Broadcast, IP, Live, Messe: 19.09.2016

IBC2016: LiveU, Quicklink, Dejero — tragbare Live-Übertragungssysteme

Es gibt mittlerweile zahlreiche tragbare Systeme, mit denen sich Aufnahmen direkt vom Drehort live oder mit geringem Zeitversatz in eine weiter entfernte, zentrale Infrastruktur übertragen lassen. Drei bei der IBC2016 gezeigte Systeme im kurzen Überblick.

Tragbare Systeme, die gebündelte Handy- und oder WLAN-Verbindungen nutzen, um Videosignale zu übertragen — live oder unmittelbar im Anschluss der Aufzeichnung — gibt es mittlerweile schon seit etlichen Jahren, Stichwort: Live-Rucksack.

LiveU zeigte als einer der Pioniere dieser Technologie, schon 2010 solche Systeme auf verschiedenen Messen — und kurz danach gab es auch schon die ersten Anwender in Deutschland. Seither hat sich natürlich einiges getan, die Systeme haben sich weiterentwickelt und es sind neue Anbieter mit neuen Ideen hinzugekommen.

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Das Prinzip, das hier von Quicklink skizziert wird, ist bei den verschiedenen Rucksack-Live-Systemen immer ähnlich.

Heute werden dabei in der Regel mehrere Verbindungen — also mehrere Handy- oder (W)LAN-Zugänge — parallel für die Übertragung genutzt. Die Experten sprechen auch von Link-Aggregation oder IP-Bonding. Die Nutzdaten werden vom Sendesystem auf diese einzelnen Verbindungen verteilt und auf der Empfängerseite wieder zusammengefügt. Mittlerweile sind dabei kürzere Laufzeiten (Latenz) bei der Live-Übertragung möglich und schnelleres Versenden von vorher aufgezeichnetem Material bei gleicher oder höherer Qualität. Die Ursachen dafür liegen in verschiedenen Methoden der Link-Bündelung und Datenverteilung, in leistungsfähigeren Netzen, aber auch in neuen, effizienteren Codecs.

Auch beim Formfaktor hat sich etwas getan: Neben den Rucksacksystemen sind auch kompaktere, an Kameras andockbare Lösungen verfügbar.

Im folgenden sind drei während der IBC2016 gezeigte, neuere Systeme und deren Umfeld dargestellt.

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Mehr Funktionalität zum gleichen Nettopreis von rund 22.000 Euro: Bei LiveU folgt auf das System LU500 nun das neue LU600.

LiveU: LU600

LiveU zeigte mit dem LU600 ein System, das Anfang 2017 verfügbar werden und dann zum Netto-Listenpreis von rund 22.000 Euro angeboten werden soll. Als Nachfolger des bisher in der gleichen Größenordnung angesiedelten LU500.

Das neue System ist nicht das kompakteste dieses Anbieters, aber das modernste: Es braucht laut Hersteller nur 30 Sekunden zum Booten und ist dann sofort sendebereit — natürlich nur sofern es vorher schon mal grundlegend konfiguriert wurde. Die Bedienoberfläche wurde deutlich vereinfacht und verbessert, die Bedienung erfolgt über einen sperrbaren 5-Zoll-Touchscreen, der auch das Videobild zeigt, das gerade übertragen wird.

LU600 erreicht laut LiveU Datenraten bis 20 Mbps im Live-Betrieb, das Delay (Latenz) lässt sich auf weniger als eine halbe Sekunde reduzieren — wobei natürlich minimale Latenz und maximale Datenrate nicht gleichzeitig machbar sind, sondern man einen Kompromiss wählen muss, was aber über einen Schieberegler auf dem Touchscreen einfach zu bewerkstelligen ist.

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Als Schnittstellen bietet LU600 3G/HD-SDI und HDMI an, es können Signale bis 1080p60 verarbeitet werden.

Als Schnittstellen bietet LU600 3G/HD-SDI und HDMI an, es können Signale bis 1080p60 verarbeitet werden. Gegenüber dem Vorgänger hat LiveU die CPU-Geschwindigkeit des Systems nach eigenen Angaben um den Faktor 10 beschleunigt.

Das System bringt laut LiveU neue interne Antennen mit, bis zu acht interne Modems bereiten die Daten auf und versenden sie, auch über LTE-Verbindungen (3G, 4G). Der Akku reicht laut LiveU für 4 Stunden Betriebsdauer aus.

Auf Wunsch kann das System mit 16 GB internem Speicher ausgerüstet werden und somit als Backup-Recorder dienen. Über einen Micro-SD-Karten-Slot werden SDXC-Speicherkarten in der Baugröße Micro mit bis zu 256 GB Speicherkapazität unterstützt.

Mit einer späteren Software-Version will LiveU die Leistung beim File-Transfer auf bis zu 80 Mbps Nutzlast steigern und nutzt dafür dann eine Bonded-Internet-Verbindung (100 Mbps). Das Kodieren im modernen, effizienteren Codec H.265 will LiveU ebenfalls als Upgrade anbieten.

LiveU bietet das System in einem maßgeschneiderten, intelligenten Rucksack an, der auch Fernbedienfunktionalität mitbringt.

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Ohne Modems kostet der Midi-Rucksack rund 5.100 Euro, mit vier 3G-LTE-Modems liegt der Nettopreis bei rund 7.700 Euro.

