Branche, Remote: 14.10.2021

Homeoffice: Der neue Standard?

Personalberater Ulf Genzel über den Trend hin zum Homeoffice und die Konsequenzen für Unternehmen und Mitarbeitende.

Die Pandemie hat in der Arbeitswelt große Veränderungen verursacht. Manche Unternehmen im Medienbereich wurden mit Kurzarbeit und Stellenabbau konfrontiert – und die Event-Branche litt ganz besonders unter den mehrfachen Lockdowns.

Ulf Genzel.

»Das hatte natürlich auch auf unser Arbeitsfeld starke Auswirkungen«, berichtet Personalberater Ulf Genzel, der innerhalb der contagi GROUP den Bereich contagi MEDIA + IT leitet. »Auf der einen Seite betreuten wir in der Pandemie Unternehmen, die in Kurzarbeit gehen und teilweise auch Entlassungen vornehmen mussten. Auf der anderen Seite begleiteten wir Änderungsprozesse, die sich für Mitarbeitende durch die Arbeit im Homeoffice ergaben«, berichtet er.


Ulf Genzel über den Trend hin zum Homeoffice und die Konsequenzen für Unternehmen und Mitarbeitende.
Ausstattung im Homeoffice

In der Pandemie musste es schnell gehen, und so mancher Homeoffice-Arbeitsplatz entstand notgedrungen am Küchentisch oder in einer Ecke im Wohnzimmer. »Natürlich eignet sich nicht jede Umgebung fürs Homeoffice. Wohnungsgröße, DSL-Anbindung und familiäre Situation spielen hier eine entscheidende Rolle«, schätzt Ulf Genzel ein und ergänzt: »Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass viele Mitarbeitende auch weiterhin Interesse daran zeigen, zumindest partiell im Homeoffice zu arbeiten – und dafür auch das passende Umfeld haben.«

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Die contagi MEDIA+IT GmbH ist als Teil der contagi GROUP eine Unternehmens- und Personalberatung, die sich erfolgreich im Medien- und IT-Bereich etabliert hat.

Damit eine Homeoffice-Nutzung erfolgreich werde, sollten Arbeitgeber die Arbeitsplätze mit den notwendigen Werkzeugen ausstatten. Zum notwendigen Equipment zähle neben einem großen Monitor eine Webcam sowie ein Headset. Für Mitarbeitende mit Kundenkontakt hält Genzel auch geeignetes Licht für sinnvoll und eventuell auch die Nutzung grafisch gestalteter Hintergründe, die sich ins jeweilige Videokonferenzsystem einbinden lassen, »denn schließlich transportieren die Unternehmen mit diesem Erscheinungsbild auch ihr eigenes Image und ihr Branding«, so Genzel.

Software-Programmierung eignet sich gut fürs Homeoffice.
Welche Jobs eignen sich für Homeoffice-Lösungen?

»Jobs im Bereich der Software-Entwicklung oder im Projektmanagement eignen sich natürlich besonders gut fürs Homeoffice. Unserer Erfahrung nach ist Mitarbeitenden aus diesen Bereichen eine reine 5-Tage-Präsenzpflicht im Büro nicht mehr vermittelbar«, sagt Ulf Genzel. Mehr noch: »Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, ist spätestens seit der Pandemie zu einem der Entscheidungskriterien bei der Job-Auswahl geworden«, sagt Genzel.

Homeoffice als Wettbewerbsvorteil

»Wir sehen schon jetzt, dass es in bestimmten Positionen seitens der Arbeitnehmer keine Wechselbereitschaft mehr gibt, wenn der neue Job nicht einen Homeoffice-Anteil bietet.

Bei der Suche nach Talents kann sich für Unternehmen als Wettbewerbsvorteil erweisen, wenn der Job auch die Arbeit im Homeoffice ermöglicht.

Arbeitgeber wiederum bemühen sich mit dem Argument einer dauerhaften, anteiligen Homeoffice-Nutzung um neue Mitarbeitende, wenn sie auf der Suche nach den richtigen Talenten erfolgreich bleiben wollen.«

Insbesondere jüngere Menschen wünschen sich demnach flexible Arbeitsbedingungen, die sogar noch übers Homeoffice hinausgehen. »Wir hatten schon Mitarbeitende, die in ihren Verträgen nicht einmal mehr den Arbeitsort festlegen wollten«, so Genzel – was für Unternehmen aus juristischer Sicht natürlich problematisch ist.

