Broadcast, Top-Story: 21.12.2004

Top-Innovation HD?

Im Dezember lud Sony Branchen-Insider von Sendern, aus Produktion, Postproduktion und TV-Dienstleistung ins Berliner Sony-Center am Potsdamer Platz. Die Besucher erwartete ein hochkarätig besetztes Vortragsprogramm zum Thema HD und die Gelegenheit, sich aus zu tauschen und neueste Sony-Produkte zu begutachten.

Jürgen Burghardt, Manager Broadcast Strategy bei Sony, initiierte erstmals im Jahr 2002 das Sony-Innovationsforum und schuf damit eine Diskussions- und Vortragsplattform, die der Branche die Gelegenheit gibt, sich aus zu tauschen und aktuelle Trends und Technologien zu diskutieren. In diesem Jahr fand der Event erstmals auf europäischer Ebene statt — in diversen Städten und mit internationalen Teilnehmern. Die überwiegend deutschsprachigen Besucher des Events begrüßte Jürgen Burghardt im Sony Center in Berlin – zum fünften Mal folgten zahlreiche Branchen-Insider der Einladung. Auf die rund 150 Besucher wartete ein von Burghardt moderiertes, interessantes Vortragsprogramm sowie eine Präsentation der neuesten HD-Geräte aus dem Hause Sony. Außerdem gab es beeindruckende HD-Präsentationen im CineStar-Kino am Potsdamer Platz zu sehen.

David Bush, Director Sony Professional Solutions Business Deutschland, machte in seiner Begrüßung klar, wie wichtig es sei, herstellerübergreifend und offen in alle Richtungen zu agieren, um HD in Europa voran zu bringen und dafür zu sorgen, dass Deutschland den Anschluss nicht verliere. »Wenn wir die Einführung von HD beschleunigen wollen, müssen wir herstellerübergreifend agieren«, glaubt Bush, ist aber auch der Meinung, dass bei all diesen Bemühungen letztlich der Konsument im Zentrum der Entwicklung stehe.

Das betonte auch Robert Ashcroft, VP Sony Europe, in seinem Vortrag und zeigte auf, dass sich bei den Konsumenten derzeit massive Änderungen vollzögen: »Wir befinden uns inmitten massiver Veränderungen beim Konsumenten.« Einen Flachbildschirm zu besitzen, das sei mittlerweile auch ein Fashion Statement, und dank sinkender Preise für eine größere Zielgruppe interessant. Der Wechsel weg von der Röhre zum Flachbildschirm sei in vollem Gange, und auch im Audiobereich spielten sich tiefgreifende Änderungen ab. Aus Ashcrofts Sicht ist der Konsument bereit für den Wechsel, er verlange förmlich, Programme in höherer Bild- und auch Tonqualität zu bekommen – und zwar jetzt.
Die Entwicklung in den USA, wo mittlerweile rund 1.300 Stationen HD-Material ausstrahlen, führte Ashcroft an, um zu demonstrieren, dass HD auf der Konsumentenseite funktioniere und gerade im Sport, aber auch bei Serien und Dokumentationen einen echten Mehrwert biete. Die Bedenken der Broadcaster, dass der Wechsel zu HD zunächst einmal mit Mehrkosten verbunden sei, kann Ashcroft nachvollziehen, er verweist aber auch darauf, dass eine abwartende Haltung gefährlich sein könne: Wer zu lange darin verharre, setze sich der Gefahr aus, irgendwann zu spät dran zu sein und dann von anderen Entwicklungen überrollt zu werden. Zudem, so Ashcroft, biete HD mittlerweile flexible, modulare und letztlich auch kostengünstige Lösungen. »Bedenken Sie auch die Entwicklungen im Consumer-Markt«, so Ashcroft: Bis zum Jahr 2008 gebe es in Europa Millionen Haushalte mit HD-fähigen TV-Geräten, und dafür müsse der entsprechende Content produziert, aber auch ausgestrahlt werden. Und schon innerhalb eines Jahres sei für Blu-Ray-Geräte eine große Menge an Content verfügbar. Beispiele aus »Spiderman«, die von einer Blu-Ray-Disc wiedergegeben wurden, belegten eindrucksvoll, wie gut dieses Material aussehen kann. Daraus folgerte Ashcroft: »The time for HD in Europe is now«.

