Editorial, Kommentar, Top-Story: 26.02.2014

Was gibt’s auf die Ohren?

Ja, bei film-tv-video.de spielt der Ton nicht die wichtigste Rolle, sondern muss sich mit einer Nebenrolle begnügen. Dennoch weiß die Redaktion dieses Gewerk zu schätzen und ist damit außerhalb des Audiobereichs keineswegs allein: Bei Gesprächspartnern aus allen Teilen der Branche kann man in der Regel sehr schnell Einigkeit darüber erzielen, wie wichtig der Ton für die Wirkung und den Gesamteindruck einer Produktion ist.

Dennoch wird der Ton im Fernsehbereich oft stiefmütterlich behandelt. Das fängt schon beim Dreh an: Dass der Tonmann bei der Aufnahme eingespart wird, ist heute keineswegs nur in der Aktualität normal, sondern ist auch bei vielen anderen Produktionen zur Regel geworden. Und diese geringe Wertschätzung zieht sich im TV-Bereich bis zu den Endgeräten durch: Fernseher mit winzigen Kofferradiolautsprechern wurden in vielen Haushalten ergänzt und abgelöst durch Computer, die mit quäkenden Billigboxen für 13,99 Euro »aufgemotzt« wurden.

Aber auch in den diversen Produktionsstufen zwischen diesem Anfangs- und Endpunkt der Fernsehtonkette wird im Audiobereich gern mal gespart. Aktuelles Beispiel gefällig? Olympia in Zweikanal und dieser Minimalton dann noch in magerem Klang und pausenlos zugelabert mit Sprecherton in Wochenschau-Tonqualität — das spricht Bände.

Und spielt das alles gar keine Rolle mehr? Viele haben sich offenbar mit dem Status Quo abgefunden, denn außer den Autoren dieses Texts scheinen etwa die phasenweise massiven Tonprobleme bei der Übertragung der Abschlussfeier aus Sotschi so gut wie keinen gestört zu haben — zumindest findet man online nichts dazu und das, wo doch sonst oft aus geringerem Anlass ein »Shitstorm« losbricht.

Auch wer sich nicht für Sport interessiert und stattdessen lieber synchronisierte Spielfilme oder Serien anschaut, wird dabei oft mit Stereoton abgespeist. Echter Tongenuss kommt dabei aber nicht nur wegen der Beschränkung auf zwei Kanäle, sondern auch aus anderen Gründen recht selten vor: So wird immer öfter bei der Synchronisation massiv gespart.

Da klingt dann der Dialog immer gleich, egal ob die Protagonisten am Hauptbahnhof stehen oder sich in einem Badezimmer aufhalten. Viel zu oft gibt es keine zu den Ereignissen im Hintergrund passenden Geräusche mehr, sondern es wird nur noch rappzapp eine x-beliebige »Dosen-Atmo« aus irgendeiner Sound-Bibliothek druntergelegt: Muss halt schnell gehen und darf nichts kosten.

An Schludrigkeiten bei dem Versuch, so etwas ähnliches wie Lippensynchronität zu erreichen, musste man sich als Zuschauer ohnehin schon gewöhnen. Dann schalten wir als Zuschauer halt auf den Originalton um — was aber in der Praxis nur in den viel zu seltenen Fällen möglich ist, wo die verschiedenen Tonmöglichkeiten auch tatsächlich von der Senderseite aus genutzt und beschickt werden. Wen wundert es da noch, wenn sich immer mehr Menschen Fernsehserien lieber anderweitig besorgen …

Geänderte Produktionsweisen produzieren etwa im News-Bereich mitunter auch paradoxe Fälle. So war dieser Tage bei einem Bericht von der Mobilfunkmesse aus Barcelona folgendes zu hören: Die Passagen des Beitrags, die der Moderator direkt auf der Messe im On aufsprach, waren deutlich und gut zu verstehen — die in der Postproduction erzeugten Voice-Over-Passagen hingegen gingen in einer lauten Messe-Atmo unter.

Praktisch alle genannten Fälle haben letztlich die gleiche Ursache: Es herrscht ein massiver Kostendruck und es wird an den falschen Stellen gespart. So wird ein weiteres mal klar: Solange Produktionsbudgets immer weiter reduziert werden, um Gewinne an anderer Stelle zu maximieren, wird in der Folge auch die Qualität immer weiter in den Keller gehen.

Sie werden sehen. Und hören.