

Studios

Zentrale Elemente des viergeschossigen Fernsehwerft-Gebäudes sind zwei neue HD-Studios mit einer Nutzfläche von je 430 Quadratmetern. A-Medialynx betreibt auf dem Gelände schon zwei Studios für die Musiksender— darunter eines mit Greenbox und Kamera-Trackingsystem, in dem Virtual-Set-Produktionen mit zwei Kameras möglich sind. Die neu gebauten Studios der Fernsehwerft heißen deshalb Studio 3 und 4.

Im Studio 3, wo dauerhaft die Kulisse des Sat.1-Frühstücksfernsehens aufgebaut ist, können bis zu acht HD-Kameras des Typs HDC-1500 von Sony eingesetzt werden. Besonders freut sich Helmut Audrit auch über die hier installierten Studiohintergründe mit Berlinpanorama: Die Großformat-Fotografien lassen sich so beleuchten, dass es für den Zuschauer tatsächlich so wirkt, als säßen die Moderatoren und ihre Gäste vor der Skyline der Stadt.

Studio 4 ist ebenfalls HD-fähig, wird derzeit aber auch noch für SD-Produktionen genutzt. Derzeit hat der WDR dieses Studio für die Berliner Übertragungen der ARD-Sendung »Hart aber fair« mit Frank Plasberg gebucht.

Die HD-Kameras sind mit Fujinon–Box-Optiken ausgerüstet und werden mit Vinten-Pumpstativen und einem Panther-Kamerakran bewegt. Bei der Lichtinstallation hat die Fernsehwerft für beide Studios auf einen etablierten Partner gesetzt und Arri Lighting Solutions beauftragt. Der Systemanbieter der Arri-Gruppe hat ein Grid-System aus einer besonderen Kombination von Laufschienenpaaren mit zugeordneter Stromschiene installiert. Durch ein Maximum an Flexibilität in der vertikalen und in der horizontalen Positionierung der Scheinwerfer, wird eine genaue und homogene Lichtgestaltung ermöglicht. Die diversen Arri-Stufenlinsen und Balcar-Fluxlites werden via MA-Lichtpult GrandMA2 Light gesteuert.

Live-Regien

Zu jedem Studio gibt es eine eigene Tonregie, eine Bildregie und einen Geräteraum, in dem die jeweilige Technik installiert ist. De facto wird aber nur einer der Geräteräume für die Studiotechnik genutzt, der Platz reicht aus und so konnte der andere Geräteraum für die IT-Technik von Maz&More umgewidmet werden. Maz&More ist ein Tochterunternehmen von N24, das in den Fernsehwerft-Studios das Sat.1-Frühstücksfernsehen produziert und in vielen anderen Aspekten für N24 tätig ist.

Die Bildregien der Studios sind mit Sony-Mischern des Typs MVS-8000G mit drei M/E-Ebenen ausgerüstet. Die Hauptkreuzschiene mit 512er-Matrix und das 128er-Havarie-System, sowie der überwiegende Teil des Modular-Equipment kommen von Harris. Für Aufzeichnung und Zuspielungen werden Harris-Server eingesetzt, die mit fünf In- und zehn Out-Kanälen bestückt sind. Als Multviewer sind Centrio-Systeme von Harris im Einsatz. »Das hat für uns den Vorteil, dass der Multiviewer direkt in die Kreuzschiene integriert ist, was uns Unmengen an Verkabelung erspart hat«, erklärt Markus Eicher.

Beim Ton setzt die Fernsehwerft ebenfalls auf bekannte Anbieter und arbeitet mit einem Lawo MC2 56-Pult mit 96 DSP-Kanälen und 5.1-Monitoring. Weil auch die Schnittplätze mit Audiomischpulten von Lawo (Crystal) bestückt und per Madi vernetzt sind, stehen alle Signale der Schnittplätze auch jederzeit in der Regie zur Verfügung. »Ich glaube, wir sind derzeit die größte Lawo-Installation mit vernetzten Crystal-Pulten«, so Markus Eicher, der weiter ausführt, dass man auf diese Weise sehr flexibel sei und Quellen ad hoc anpassen könne.

Die Audio-Installation sei so ausgeführt, dass die Kabellänge für analoge Signale im gesamten Gebäude maximal 10 m betrage, erläutert Markus Eicher: Der Normalfall in der Audiosignalverteilung sei bei der Fernsehwerft, dass digitale Tonsignale über Glasfaser verteilt werden.