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Blick ins contagi-Office in Frankfurt.
Weniger Büros, mehr Homeoffice

Ulf Genzel glaubt, dass sich der Trend hin zum Homeoffice auch dergestalt auf Unternehmen auswirken wird, dass sie perspektivisch kleinere Büroflächen vorhalten können. Schon jetzt seien bei etlichen Arbeitgebern Umnutzungen von Büroflächen und Gebäuden zu beobachten – insbesondere bei Konzernen.

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Versicherungsschutz muss auch im Homeoffice gewährleistet sein.
Versicherungsschutz und Verträge

Für Mitarbeitende in Betrieben greift die gesetzliche Unfallversicherung, wenn sie sich beispielsweise auf dem Weg zum Drucker oder auch in die Kaffeeküche verletzen.

Durch eine gesetzliche Erweiterung des SGB VII sind seit dem 18. Juni 2021 nun auch ähnliche Wege im Homeoffice versichert. Konkret: Wer auf dem Weg zum Kühlschrank stolpert und sich dabei verletzt, hat denselben Versicherungsschutz, den er in dieser Situation im Büro hätte. Vor dieser Gesetzesanpassung war nicht immer klar, für welche Wege oder Tätigkeiten im Homeoffice Versicherungsschutz bestand.

»Teilweise mussten wir für Unternehmen angesichts von mehr Homeoffice auch Betriebsvereinbarungen erneuern. Auch für Arbeitsverträge gibt es neue Elemente, die sich mit dieser Thematik beschäftigen«, erläutert Ulf Genzel.

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contagi begleitet Unternehmen auch bei der Frage, wie sie Teams digital führen sollen.
Teams digital leiten

Neben arbeitsrechtlichen Fragen stellt Homeoffice die Arbeitgeber auch in der Personalführung vor neue Herausforderungen. »Besonders wichtig ist es, dass die Arbeitgeber die Mitarbeitenden im Office und im Homeoffice absolut gleich behandeln – es darf keine Bevorzugung geben«, sagt Ulf Genzel. Wenn Mitarbeitenden im Homeoffice per se mit Misstrauen begegnet wird, entstehe ein Missverhältnis, das sich negativ aufs ganze Team auswirken könne. Wichtig seien zudem regelmäßige Online- oder Hybrid-Meetings – und zwar auch fürs Socialising. Es müsse eine Alternative für den zwanglosen Austausch in der Kaffeeküche geschaffen werden, betont Genzel.

Ganz generell müssten bei Homeoffice-Setups individuelle Bedürfnisse der Mitarbeitenden gesehen und berücksichtigt werden, denn die Arbeit im Homeoffice verlange von den Betroffenen zum Beispiel mehr Eigenverantwortlichkeit. »Homeoffice funktioniert nicht ohne eine intensivere Auseinandersetzung mit den einzelnen Personen«, sagt Genzel.

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Laut Statista wünschen sich 73% der Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice. 
Perspektiven

Anfang 21 waren 24% aller Beschäftigten im Homeoffice. Ulf Genzel ist sich sicher, dass Homeoffice-Arbeitsplätze nicht nur eine reine Pandemie-Erscheinung sind. »Homeoffice wird bleiben, denn es funktioniert und bietet für Arbeitgeber wie für Mitarbeitende viele Vorteile.«

In Bereichen, in denen Unternehmen schon jetzt Nachwuchsprobleme hätten, erweitere die Möglichkeit zum Homeoffice zudem die Chancen, Stellen mit geeigneten Personen zu besetzen.

Vielfach hat sich auch eine Mischform aus jeweils zwei bis drei Tagen Präsenz im Office und Homeoffice als sehr praktikabel erwiesen – denn nicht jeder ist in der Lage, Berufliches und Privates für einen längeren Zeitraum ausreichend zu trennen. Aus unternehmerischer Sicht hat sich darüber hinaus erwiesen, dass die Nutzung von Remote Offices auch signifikant Reisekosten einspart.

Doch wie auch immer die individuelle Ausgestaltung aussieht: Flexibilität ist der Schlüssel für Unternehmen und Mitarbeitende.

Autor
C. Gebhard, G. Voigt-Müller

Bildrechte
contagi (6), Archiv

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