Branche, Interview, Top-Story: 09.12.2021

Der Personalmarkt verändert sich

film-tv-video.de sprach mit Personalberater Ulf Genzel über die wachsende Nachfrage nach IT-Fachkräften im Medienbereich und über Chancen, sich im verändernden Markt zu entwickeln und neu zu orientieren.


Wie hat sich der Personalmarkt in Media und IT aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren verändert?

Ulf Genzel: Die Änderungen im Personalmarkt sind aus meiner Sicht deutlich spürbar. Ich bin jetzt seit mehr als zehn Jahren in unserer Branche als Personalberater aktiv und bemerke zwischenzeitlich eine Erweiterung der Einsatzgebiete. Wir befassen uns heute mit anderen Kunden aus angrenzenden, teilweise aber auch aus ganz anderen Industrien, die hochgradig IT brauchen, um das zu tun, was sie als Unternehmen eben tun wollen oder müssen. Früher haben wir tatsächlich eher für klassische Hersteller im Broadcast-Bereich Personal gesucht. Darunter waren Systemintegratoren, aber auch tatsächlich TV- und Radiosender. Nun sind auch reine IT-Anbieter hinzugekommen, die etwa Video-Knowhow für ihre Cloud Services und Datacenter benötigen.


Ulf Genzel über die Nachfrage nach IT-Fachkräften im Medienbereich und über Chancen, sich im verändernden Markt zu entwickeln und neu zu orientieren.

Welche Berufsbilder sind in der Medienbranche zunehmend gefragt?

Ulf Genzel: Hier gibt es deutliche Veränderungen. Während wir bis vor einigen Jahren mitunter auch noch die klassischen Bild-, Ton- oder auch Planungs-Ingenieur*Innen gesucht haben, sind es heute oft Cloud-Expert*Innen, aber auch Lösungsarchitekt*Innen, IT Security Experts oder auch Software-Entwickler*Innen.

Damals und heute: Blick in die Senderegie von Danish Radio im Jahr 2003 …
TPC, © Nonkonform
… und in die Regie des IP-Ü-Wagens von TPC.

Deswegen haben wir unser Portfolio zwischenzeitlich erweitert –auch aus dem Bewusstsein heraus, dass der klassische Broadcast-Bereich stagniert, während etwa Streaming-Portale durchaus wachsen. Die großen Mediengruppen, insbesondere auch die öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen, stellen sich längst darauf ein, indem sie mittlerweile alle ihre eigenen Mediatheken und Streaming-Portale ausbauen. Und das bedarf natürlich auch anderer, neuerer Berufsbilder.

Es wird deutlich mehr Informationstechnologie eingesetzt in unserer Branche – nicht nur im Bereich der Contribution und Distribution, sondern auch im Bereich der Produktion. Das heißt, dass mittlerweile mit IP-basierten Lösungen gearbeitet wird, dass von Anfang an file-basiert produziert wird – und in diesem Umfeld alleine dadurch jede Menge neue Anforderungen und deshalb auch neue Berufsbilder entstehen.

Ulf Genzel rät zu Weiterbildung.

Welche werden künftig eine wichtige Rolle spielen?

Ulf Genzel: Das sind IT-Network-Engineers, das sind Cloud-Expert*Innen, das sind Lösungs-Architekt*Innen, das sind IT-Security-Expert*Innen, aber auch Presales-Consultants, die sich hochgradig mit IT auskennen, die aber optimalerweise auch Einblicke haben in die Broadcast-Welt, um die Anforderungen der Medienkunden zu verstehen.

Was kann ich denn als Einzelner tun, um mich auf diese Anforderungen einzustellen, wenn ich aus dem klassischen Medienbereich komme und noch ein längeres Arbeitsleben vor mir habe?

Ulf Genzel: Natürlich ist das ganz individuell unterschiedlich, aber es ist auf jeden Fall sinnvoll, sich um entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten zu kümmern. Wenn man sich den aktuellen Seminarkatalog der ARD.ZDF-Medienakademie in Nürnberg ansieht, findet man dort ganz andere Seminare, als noch vor fünf oder zehn Jahren. Da geht es um Themen wie IT-Security, aber auch um übergeordnete IT-Strategiethemen und um Transformationsprozesse.