Bei den Grafiksystemen setzt die Fernsehwerft auf Technik von Vizrt. Als Software-Lösung für die Grafiksteuerung wird Pilot und Trio von Vizrt eingesetzt, im Bereich Broadcast Business Management Software von FlowWorks und bei der Videoserversteuerung von Max Mannhart.

Postproduktion

Wie viele andere Broadcaster in jüngerer Zeit, hat sich auch die Fernsehwerft für Final Cut Pro von Apple (FCP) als Schnittsystem entschieden. Unternehmensweit sind derzeit 20 FCP-Systeme installiert, hierauf liegt auch perspektivisch der Schwerpunkt. Die insgesamt 24 Schnittplätze werden im Zweischichtbetrieb genutzt, im Durchschnitt werden rund 40 Schnittschichten täglich realisiert. Für die Nachvertonung stehen sechs Audiosprecherkabinen jeweils in Nähe der Edit-Suiten zur Verfügung — alle Suiten haben aber Zugriff auf alle Kabinen. Für den Ton steht an jedem Schnittplatz ein Crystal-Mischpult von Lawo bereit. Die Schnittplätze werden unter anderem für Sat.1, Focus TV, das Auslandsfußballmagazin »Goal!« der DFL, sowie MTV und Viva genutzt.

14 Schnittplätze und vier Sprecherkabinen sind in der dritten Etage des Neubaus auf einer Ebene untergebracht. Dort wird überwiegend Sat.1-Programm produziert. Sechs weitere Schnittplätze und zwei Sprecherkabinen finden sich in der zweiten Etage. Weitere Schnittplätze, die ebenfalls an die Infrastruktur im Neubau angebunden sind, befinden sich im MTV/Viva-Gebäude, einem separaten Flachbau, der einen Steinwurf entfernt auf dem Osthafen-Gelände steht. Dort ist auch die Sendeabwicklung von MTV/Viva/Nickelodeon untergebracht und hier befinden sich auch die beiden älteren Studios, von denen eines die Moderationssets der Musiksender enthält.

Die ursprünglich für den Neubau eingeplanten vier Audiosuiten sind in einem dritten Gebäude mit der Hausnummer 9 untergebracht. Durch die Glasfaser-Vernetzung zwischen den Gebäuden spielt es aber für die Arbeitsabläufe aber letztlich ohnehin keine Rolle, wo sich der einzelne Arbeitsplatz und der jeweils genutzte Server befinden: Jeder Schnittplatz kann prinzipiell auf jedem Server schneiden.

Alle FCP-Schnitträume sind an eine zentrale Speicherarchitektur auf Basis von Harris-Servern des Typs Nexio AMP (Meldung) angebunden. »Die meisten Kunden wollen diese Kombination nutzen, weil sie etliche praktische Vorteile bietet. »Wir wollten eine Zentralspeicherlösung haben, die eine direkte Anbindung der Schnittsysteme erlaubt, und zwar ohne dass hierfür zusätzliche Softwares oder Tools wie etwa der Transfer-Manager nötig wären«, erklärt der Technikchef. Andere Systeme, wie Media Grid von Omneon (D-Vertrieb: >ADR 38585>Netorium) kamen als Zentralspeicher prinzipiell ebenfalls in Frage, aber letztlich fiel die Wahl auf Nexio AMP, weil hier »ein lineares Wachstum und ein vergleichsweise günstiger Einstieg möglich waren«, so Eicher (Meldung).

Insgesamt hat die Fernsehwerft im Neubau zehn Nexio Server installiert, die über ein internes Redundanzsystem Datensicherheit gewährleisten, auch wenn ein Gerät defekt werden sollte. Fünf Gateways binden die FCP-Stationen an die Server an, vier werden aktiv genutzt, eines wird für den Havarie-Fall betriebsbereit vorgehalten.

Seine Nexio-Server hat die Fernsehwerft mit insgesamt 480 Stunden Speicherkapazität (im XDCAM-HD-422-Codec) bestücken lassen. Die Leistungsfähigkeit des Systems reicht aus, um auch von den Redaktionsarbeitsplätzen auf das zentral gespeicherte Material in hoher Auflösung zugreifen und es betrachten zu können. Hierfür setzt die Fernsehwerft iMacs mit Nexio-Browser-Software (Meldung) ein. An den Redakteursarbeitsplätzen ist es innerhalb der Installation der Fernsehwerft möglich, mit einem HD-Stream in Echtzeit zu arbeiten, während an den eigentlichen Schnittplätzen vier HD-Streams in Echtzeit möglich sind.

