5G, IP, Veranstaltung: 16.02.2021

5G und IP in der Medienproduktion

Bei einem virtuellen Austausch über die Themen IP und 5G in der Broadcast-Welt lieferten Andreas Lattmann (SRF), Sascha Molina (NDR), Frank Schulz (Media Broadcast) und Wolfgang Wagner (WDR) interessante An- und Einsichten.

Logic, Nevion und Sony veranstalteten einen moderierten virtuellen Austausch zwischen vier Medienexperten.

Die Nutzung standardisierter IP-Infrastruktur für die Produktion und Distribution von Medieninhalten schreitet voran, und die Einführung von 5G gibt viele neue Impulse in der Produktion. Logic, Nevion und Sony veranstalteten gemeinsam zu diesem Themenbereich einen moderierten virtuellen Austausch zwischen vier Medienexperten.

Die Teilnehmer waren:
• Andreas Lattmann — CTO, Leiter Planung & Projekte bei SRF
• Sascha Molina — Produktionsdirektor NDR
• Frank Schulz — CTO Media Broadcast
• Wolfgang Wagner — Direktor Produktion und Technik WDR

Die Teilnehmer der Diskussion.

Erkan Arikan, Journalist und Moderator bei der Deutschen Welle, moderierte den Online-Event. Mit der Frage, ob die neue Technikwelt im Broadcast-Bereich alles erleichtere oder ob eher noch Schwierigkeiten bestünden, eröffnete er die Diskussion.

Für Sascha Molina, Produktionsdirekter NDR, bietet IP definitiv großes Potenzial, wirft aber in etlichen Aspekten auch noch viele Fragen auf. Als Vorteil von IP führt Molina die Skalierbarkeit an, was aber gleichzeitig auch mit entsprechenden Kosten verbunden sei. »Aus unserer Sicht rechnet sich das derzeit noch nicht«, sagt Molina. Unter anderem sei das auch deshalb so, weil durch die Einführung der neuen Technologie auch viele Berufsbilder durcheinander gewirbelt würden.

Wolfgang Wagner, Direktor Produktion und Technik WDR.

Wolfgang Wagner, Direktor Produktion und Technik WDR, findet, dass sich die Einführung von 5G letztlich nicht so sehr von der Einführung anderer Technologien unterscheide und dass es wie so oft an einheitlichen Standards fehle. Für kleinere Lösungen hält er IP-Systeme für überdimensioniert und auch für teurer als klassische Broadcast-Technik. Bei großen Installationen hingegen reicht aus seiner Sicht eine 12G-SDI-Infrastruktur nicht mehr aus, hier biete IP durchaus Potenzial. »Wir müssen letztlich immer von Fall zu Fall entscheiden und uns jeweils für angemessene Lösungen entscheiden«, sagte er. 

Frank Schulz, CTO Media Broadcast.

Frank Schulz, CTO Media Broadcast, erläutert, dass Media Broadcast in puncto IP nicht nur mittendrin, sondern schon am Ende eines anspruchsvollen Projekts sei. »Wir haben uns das am Anfang leichter vorgestellt, aber das Migrieren war doch eine Herausforderung«, bilanziert er.  5G bescheinigt er nicht nur großes Potenzial, sondern auch erste Erfolge. So habe Media Broadcast in Nauen in der Nähe von Berlin eine 5G-Zelle aufgebaut, mit der das Unternehmen in der Lage sei, sein eigenes 5G-Portfolio in einem realen Umfeld weiter zu entwickeln und damit einen Proof of Concept (PoC) für die neuen Services zu erbringen.

Moderator Erkan Arikan.

Erkan Arikan sprach an, dass es bei der Einführung von 5G auch Stolpersteine geben könne.

Andreas Lattmann, CTO und Leiter Planung & Projekte SRF.

Andreas Lattmann, CTO und Leiter Planung & Projekte bei SRF, berichtet, dass diese in der Schweiz vorwiegend politischer und nicht technischer Natur seien, weil es in der Bevölkerung viele Widerstände gegen den Aufbau der 5G-Antennen gebe. Bei IP hingegen zeichnet der SRF ein anderes Bild — so stecke beispielsweise im neuen Produktionsgebäude in Zürich sehr viel IP-Technologie (siehe Beitrag). »Seit vergangenem Juni arbeitet der SRF produktiv mit einem 2110-Netzwerk — und es funktioniert!«, sagte Lattmann. Trotz des Lehrgelds, das man bezahlen musste, sei es die richtige Entscheidung gewesen, auf IP zu setzen: »Und es wird wohl die richtige Entscheidung bleiben.«

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland wird oft nachgesagt, dass er eher behäbig agiere, wenn es darum geht, neue Technologien einzuführen. Erkan Arikan wollte von den Teilnehmern der Diskussion wissen, ob vor diesem Hintergrund eines der Probleme bei der Einführung von IP darin besteht, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk generell schwer tue, schnelle Entscheidungen zu treffen?