Die ARD.ZDF-Medienakademie bietet umfangreiche Möglichkeiten zur Weiterbildung.

Ich würde jedem, der in diesem Bereich arbeitet oder künftig arbeiten möchte, empfehlen, mit seinen Arbeitgeber*Innen zu reden und zu schauen: Welche Möglichkeiten gibt es in Bezug auf die eigene Weiterbildung? Dann kann man sich gezielt Möglichkeiten suchen, sich in neue IT-Fachbereiche einzuarbeiten oder auch Zertifizierungen zu durchlaufen.

IT-Fachkräfte sind für den Medienbereich nicht so leicht zugänglich, weil einerseits in der IT-Branche höhere Gehälter bezahlt werden und teilweise auch bessere Arbeitsbedingungen herrschen. Was können Unternehmen dem begegnen?

Ulf Genzel: Wir haben heute ganz andere Marktbedingungen, die wir auch nicht mehr ändern können. Wenn man anfängt, sie zu akzeptieren, dann fällt es auch leichter zu akzeptieren, dass man für eine bestimmte Expertise heute eben auch bestimmte Gehälter zahlen muss, um die richtigen Leute an Bord zu bekommen. Darüber hinaus merken wir, dass Menschen, die im IT-Umfeld arbeiten oder gearbeitet haben, es durchaus gewohnt sind, remote oder auch mit völlig flexiblen Arbeitszeitmodellen zu operieren.

Das ist etwas, wo ich unseren Kunden mitunter rate, sich zu öffnen und zu überlegen, ob man da beispielsweise mehr Flexibilisierung einführen kann, um attraktiver zu sein und die richtigen Leute für ein Unternehmen zu gewinnen.

Welche Faktoren außer Geld und Homeoffice-Angeboten könnten Interessenten noch in die Branche locken?

Ulf Genzel: Ich finde, dass ein Aspekt oft unterschätzt oder nicht optimal eingesetzt wird: Das Employer-Branding. Als Personalberater nehme ich in meiner Arbeit wahr, dass von dem gesamten Medienbereich immer noch ein hohes Maß an Faszination ausgeht. Das ist etwas, was ich auch als Arbeitgeber*In aktiv einsetzen kann, um im Markt als attraktives Unternehmen wahrgenommen zu werden.

Der Axel-Springer-Neubau in Berlin.

Eine andere Möglichkeit ist es, eine angenehme und dynamische Arbeitsumgebung zu schaffen und schon bei der Gebäudeplanung und in den Räumen, die man nutzen will, für sein Team auf eine gewisse Attraktivität zu achten. Ein aktuelles Beispiel dafür ist etwa der Neubau von Axel Springer in Berlin. Das ist im Moment eines der modernsten und aus meiner Sicht auch innovativsten Gebäude für die Medienproduktion in Deutschland, was auch gut im Bereich Employer-Branding funktioniert.

2010 bezog RTL das neue Quartier in den Rheinhallen Köln.

Ein anderes Beispiel ist die Mediengruppe RTL, die ja vor einigen Jahren in einen zum Teil denkmalgeschützten Bereich der alten Messe in Köln gezogen ist und die es geschafft hat, dort eine sehr schöne Arbeitsumgebung zu bieten.
Ein positives Beispiel einer kleineren und aus meiner Sicht sehr dynamischen Firma ist Logic Media: Dort wurde eine coole Office-Location mit Loft-Atmosphäre in Mainz bezogen, die auch jüngere Leute begeistert.

Darüber hinaus sind natürlich Möglichkeiten für die Weiterentwicklung hilfreich, die man einem Team anbieten kann: Zertifizierungen für Projektmanagement, ITIL, AWS oder andere Programme beispielsweise. Auch wenn man den Mitarbeitenden den Besuch von Symposien oder Messen ermöglicht, wird das sicherlich als positiv empfunden.

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