Postproduction, Test, Top-Story: 03.09.2003

Heavy Metal

Blue, Purple und Silver heißen die bisher verfügbaren Schnittsysteme von Pinnacle. Mit dem neuen System Chrome kommt nun ein zweites Metall ins Spiel. Die Namensgebung gibt schon einen ersten Hinweis: Chrome wird wohl Silver ablösen, wenn das neue System in der nächsten Software-Version seinen vollen Leistungsumfang entfaltet hat. Ein Test von Chrome.

Chrome besteht im wesentlichen aus der Editing-Software Liquid in der Version 5.0, dem Echtzeit-Video-Board Targa 3000 und einem leistungsfähigen Rechner von HP. In der getesteten Version konnte das System ausschließlich mit SDI– oder analogen Videosignalen gefüttert werden, einen IEEE-1394-I/O für DV unterstützt das System noch nicht. Das soll sich schon mit dem nächsten Software-Release ändern, das dann auch umfangreichere, komplett integrierte DVD-Authoring-Funktionen bringen soll.

Pinnacle bietet Liquid Chrome in Deutschland zum Nettopreis von rund 25.000 Euro an (inklusive Speicher). Der Leistungsumfang wie auch der Preis der neuen Lösung machen das Produkt Liquid Silver in der Pinnacle-Palette eigentlich überflüssig. Folgerichtig bietet Pinnacle für Besitzer von Silver-Systemen günstige Upgrade-Preise an, um diese Nutzer auf die modernere Targa-3000-Plattform zu ziehen. Wer schon ein Targa-3000-Board besitzt und mit anderen Softwares nutzt, kommt in den Genuss von attraktiven Crossgrade-Programmen. Damit ist klar, dass Chrome mittelfristig Silver ablösen dürfte, auch wenn der Hersteller das nicht so kommuniziert.

Innerhalb der Editing-Produktlinie von Pinnacle steht Chrome unterhalb von Blue. Während Blue mit umfangreichen Compositing-Features ausgestattet ist und eher auf den Broadcast-Markt zielt, soll Chrome als System für das etwas gehobene Einzelplatz-Editing positioniert werden, dort wo Image- und Industriefilme entstehen, wo Dokumentation geschnitten werden. Bei Chrome steht das Editing (zunächst mit unkomprimiertem und MPEG-komprimiertem Material, später auch mit DV) im Vordergrund. Darunter steht bei Pinnacle Purple als reine DV-Lösung.
Eine Lücke für Silver dürfte spätestens mit Erscheinen der nächsten Chrome-Version nicht mehr übrig bleiben.

CHROME: TOP-FEATURES
Die Top-Funktion von Chrome ist zweifelsohne die Möglichkeit, bis zu vier unkomprimierte Videoströme in Echtzeit wieder zu geben und zahllose 2D- und 3D-Effekte in Echtzeit zu bearbeiten. Silver kann im Unterschied dazu lediglich zwei unkomprimierte Videoströme in Echtzeit bearbeiten. Chrome ist deshalb so leistungsfähig, weil im Inneren des Rechners die Targa-3000-Hardware und das K2-Aufsteck-Board werkeln. Letzteres ermöglicht die Echtzeit-3D-DVEs.
Liquid Chrome unterstützt weiter Background-Processing, es ist also möglich, komplexe Effekte zu gestalten, während die Software im Hintergrund schon rendert. Das bringt viel Zeitersparnis mit sich.

Eine weitere Schlüssel-Funktion des Systems ist seine Netzwerkfähigkeit: Chrome arbeitet mit einem Standard-File-System, es lässt sich also sehr leicht an andere Systeme anbinden und ist ausgesprochen netzwerkfreundlich. Das dürfte besonders für Studios interessant sein, die mehrere Systeme im Netz betreiben wollen. Broadcaster dürften sich über diese Vereinfachung nicht minder freuen.