David Mercer, VP beim Trendforschungsunternehmen Strategy Analytics, gab in seinem Vortrag einen Überblick der weltweiten HD-Entwicklungen und arbeitete spezielle europäische Aspekte heraus. Die USA und Asien führten die HD-Entwicklung eindeutig an, sagte Mercer. So verzeichneten die USA nunmehr ein starkes HD-Wachstum und auch der japanische Markt sei sehr stark, nicht zuletzt, weil NHK dort 90 % seines Programms in HD produziere und HD auch bei den privaten Anbietern schon 50% des Angebots ausmache. Einen weiteren starken Markt sieht Mercer in Südkorea. Europa, so Mercer, folge leider an letzter Stelle.
»Wenn man in Berlin auf der Straße irgendwelche Passanten nach HDTV fragt, wird wohl der Großteil nicht wissen, worum es geht«, merkt Mercer an. Er glaubt aber auch, dass sich dies mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Flachbildschirmen ändern werde. Diese großen Schirme könnten zum Schlüsselprodukt für die Einführung von HD in Europa werden, denn, so Mercer, HD könne seine Vorteile nur bei großen Displays voll ausspielen. Allein 500.000 Flachbildschirme seien in diesem Jahr verkauft worden, und im kommenden Jahr werde die Millionengrenze geknackt, prognostiziert Mercer.
Dennoch glaubt der Analyst, dass sich Europa zunächst noch etwas schwer tun werde und HD wohl erst im Jahr 2006 in signifikanter Anzahl als Premium Content verfügbar werde. Fürs Jahr 2008 erwartet Mercer die Übertragung aller wichtigen Sport-Events in HD und sieht in diesem Zeitrahmen auch die ersten HD-Angebote der öffentlich-rechtlichen Anbieter. Dass HD vergleichsweise langsam in die Haushalte einziehe, liegt aus Sicht Mercers auch daran, dass es letztlich noch viele ungeklärte Fragen gebe, etwa auch Fragen des Kopierschutzes: »Hollywood is clearly concerned that the consumer can easliy redistribute HDTV content«, so Mercer.

Barry Zegel, Vice President der Westcoast-Operation des großen US-Senders CBS, berichtete in seinem Vortrag von den Erfahrungen, die der Broadcaster mit HD macht. Zegel ist klarer Befürworter des Standards 1.080i x 1.920 und verwies mehrfach darauf, dass aus Sicht von CBS nur dieser Standard tatsächlich als High Definition gelte könne. Letztlich sei HD immer der jeweils beste verfügbare Standard. In den Anfängen des Fernsehens hätten schon 441 Zeilen als hochaufgelöst gegolten, weil es eben zuvor noch weniger Zeilen gewesen seien, merkte Zegel schmunzelnd an. Und jetzt, so Zegel, sei der beste verfügbare Standard eben 1080i x 1920. Die US-Sender hätten sich bis auf wenige Ausnahmen (unter anderem ABC und Fox), für diesen Standard entschieden und produzierten nun in 1080i.
Mit etlichen Produktionsbeispielen zeigte Zegel einen breiten Querschnitt dessen, was in den USA derzeit an HD-Material ausgestrahlt werde. Darunter fanden sich viele Sportproduktionen, etwa von wichtigen Golfturnieren, die CBS neben Tennis, wöchentlichen Football-Spielen und deren Playoff-Runden komplett in HD realisierte. CBS übertrage mittlerweile weite Teile seines Primetime-Programms in HD, ergänzte Zegel.
Ganz generell zog Barry Zegel das Resümee, dass sich HD in den USA hervorragend entwickle. Zudem seien die Durchschnitts-Preise für HDTV-Endgeräte in der vergangenen Jahren auf rund 1.200 US-Dollar gesunken – eine Entwicklung die helfe, die Consumer-Basis HD-fähig zu machen.
Zegel macht aber auch noch andere Vorteile aus, die HD für die Sender bringe und glaubt, dass sich die TV-Sender künftig nur dann noch gegen andere Medien wie etwa Games, Playstation oder DVD durchsetzen könnten, wenn die Qualität besser sei. Man müsse dem Zuschauer den »Mehrwert HDTV« liefern, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Günter Netzer, dessen Firma Infront unter anderem die Übertragungsrechte der Fußball-WM vermarktet, trat als Überraschungsgast auf und äußerte sich im Gespräch mit dem Berliner Radiomoderator Stefan Rupp nicht nur in gewohnter Weise über die Chancen der deutschen Fußballnationalmannschaft, sondern auch darüber, welche Möglichkeiten und Herausforderungen sich aus der HBS-Entscheidung ergeben, die WM in HD zu produzieren. So glaubt Netzer, dass HD fürs Fernsehen in jedem Fall eine Bereicherung darstelle und auch für die Sportberichterstattung neue Möglichkeiten – auch in der Analyse – biete. Netzer ist sich aber auch sicher, dass der Zuschauer zunächst mal mit HD konfrontiert werden müsse, damit er die Qualität der HD-Übertragung auch zu schätzen lerne. Wenn Netzer sagt, dass die Geräte für den Konsumenten auch bezahlbar sein müssten, bestätigt er damit die Einschätzung aller Vortragenden, wonach der Konsument im Zentrum aller Bemühungen bei der Einführung von HD stehen müsse. Für Netzer ist jedenfalls klar: »HD wird die Zukunft sein – und ich freue mich drauf.«