Markus Eicher: »Wir können kein Low-Res brauchen und bei unserer Systemarchitektur und den heute üblichen 50-Mbps-Videos gibt es auch keinen Grund dafür: Die Redakteure sollen und wollen in voller Qualität arbeiten, denn viele realisieren selbst den Vorschnitt an ihrem Arbeitsplatz. Da spart uns die volle Qualität letztlich Geld, weil man im Endeffekt weniger Zeit für den Endschnitt benötigt«, bilanziert Eicher.

Die Entscheidung für Final Cut Pro sieht man bei der Fernsehwerft letztlich ganz pragmatisch: Mit der Software ließen sich so gut wie alle Anforderungen abdecken — auch wenn es vereinzelt Kundenwünsche gebe, die sich in einzelnen Aspekten mit einem Avid-System einfacher umsetzen ließen, so Eicher. Dennoch: Die Produktionen für MTV, Viva und Sat.1 werden in der Postproduktion komplett mit den Apple-Softwares FCP und Motion realisiert.

Im MTV-Gebäude sind vier weitere Server als kombinierte Speicherlösung installiert, an diese sind im normalen Betrieb insgesamt acht Schnittplätze und vier Redaktionsplätze angeschlossen.

Archivierung

In der Archivierung setzt die Fernsehwerft auf ein automatisiertes IBM-Tape-Archiv mit Robotern. Das digitale Archiv weist eine Speicherkapazität von vier Petabyte auf. In Kombination mit dem Content Management System ist ein ortsunabhängiger Systemzugriff über eine geschützte Internetverbindung möglich. Im neuen Gebäude steht noch Fläche für bis zu 4.700 Terabyte Speicherkapazität zur Verfügung: das entspricht rund 150.000 Stunden Material in HD-Qualität.

Fazit

»Wir hätten das Projekt Fernsehwerft nicht in Angriff genommen, wenn wir nicht in der Planungsphase erkannt hätten, dass sich diese Branche ändern muss und wird. Und dann haben wir offenbar die richtigen Annahmen getroffen, in welcher Richtung das gehen wird«, blickt Helmut Audrit zurück.

Die Vision ging auf und das Konzept der Fernsehwerft funktioniert, auch wenn die allgemeinen wirtschaftlichen Umstände für das Gelingen alles andere als förderlich waren. Zu großen Teilen liegt der Erfolg ganz sicher auch in der Haltung und der Herangehensweise Audrits begründet — auch wenn er selbst das ganz sicher nicht so sagen würde. Sein Credo formuliert der Chef von A-Medialynx und der Fernsehwerft lieber so: »Sie müssen jeden Tag bereit sein, etwas Neues zu lernen.« Wenn man sich ansieht, was die Fernsehwerft alles bietet, glaubt man ihm das.

Weitere Informationen

A-Medialynx wurde 2001 gegründet und betreut seither die Produktion der deutschsprachigen MTV-Sender.

Im Gebäude von A-Medialynx sind zwei Studios untergebracht, die allerdings noch mit SD-Equipment betrieben werden: Sony-BVE-10-Kameras und Sony-Mischer der Typen DVS-7200 und DVS-9000 sowie Sony DMX-R100-Tonmischpulte sind hier die zentralen Systemkomponenten. Hier werden nach wie vor Sendungen für die Musiksender MTV und Viva produziert und Beiträge dafür in der Postproduktion vorbereitet.

Die Fernsehwerft ist gewissermaßen aus A-Medialynx entstanden und als Full-Service-Provider mit moderner neuer HD-Technik konzipiert. TV-Produktion, Postproduktion, Sounddesign und digitale Archivierung zählen ebenso zum Angebot der Fernsehwerft, wie Sendeabwicklung und Satelliten-Services. Im viergeschossigen neuen Gebäude sind zwei topmoderne HD-Studios mit angegliederten HD-Regien sowie umfassende Produktions- und Postproduktionsräume untergebracht. Das Gebäude ist hier für rund 100 Arbeitsplätze ausgelegt, die Sendeabwicklung für bis zu 24 TV-Kanäle vorgesehen.

Die Fernsehwerft betreut den Playout der MTV-Landesfenster D, CH, A sowie Viva D und A und zusätzlich noch Nick D und A sowie Comedy Central. Insgesamt bringt die Fernsehwerft derzeit in Europa elf Sender für Viacom »On Air«.

Ein weiteres Standbein der Fernsehwerft sind die Satelliten-Services, die das Unternehmen anbietet. Zwei DSNG-Fahrzeuge bieten SD-Produktionstechnik, zwei sind mit HD-Technik ausgerüstet. Neben mobilen Uplink-Einrichtungen (Antennengrößen zwischen 1,5 und 3,7 m) werden auch feste Sendestationen angeboten.