Quicklink: Midi-Rucksack und neue Apps

Quicklink bietet unter anderem Lösungen an, mit denen man die Brücke zwischen Skype und Broadcast-Infrastrukturen schlagen kann. Mit dem Midi-Rucksack hat das Unternehmen aber auch ein tragbares Übertragungssystem im Programm, das Satelliten-, DSL, WLAN und LTE-Übertragungen ermöglich. Videos lassen sich damit in das Inmarsat BGAN HDR einbinden, anschließend wird das Signal über das Ka-Band übertragen. Bis zu vier SIM-Karten können für den LTE-Betrieb (3G, 4G) eingesteckt werden. Optional bietet Quicklink einen H.265-Codec an.

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Bedient wird das Gerät über den integrierten 8-Zoll-Touchscreen.

Das zugehörige Empfangsgerät kann aber nicht nur vom Rucksack aus gefüttert werden, sondern auch über andere Wege: Direkt von einem Laptop aus — oder mit der zugehörigen App auch von einem Smartphone, dann natürlich im Vergleich zum Rucksack mit geringerer Datenrate und somit Bildqualität, weil dann kein Bonding genutzt werden kann.

Der Midi-Rucksack bringt zwei Akku-Mounts mit, was den unterbrechungsfreien Betrieb ermöglicht, solange man genug volle Akkus hat. Bedient wird das Gerät über einen integrierten 8-Zoll-Touchscreen.

Der Quicklink Midi-Rucksack ermöglicht es, sämtliche gestreamten Medien mit Ortsdaten zu versehen und so die Authentizität der Quellen zu gewährleisten. Außerdem wird GNSS genutzt, um Ausrichtung, Platzierung und Bewegung des Geräts während des Einsatzes verfolgen zu können. Weiter können Signale in Google-Maps eingebunden werden, was beispielsweise bei Radrennen von Bedeutung ist.

Ohne Modems kostet der Midi-Rucksack rund 5.100 Euro, mit vier 3G-LTE-Modems liegt der Nettopreis bei rund 7.700 Euro.

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Dejero bietet die IP-Anbindung in Form der GoBox als Kofferlösung an.

Dejero: Komplette Anbindung in beide Richtungen

Auch von Dejero gibt es tragbare Lösungen für die LTE- oder WLAN-Anbindung von mobilen Crews an zentrale Infrastrukturen — in mehreren Ausführungen. Darüber hinaus zielt das Unternehmen aber darauf ab, diese Anbindung nicht nur als Contribution-Verbindung zu sehen und zu nutzen, sondern den Crews vor Ort auch die Nutzung der heimischen Infrastruktur aus Newsroom- und Redaktionssystem zu ermöglichen — auch unter widrigen Umständen. Damit können die Journalisten vor Ort sehen und erfahren, was im Rahmen der Story an der sie arbeiten andernorts passiert, was schon in der Redaktion an Material und Infos vorliegt. Sie sind nicht allein vor Ort völlig auf sich gestellt, sondern viel enger in die Abläufe in der Zentrale eingebunden.

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EnGo ist eine andockbare Lösung von Dejero.

Für das Übertragen von Material in die Zentrale zeigte Dejero zur IBC2016 mit Live+ EnGo einen neuen Transmitter. Der erlaubt, wie die bereits beschriebenen Systeme, das Bonding von Verbindungen über Handynetze, WLAN, LAN und Satellit und das Kodieren des Bild- und Tonmaterials in IP-Pakete für die Übertragung. Dejero bietet dabei neue Roaming-Pakete für den europa- und weltweiten Einsatz seiner Systeme an: Die Anwender können dabei etwa während Großveranstaltungen eine eigene Roaming-Einheit mieten, oder ihr bestehendes System mit einer Roaming-Standby-Option ausrüsten.

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Bei EnGo können die Anwender das komplette SIM-Modul selbst wechseln.

Nun können die Anwender zudem das SIM-Modul selbst wechseln und somit schnell zwischen verschiedenen SIM-Karten-Sets wechseln. Damit können die Crews rasch auf die jeweilige Situation vor Ort in Bezug auf die verfügbaren Mobilnetze regieren.

Insgesamt erlaubt es das modulare Design des Transmitters nun auch, bei Bedarf die Modems gegen neuere leistungsfähigere auszutauschen. In der nun gezeigten Version des EnGo können zudem Modems genutzt werden, die nicht nur den jeweiligen lokalen Betrieb ermöglichen, sondern weltweit, in ganz unterschiedlichen Regionen der Erde einsetzbar sind.

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Der EnGo-, wie der LiveBox-Transmitter können auch als persönlicher Hotspot für die Crew genutzt werden.

Außerdem kann der neue EnGo-Transmitter auch als persönlicher Hotspot für die Crew genutzt werden, so dass diese auch beim Einsatz ihrer Tablets, Smartphones und Laptops von der meist schnelleren und stabileren Verbindung profitieren können, die der EnGo-Transmitter herstellt.

Dejero hat auch die Möglichkeit vorgesehen, den Transmitter fernzuwarten oder zu optimieren: Techniker in der Zentrale können per Web-Browser den Transmitter lokalisieren, die Leistung überwachen, den Transmitter fernbedienen — und so die Übertragung optimieren. Außerdem können sie eine Preview des einkommenden Feeds sehen und dessen Weiterleitung an die richtigen Stellen in der Zentrale organisieren.

Dejero hat aber noch wesentlich weiter gesteckte Ziele: Crews vor Ort sollen enger in die Abläufe in der Zentrale eingebunden werden, damit sie auch einen Blick auf das größere Ganze haben, während sie vor Ort arbeiten.

Auch in weiteren Aspekten hat Dejero die Funktionalität seines Systems erweitert: Das neue Betriebssystem Core 4.1 bringt zusätzliche Output-Formate mit und Multichannel-Audio (bis zu acht Tonkanäle). Die Übertragungsrate über LAN-Verbindungen (Ethernet) wurde auf 20 Mbps gesteigert.