Sascha Molina, NDR.

Sascha Molina sieht das gar nicht so. Vielmehr geht es nach seinem Empfinden bei einem Sender wie dem NDR eben oft auch darum, unterschiedlichste Schnittstellen zu berücksichtigen. In Zeiten knapper Kassen diskutiere man zudem stets die Frage, ob es nicht der primäre Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei, Content zu produzieren — und nicht etwa technische Neuerungen zu implementieren.

Doch bedingt nicht das eine das andere, gab Erkan Arikan zu bedenken? Braucht es nicht eine gute und moderne technische Infrastruktur, um guten Content produzieren zu können? 

Wolfgang Wagner, WDR.

Wolfgang Wagner wendet ein, dass es diese Diskussion schon sehr lang gebe, dass beide Aspekte wichtig seien und letztlich immer ein Geben und Nehmen stattfinde. Man müsse zudem bedenken, dass in früheren Jahren die Technologie die wichtigste Rolle gespielt habe. Heutzutage gehe es jedoch viel mehr um die Frage, ob eine neue Technologie es ermögliche, effizienter zu arbeiten. Und das erfordere eine individuelle Einordnung jedes Projekts. So habe sich der WDR etwa bei der Erneuerung von zehn Regionalstudios bewusst gegen IP entschieden, bei neuen Ü-Wagen aber für IP, weil die Technik bei diesem Projekt absolute Vorteile biete. Auch die Erneuerung der anstehenden Sendeabwicklungen bewege sich in Richtung IP.

Sorge bereitet Wagner bei allen Entscheidungen der wirtschaftliche Druck, der nach seiner Einschätzung stets schnelle Entscheidungen erfordert. Hier hinke die Standardisierung hinterher, was es für den Broadcaster sehr problematisch mache, schnell zu entscheiden. 

Andreas Lattmann, SRF.

Andreas Lattmann betont, dass die Entscheidung des SRF für IP definitiv auch unter dem Kostenaspekt die richtige Wahl gewesen sei. »Wir hätten massiv fehlinvestiert, wenn wir uns für 12G-SDI entschieden hätten«, betont Lattmann.

Frank Schulz ergänzt, dass wirtschaftliche Aspekte auch für Media Broadcast stets relevant seien und dass man sich deshalb ganz explizit für IP entschieden habe – insbesondere auch wegen der Maintenance-Kosten. Schulz ist sich zudem sicher, dass es aus wirtschaftlicher Sicht noch viel Potenzial für virtualisierte Anwendungen gibt, insbesondere beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. »Hier erwarte ich eine spannende Diskussion«, sagt Schulz.

Q&A

Per Chat hatten auch die Zuschauer des virtuellen Events die Gelegenheit, Fragen zu stellen. 

Eine lautete, ob die teilweise komplizierten Vergabeverfahren nicht beschleunigt werden müssten, um neue Technologien schneller adaptieren zu können. 

Andreas Lattmann glaubt, dass die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied unkompliziertere Vergabeverfahren biete.

Wolfgang Wagner wiederum findet, dass EU-Ausschreibungen durchaus positive Aspekte haben, weil man dadurch auch neue Ansätze verfolge. Sascha Molina bestätigt das, wenn er sagt, dass eine Vergabe zwar auf den ersten Blick sehr formal abläuft und auch lange dauert. »Aber sie bietet auch viel Potenzial, nämlich dann, wenn man nicht exakt die gewünschten Geräte vorschreibt, sondern erläutert, welche Prozesse man abbilden möchte.«

Moderator Erkan Arikan.

Mit der Frage, welche Anforderungen es in der IP- und 5G-Welt ans Personal gibt, sprach Erkan Arikan ein weiteres wichtiges Thema an. 

Wolfgang Wagner bestätigt, dass es beim Thema Broadcast IP durchaus einen anderen Personalbedarf gibt. »Personal und Skills sind derzeit die größten Herausforderungen«, findet er. »Im IP-Bereich fehlt Personal und es ist schwierig zu bekommen.« Man könne aber nicht alle Qualifikationen innerhalb eines Senders selbst aufbauen und benötige immer wieder Input, wie auch Personal von außen.

