Postproduction, Test, Top-Story: 03.10.2018

Edius 9: Der PC-Underdog

Edius gehört zu den weniger bekannten Schnittprogrammen für den Profi. Grass Valley setzt bei der PC-Editingsoftware auf ein klassisches Bedienkonzept und legt viel Wert auf Geschwindigkeit und Effizienz. film-tv-video.de hat Version 9 ausprobiert.

Interessant ist, dass Edius zwar seit vielen Jahren im Windschatten von Media Composer, Premiere und Resolve läuft, sich aber dennoch stets behaupten konnte. Der Test zeigt, dass es dafür etliche Gründe gibt.




Die Software

Edius Pro 9 ist mit 589 Euro im oberen Mittelfeld positioniert. Die Studentenversion kostet 235 Euro. In Deutschland wird ein ein deutscher Videokurs, die Medienverwaltung Mync und das Titelprogramm New Blue Titler Pro mitgeliefert. Neben einem zusätzlichen 16stündigen Lernkurs gibt es eine Einstunden-Version, die bei einigen Plug-ins mitgeliefert wird. Die Edius-Workgroup-Version kostet 1089 Euro. Sie bietet im wesentlichen die Möglichkeit, über FTP (die Cloud) arbeiten zu können, beinhaltet ein Loudness-Meter und Optionen zur Ausgabe auf einen externen Monitor mit bis zu 4k/60p. Dazu ist allerdings zusätzliche Hardware notwendig. Die Pro-Version kann maximal 4k30p in 10 Bit 4:2:2 ausgeben.

Edius hat eine deutschsprachige Oberfläche und ist nur für die Windows-Plattform verfügbar.

Alle Updates für die neunte Version sollen bis Mitte/Ende 2019 kostenfrei sein. Edius 9 läuft unter Windows 7, 8.1 und 10. Für HD werden mindestens 4GB an Arbeitsspeicher und eine 1GB-Grafikkarte empfohlen, für UHD mindestens 8GB RAM und eine 2GB-Grafikkarte. Die Grafikkarte muss mit Direct3D 9.0c kompatibel sein. Bei dem Prozessor ist Edius ebenso bescheiden, ein Intel Core 2 oder ein AMD Single Core mit 3 GHz reicht für den Betrieb. Wir habe die Software mit einem Intel Core i/ 7700, 32 GB RAM und der 8GB-Grafikkarte 1070 von Nvidia getestet. Als Intermediate-Format wird der eigene Codec HQX verwendet, der Videos mit bis zu 8192 x 4320 Pixel in 8 oder 10 Bit in der Farbkompression 4:2:2 darstellen kann. Generell unterstützt Edius eine große Bandbreite an Codecs, inklusive vieler Raw-Formate, jetzt neu auch das Raw-Format der Sony Venice und das Canon Raw Light aus der Canon C200.

Mync ist zum Sichten und Organisieren gedacht. Erstellte Storyboards können an Edius weitergegeben werden.

Für die Ausgabe auf Monitoren und das Einspielen von Material gibt es eine ganze Bandbreite an eigener Hardware; hier seien etwa das 639 Euro kostende Storm Pro als interne Hardware genannt oder auch externe Boxen wie das umfassende Strom 3G Elite für 4999 Euro. Aber auch zahlreiche Zusatzteile von anderen Herstellern wie Blackmagic Design Decklink 4K Extreme 12G oder Aja Kona 4 können mit Edius verwendet werden. Treiber der Version 8 von Matrox-werden jetzt ebenso unterstützt.

Mync Medienmanagement
Die Oberfläche von Edius orientiert sich am Avid Media Composer, Oberfläche und Tastaturbefehle lassen sich anpassen.

Zum Sichten, Organisieren und Taggen von Clips wird die Software Mync mitgeliefert. Die Oberfläche ist sehr intuitiv und neben Metadatenanzeige und Möglichkeiten zum Taggen und Organisieren gibt es auch die Option, beim Kopieren die Daten zu überprüfen. Es können zehn verschiedene Tags definiert und, jetzt neu, auf Tastenkombinationen gelegt werden.

Zwei Besonderheiten in der Timeline: Audioclips können direkt bei den Videodateien bleiben, und Übergänge können auch zwischen Spuren gelegt werden.

Ein Clip wird mit einem Doppelklick in Originalauflösung angezeigt. Überbelichtete Bereiche lassen sich mit einem Zebra kennzeichnen. Scopes gibt es leider nicht. Dei Audiokanäle lassen sich getrennt ansehen, aber nicht als Waveform anzeigen.

