Editorial, Kommentar, Top-Story: 03.10.2015

Ende einer Ära

Dieser Tage feiert Deutschland den 25. Jahrestag seiner Wiedervereinigung. Da schwirren natürlich viele Begriffe aus dem entsprechenden Wortbaukasten herum: historisch, Ära, Zeitenwende und vieles mehr. Als die Wiedervereinigung stattfand, war wohl den allermeisten schon damals völlig klar, dass dieses Ereignis tatsächlich das Ende einer Ära und den Beginn von etwas Neuem markierte.

Ganz anders ist das in unserer Branche, auch hier gibt es einschneidende Veränderungen und man könnte sogar sagen, dass die eine oder andere Ära zu Ende geht — aber das findet wesentlich leiser statt und wird oft auch im Moment des Ereignisses selbst gar nicht als tiefgreifend wahrgenommen

So ist etwa zur IBC2015 der Firmenname Quantel verschwunden. Das Unternehmen, das mit Produkten wie Paintbox, Harry und Henry Postproduction-Geschichte schrieb, hat nun seinen Firmennamen verloren und wurde — nach der Fusion mit Snell, die früher mal Snell & Wilcox hießen — in SAM umbenannt, was für Snell Advanced Media steht.

Außerdem erleben wir gerade einen Paradigmenwechsel im Bereich Software: Nachdem Adobe schon länger vom Kauf- auf ein Mietmodell umgestiegen ist, zieht nun Autodesk nach: Einen Großteil der Softwares dieses Anbieters kann man künftig nicht mehr kaufen, sondern nur noch mieten. Das Top-End-System Flame ist davon noch ausgenommen, aber wer weiß, wie lange noch. Apropos Autodesk: Wo waren die eigentlich während der IBC? Einen eigenen Stand hatte das Unternehmen nicht, die Produkte waren nur an den Ständen von Partnern zu sehen.

Außerdem nähern wir uns mit Macht dem Ende der Tape-Ära. Sony hatte schon im Oktober 2014 angekündigt, den Verkauf von 1/2-Zoll-Bandgeräten bis März 2016 stufenweise einzustellen. Das »End of Tape« kommt also unerbittlich näher — zumindest was Sony und den Videobereich insgesamt betrifft: Schon mahnen Sony-Händler ihre Kunden mit »Last-Order«-Rufen, für die Zeit danach vorzusorgen.

Die Zeitenwende findet in unserer Branche also nicht mit einem großen Knall statt, sondern in kleinen Schritten — und es wird spannend sein, was in 25 Jahren als ikonisches Ereignis für diesen Wandel betrachtet werden wird.