NEUHEITEN-ÜBERBLICK
Chrome arbeitet mit der Editing-Software Liquid, die beim aktuellen System in Version 5 ausgeliefert wird. Diese Version hat im Vergleich zur Vorgänger-Variante viele kleine Verbesserungen erfahren. Schönes Detail, das gleich zu Beginn ins Auge sticht: Chrome erlaubt PC-Bildschirmauflösungen von bis zu 1.600 x 1.280 Bildpunkten, das Layout erlaubt jetzt die randlose Ausnutzung der Monitorfläche. Das Video-Inlay lässt sich dabei so maximieren, dass die volle CCIR-Auflösung zu sehen ist. Das ist sehr angenehm, denn es erlaubt dem Editor eine komfortable und exakte Bildkontrolle, zur Not kann so sogar auf den separaten Videomonitor verzichtet werden, der sich an das System anschließen lässt. Weiter bietet Chrome justierbares digitales Audio-Scrubbing. Das ist im Praxisbetrieb sehr nützlich und macht es dem Editor etwa im Trim–Modus leichter, auf Ton zu schneiden, die einzelnen Clips also nach Gehör zu trimmen.

Gut an der neuen Version sind auch die vielen Möglichkeiten, die
Oberfläche individuell ein zu stellen. So lässt sich die Tastatur ganz nach Belieben mit den gewünschten Funktionen belegen. Bei der Fülle an Einstellmöglichkeiten bleibt kein Wunsch offen, jetzt könnte der eine oder andere Editor schon eher damit hadern, dass er sich nicht mehr erinnern kann, welche Taste er mit welcher Funktion belegt hat. Wie die Tastatur lässt sich auch das externe Jog/Shuttle-Pult mit den Funktionen belegen, die der Editor wünscht. Das Pult, das schon von Silver und Blue her bekannt ist, gibt’s auch bei Chrome optional. Damit lässt sich das System auch in allen wichtigen Editing-Funktionen steuern.

Wer will, kann per Midi-Protokoll auch ein Audiomischpult an Chrome anschließen.
Etliche kleinere Neuerungen gibt es im Timeline-Verhalten, etwa bei der Magnetfunktion. Bequem ist auch die automatische Szenenerkennung, mit der die Software einen langen Clip auf Wunsch ohne Zutun des Anwenders in einzelne Szenen unterteilen kann. Die Software nutzt als Basis hierfür wahlweise den Bildinhalt oder die Metadaten.

Als sehr leistungsstark erweist sich auch die neu integrierte Funktion »X-Receive«. Sie stellt im Prinzip das Gegenstück zur in der Windows-Welt aus vielen Applikationen bekannten »X-Send«-Funktion dar und ermöglicht etwa automatisierten Import mit Liquid. Auch das spart dem Editor viel Zeit, denn er muss etwa Medien-Files aus anderen Applikationen nicht mehr zwangsläufig händisch importieren.

Echtzeit-Editing mit Chrome
Die Targa-3000-Hardware erlaubt im Zusammenspiel mit dem K2-Board leistungsfähiges 4-Spur-Echtzeit-Editing mit zahlreichen Echtzeiteffekten in 2D und 3D. Das ist letztlich das Hauptargument für Chrome: Selbst sehr effektlastige Produktionen mit bis zu vier Videoströmen lassen sich mit diesem System weitestgehend in Echtzeit bearbeiten. Dank dieser Funktionalität eignet sich Chrome besonders gut für den anspruchsvolleren Produktionsmarkt. Der Preis fürs Komplettsystem macht Chrome aber durchaus auch für klassische Silver-Nutzer interessant, denn sie bekommen jetzt für einen vertretbaren Aufpreis deutlich mehr Leistung.

Und die ist wirklich beeindruckend und zahlt sich besonders bei Multi-Layer-Projekten voll aus. Hier gibt es bei Projekten, die sich auf vier Bildspuren beschränken so gut wie keine Render-Wartezeiten mehr, so dass man wirklich extrem zügig arbeiten kann. Das ist in dieser Klasse absolut überzeugend.

Wichtig für umsteigewillige Silver-Nutzer: Die von manchen Silver-Anwendern genutzten InTime-Beschleuniger-Boards werden von Chrome nicht unterstützt. Weil die Kombination von Targa-Board und neuer Software-Version aber sehr viel mehr Echtzeitfunktionen bietet und das System auch recht flott rendert, wenn das nötig wird, dürfte letztlich in fast allen Fällen die Arbeitsgeschwindigkeit an Chrome dennoch höher liegen, als am Silver-System mit Intime-Boards.

