Editorial, Kommentar, Top-Story: 09.04.2014

Das große Fressen

In diesem Jahr gibt es in der Branche so viele Übernahmen wie schon seit langem nicht mehr. Was mit der Verschmelzung von Grass Valley und Miranda innerhalb der Belden-Gruppe und mit Quantel und Snell begonnen hatte, erreicht bei der NAB2014 nun einen neuen Höhepunkt: Hier scheint eine Übernahme-Nachricht die nächste zu jagen.

Harris, gerade noch in die beiden Firmen Gates und Imagine Communications aufgesplittet, übernimmt jetzt unter dem Dach von Imagine die kanadische Streaming-Firma Digital Rapids. Dalet übernimmt die britische Firma Amberfin, ChyronHego kauft die norwegische Wettergrafik-Firma WeatherOne AS, Ross übernimmt Unreel LLC aus dem Virtual-Set-Bereich und Kudelski kauft Conax. Unmittelbar vor der Messe war bekannt geworden, dass der kanadische Asset-Management-Hersteller Masstech den bulgarischen Anbieter Playbox übernommen hatte. Und höchstwahrscheinlich ist der Redaktion noch die eine oder andere Übernahme in dieser Liste durchgerutscht. Möglicherweise ist, bis dieser Newsletter in Ihrem Postfach liegt, schon die nächste Übernahme angekündigt.

Warum ist das so, und warum gerade jetzt? Die Gründe dafür sind vielschichtig: Für viele Unternehmen, bei denen es derzeit nicht so gut läuft — und das sind nicht wirklich wenige — geht es schlichtweg darum, sich in einer schwieriger werdenden Medienbranche das Überleben zu sichern. Da liegen Verkäufe nahe, man will mehr Krisenfestigkeit durch Wachstum und größere Einheiten erreichen, um nicht Opfer der Marktkonsolidierung zu werden.

Es gebe ohnehin zu viele Unternehmen in der Branche, der Markt sei zu fragmentiert — das finden zumindest die Analysten und Finanzexperten, die bei vielen Firmen im Hintergrund den Ton angeben oder zumindest die CEOs beraten. In anderen Branchen gebe es viel weniger Anbieter und diese Märkte seien gesünder, heißt es da. Üblich sei, dass es in Märkten mit im Vergleich zur Broadcast-Branche doppelter Größe, nur ein Drittel der Anbieter gebe.

So kommt es, dass in vielen Pressekonferenzen nun genau das nachgebetet und in schierer Unternehmensgröße ein Heilmittel für die Probleme der Branche gesehen wird. Weniger und dafür größere Unternehmen brauche die Branche, finden die BWLer — und darin liegt ganz sicher auch eine Triebfeder der aktuellen Übernahmen.

Das große Fressen hat also begonnen, wer kann, der akquiriert, wächst — und hofft, auch in Zukunft zu bestehen. Diese Zukunft aber hält für die Medienbranche ganz zweifellos noch etliche, durchaus stattliche Herausforderungen bereit und ob die durch weniger, aber größere Anbieter besser gemeistert werden, das muss sich erst noch weisen.