Haruyasu Nagata, Deputy President Sony Europe, betrachtete die HD-Entwicklung aus einer globaleren Perspektive und verwies darauf, dass Japan, die USA und Südkorea derzeit führend in der HD-Entwicklung seien. Allein in Japan seien bis Mitte kommenden Jahres rund 27 Millionen Haushalte HD-fähig, was in etwa der Hälfte der TV-Haushalte entspreche. In den USA hätten derzeit rund 39% der Haushalte HD-Zugang, ähnlich sehe es in Südkorea aus.
Nagata gab weiter Einblicke in die aktuelle Sony-Produktpolitik und verwies darauf, dass Sony im Jahr 2004 entscheidende HD-Produkte wie etwa den HDV-Camcorder FX1, aber auch viele Flachbildschirme eingeführt habe. Ein weiterer Meilenstein werde im kommenden Jahr der Launch des 4K-Projektors mit einer Auflösung von 4.090 x 2160 Bildpunkten sein.
Auch Nagata wünschte sich wie seine Vorredner die Zusammenarbeit unterschiedlichster Mitglieder der europäischen Broadcast-Community, denn nur hersteller- und anwender-übergreifend sei es möglich, den HD-Markt auch in Europa voran zu bringen.

Wolfgang Elsäßer, Vice President und CEO der Astra Marketing GmbH, beleuchtete HD aus Sicht der Transmission und freute sich über die positiven Entwicklungen, die in den vergangenen Monaten zu verzeichnen gewesen seien. Aus seiner Sicht wird HD zunächst als Premium-Content angeboten werden und dann sukzessive das SD-Angebot ablösen.
Die treibenden Kräfte sieht Elsäßer bei den Produzenten und beim Handel, verwies aber darauf, dass letztlich immer der Konsument im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen müsse. Von der Politik wünscht sich Elsäßer, dass sie die Einführung von HD forciere, denn in den Ländern, wo dies per Gesetz geschehen sei, könne man klar erkennen, dass HD schon viel weiter sei – etwa in den USA oder auch in Australien, wo jeder Sender mindestens 20 Prozent seines Programms in HD ausstrahlen müsse.
Auch Elsäßer stellte fest, dass die Verbreitung von Flachbildschirmen weiter zunehme und geht davon aus, dass spätestens mit der kommenden Funkausstellung in Berlin ein echter Boom bei Flachbildschirmen einsetzen werde.
Die Frage, was Astra dafür tue, dass HD beim Konsumenten ankomme, beantwortete Elsäßer so, dass Astra schon jetzt einen kostenlosen HD-Kanal für Händler ausstrahle, so dass diese die Möglichkeit erhielten, HD-Bilder zu zeigen – denn dieses Seherlebnis sei für den Kunden letztlich entscheidend.

Timo Koch vom belgischen Ü-Wagen-Dienstleister Outside Broadcast, der zu den ersten HD-Anbietern gehörte, vermittelte Einschätzungen aus dem HD-Produktionsalltag. Wenn Koch sagt, dass es schon jetzt viele Gründe gebe, in HD zu produzieren, auch wenn die meisten Sender noch kein HD ausstrahlten, hat er gute Gründe dafür: Wer als Ü-Wagen-Betreiber HD anbiete, könne sich differenzieren und sich gewissermaßen durch das Qualitäts-Label »produziert in HD« abheben. Das Endprodukt selber sei natürlich auch deutlich überzeugender, fast könne man schon von einem 3D-Look sprechen, der sich dem Zuschauer bei einer HD-Produktion biete.
HD sei allerdings kein Wundermittel, um eine schlechte Produktion zu retten, so Koch, aber eine gute Produktion werde dadurch auf jeden Fall besser. Klar sei aber auch, dass HD weniger Fehler verzeihe und mehr Anforderungen an Deko, Beleuchtung und auch Maske stelle.
Natürlich, so führte Koch aus, sei eine HD-Produktion immer noch teurer als eine SD-Produktion – aber eben auch günstiger als eine Filmproduktion. Koch prognostizierte weiter sinkende HD-Equipment-Preise, und tat das mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Als »Early Adopter« der HD-Technologie musste Outside Broadcast mit ansehen, wie der Wert des neuen HD-Equipments rasch sank. Dennoch ist Koch der festen Überzeugung, dass HD nicht zuletzt wegen der internationalen Verwertungsmöglichkeiten und neuen Vertriebskanäle wie etwa D-Cinema und HD-DVD die Zukunft sei.

John Ive, Director Strategic Planning bei Sony, fasste die verschiedenen Aussagen der Vortragenden des Innovationsforums zusammen. Er merkte an, dass offene Standards bei der Einführung von HD eine wichtige Rolle spielten, es aber auch darum gehe, die unterschiedlichen Anforderungen von Produktion und Distribution an einen HD-Standard unter einen Hut zu bringen. Für die europäischen Broadcaster sei es wichtig, den richtigen Zeitpunkt für den Einstieg in HDTV nicht zu verpassen. Wer zu lange warte, so Ive, setze sich der Gefahr aus, den Anschluss zu verlieren – und damit auch sein angestammtes Geschäftsfeld. Die Prognosen von 19 Millionen installierten HDTV-Endgeräten bis zum Jahr 2008 zeigten, dass HD in Europa Realität werde. Jetzt, so Ive, gehe es für Hersteller wie auch für Broadcaster darum, dieses Potenzial zu nutzen.

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