Bei der insgesamt hohen Arbeitsgeschwindigkeit, die Chrome erlaubt, stört allerdings ein Knackpunkt, der sich im ganz normalen Editing-Betrieb zeigt, immer wieder das flüssige Arbeiten: Will man einen Clip wiedergeben und drückt die Play-Taste, gibt es eine deutliche Verzögerung, bis der Clip dann tatsächlich losläuft und auf dem Videomonitor zu sehen ist. Diese Latenz nervt und macht etwa den direkten Play-to-Air-Betrieb schwierig. Bei Pinnacle arbeite man jedoch an der Lösung dieses Problems, so die Entwicklungsabteilung. Das Delay zwischen Tastendruck und Wiedergabestart soll in der kommenden Software-Version deutlich kürzer ausfallen.

Doch zurück zum Multi-Layering: Prinzipiell gilt bei den Multi-Layer-Projekten, dass Clips, die auf der obersten Videospur liegen, auch die höchste Priorität haben und die darunter liegenden Clips überdecken – sofern sie nicht mit Effekten versehen sind. Jeder einzelne Clip lässt sich mit diversen Effekten versehen. Bei jedem Clip auf der Timeline ist dabei anhand eines kleinen Einklinkers zu sehen, welche Effekte ihm zugeordnet sind. Über das Fenster »fx-Eigenschaften« kann der Editor für jeden Clip die zugeordneten Effekte aufrufen und nach Belieben aktivieren oder deaktivieren. Das eröffnet gerade bei aufwändigen Multi-Layer-Projekten eine schöne und simple Möglichkeit, die Übersicht zu behalten und jederzeit zu testen, wie ein Clip mit und ohne einen bestimmten Effekt aussieht.

Wird der Echtzeit-Funktionsbereich von Chrome überschritten, muss vor der Wiedergabe gerendert werden. Das passiert etwa dann, wenn man mehr als vier Videospuren gleichzeitig abspielen will. In solchen Fällen warnt das System frühzeitig: So lange die Slice-Farbe in der Timeline grün bleibt, lässt sich alles jederzeit in Echtzeit abspielen, wird sie rot, müssen die entsprechenden Stellen gerendert werden.

Die Übersichtlichkeit der Editing-Software macht sich auch in anderen Bereichen positiv bemerkbar: Prinzipiell sind alle Echtzeiteffekte durch ein vorangestelltes RT gekennzeichnet. So ist für den Editor auf einen Blick ersichtlich, ob der Effekt in Echtzeit verfügbar ist oder nicht. Bedienen und einsetzen lassen sich diese Effekte im Prinzip genauso wie die Rendering-Effekte (bei Chrome heißen diese »Classic Editoren«), allerdings gibt es ein paar Unterschiede: So ist bei den Echtzeiteffekten kein Umschalten von Standard- auf Vollbildmodus vorgesehen, und auch die Zoomfunktion ist nicht verfügbar.

Besonders leistungsstark ist der 3D-FX-Editor. Damit kann der Anwender das Videobild im dreidimensionalen Raum manipulieren, es in Größe und Position verändern, rotieren, in unterschiedlichsten Perspektiven bringen, verschieben und mit einer Vielzahl weiterer Effekte modifizieren. Es lassen sich etwa Lichtquellen setzen, die Bilder können verformt oder auch defokussiert werden. Auch 3D-Übergangs-Effekte zwischen zwei Clips sind möglich.

Interessant ist auch der Echtzeit Chroma-Key-Editor, mit dem sich eine bestimmte Farbe oder auch ein Farbbereich direkt im Videobild auswählen und damit für den darunter liegenden Clip »durchlässig« machen lässt. Weitere Echzeit-Effekte sind Luma-Key, Color Editor, FX Dissolve, Transition Wipe, Matte und Track Target Editor. Letztere ermöglichen Maskeneffekte, bei denen im Prinzip ein Clip die Grundlage für eine Maske ist, die sich dann auf einen darunterliegenden Clip anwenden lässt.

FAZIT
Chrome ist ein leistungsfähiges Editing-System, das frischen Wind in die Mittelklasse bringt und mit seiner Echtzeitfunktionalität absolut überzeugt. Für Silver-Besitzer ist Chrome eine echte Alternative: Sie können ihr altes System für nur 5.000 Euro upgraden. Günstiger lässt sich der Schritt in die nächsthöhere Klasse kaum realisieren.

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