Auch wenn der eigentliche Multicam-Schnitt gut funktioniert, synchronisieren muss man die Dateien noch selbst.

Interessant ist der Storyboard-Modus, bei dem sich ein visuelles Storyboard mit Blenden und Audiopegel anlegen lässt, das dann über FCP-XML exportiert und wieder in Edius importiert werden kann. Wer Daten direkt aus Mync exportieren will, kann das in H264 in drei Qualitätsstufen tun. Eine verbesserte Suchfunktion nach Metadaten und die Integration von Metadaten aus JPEGs wurde neu hinzugefügt.

 

Die Edius-Oberfläche

Schon nach den ersten Schritten wird sich jeder erfahrene Editor auf der Oberfläche sofort zurechtfinden. Das Design ist einfach und übersichtlich und die meisten Funktionen sind leicht zu finden. Die einzelnen Fenster sind frei angeordnet und lassen sich auch in Konfigurationen speichern. Das Browser-Fenster, die Effekte, das Marker-Fenster und ein Quellbrowser sind als Register angeordnet, lassen sich aber trennen und neu anordnen. Zuspieler und Kontrollmonitor für die Timeline können in Registern oder nebeneinander angeordnet werden. Die Schaltflächen auf den einzelnen Fenstern lassen sich im Menü selbst belegen. Es gibt zwar zahlreiche Schaltflächen, aber keine Werkzeuge wie in Premiere oder FCP X. Je nachdem, welcher Modus aktiviert ist, verhalten sich die Schnittoperationen in der Timeline unterschiedlich. Allerdings wird es an manchen Stellen auch etwas sperrig. So muss man beispielsweise bei der Timeline zunächst die Zusammenfassung von Stereodateien deaktivieren.

Da es kein eigene Master-VU-Meter gibt, muss dafür der Mischer herhalten.

Die Tastaturkommandos sind ungewohnt; klassische wichtige Befehle, wie »Schnittkante verschieben« sind nicht zugeordnet. Auch das Ein- und Auszoomen auf der Timeline liegt auf der Kombination aus Ctrl-Taste und Mausrad und nicht auf einer Tastenkombination. Allerdings können die Tastaturkürzel auf grafischem Weg problemlos vom Nutzer zusammengestellt werden. Die Timeline selbst kann nur bis zum Frame eingezoomt werden. Audiobearbeitung auf Sample-Ebene auszuführen ist möglich, es muss aber der Umweg über eine Offset-Funktion genommen werden. Das Browser-Fenster bietet fünf verschiedene Ansichten, von Kacheln bis zur Listenansicht; besonders gefällt uns die Listenansicht mit Thumbnails.

Die Ausstattung an Audiofiltern ist dürftig. Hier muss wohl am meisten nachgerüstet werden.

Die Listen können mit zahlreichen Metadaten angezeigt und geordnet werden. Insgesamt ist Edius dem Media Composer in der Bedienung am ähnlichsten. Allerdings ist die Timeline flexibler. So hat man hat die Wahl, ob der Ton bei der Videospur angeheftet bleiben soll oder wie üblich in den Audiospuren aufgereiht wird. Zudem sorgt eine eigene Titelspur dafür, dass Objekte in dieser Spur immer über allen Videospuren liegen. Übergangseffekte lassen sich auch zwischen unterschiedlichen Spuren einsetzen. Mit »V-Mute« werden automatisch vier Keyframes generiert und der Ton kurzzeitig ausgeblendet. Eine automatische Synchronisations-Option für Audio und Video oder mehrere Videospuren für die Multicam-Bearbeitung gibt es nicht.

Wer den bis zu 16 Perspektiven umfassenden Multicam-Schnitt nutzen will, muss erst die Clips in der Timeline synchronisieren. Hat man dieses Hindernis beseitigt, funktioniert der Multicam-Schnitt so, wie es sein soll: Es ist einfach, Schnitte zu verschieben oder Kameras zu wechseln, und den Ton kann man handhaben wie in jeder Timeline. Eine Schnitt-Funktion, die Edius noch nicht bietet, ist das Live-Loop Editing, bei dem während der Wiedergabe auf Tastenkommando Schnitte gesetzt oder verschoben werden können. Das Video kann auf dem Desktop als Vollbild oder auf einem zweiten Monitor wiedergeben werden.

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