Sascha Molina bestätigte dies: »Der klassische Broadcaster konzentriert sich auf die Sendung und darauf, bei einer Havarie schnell zu reagieren. IT-Leute haben einen anderen Fokus.« Er hält einen breiten Generalistenstamm an Personal für notwendig, sagt aber: »Es muss nicht jeder alles können.« Leute, die immer wieder auf neue Trends eingehen und dafür geschult werden können, seien nötig, außerdem müsse es eine feinere Ausdifferenzierung in der Ausbildung geben, die modernisiert werden müsse. Auch Molina findet, dass der Personalmangel im IP-Bereich oft nur mit Leuten von außen gestillt werden könne. 

Andreas Lattmann gibt zu bedenken, dass man fertig ausgebildete Leute praktisch kaum finde. »Man benötigt in der Broadcast-Welt Leute mit breitem Know-how, die Interesse an neuen Themen haben — ich nenne diese Leute Einhörner.« Doch um qualifiziertes Broadcast-IP-Personal zu bekommen, gebe es nicht den einen goldenen Weg, ergänzt er. Man müsse oft abwägen, ob man einen AV-Techniker oder einen Computerspezialisten nehmen solle. »Es kommen ja keine fertigen Experten von den Hochschulen«, wirft Lattmann ein.

Frank Schulz stößt in dieses Horn: »Meist findet man niemanden, der schon alles kann, was wir brauchen.« Außerdem findet er, dass ein Unternehmen wie Media Broadcast vor allem Mitarbeiter brauche, die die Sprache der Kunden sprechen und bereit sind, sich in ein Thema zu vertiefen. Um diese zu finden, müsse man teilweise auch Standorte aufgeben und sich an jenen Standorten neu orientieren, wo man die richtigen Leute finden könne.

Warum wurde das IRT geschlossen?

Mit der Frage, warum das IRT geschlossen wurde und ob damit nicht eine besonders wichtige Plattform für alle Broadcaster verloren gegangen sei, die Know-how aufbaut, sprach Erkan Arikan einen wunden Punkt an (Meldung).

Wolfgang Wagner, WDR.

Wolfgang Wagner vom WDR sagt dazu, dass man natürlich auch künftig Know-how aufbauen müsse — dass dies aber zeitgemäß stattfinden müsse. Man brauche eine neue, flexiblere Konstruktion. Sascha Molina sieht das auch so und sagt: »Die Zeit für ein Institut dieser Art ist vorbei, man braucht eine andere, neue Form der Vernetzung. Der Markt hat sich verändert, die Zeiten haben sich verändert.«

Andreas Lattmann, SRF.

Auch die Hersteller spielten mittlerweile eine andere Rolle als noch vor zehn Jahren, untermauert Andreas Lattmann: Mit Nevion arbeite man derzeit intensiv und eng daran, drei große SRG-Standorte in der Schweiz zu vernetzen. Der Hersteller sei hier letztlich nicht nur Lieferant, sondern auch Consultant.

Löst die Cloud viele Probleme?

Auch das Thema Cloud interessierte die Zuschauer, hier kam die Frage, welches Potenzial Cloud-Lösungen im Broadcast-Bereich bieten

Frank Schulz, Media Broadcast.

Für Frank Schulz ist die Cloud der richtige Weg: »Die Cloud ist die Lösung. Wir glauben an die Virtualisierung, gerade vor dem Hintergrund, dass sich Dinge verändern.« Cloud sei nicht nur für Sender, sondern auch für Produktionsfirmen relevant, schließlich sei es mittlerweile schon möglich, sogar einen Übertragungswagen in die Cloud zu bringen. »Darauf muss man sich definitiv einlassen«, erläutert er und weist auch auf die gr0ßen Vorteile hin, die die Cloud auch für die Mitarbeiter eröffne.

Sascha Molina, NDR.

Sascha Molina sieht ebenfalls Potenzial in der Cloud, insbesondere in jenen Bereichen, wo die Anforderungen an die Leistung stark schwanken. »Die Skalierung ist die Stärke der Cloud.« Es gebe aber auch Fälle, in denen die Cloud letztlich überdimensioniert sei, findet er und resümiert: »Die Rechnungen sind halt ebenfalls toll bei Cloud-Lösungen.« Damit weist er auch auf den Wechsel von operativen und investiven Kosten hin. »Man muss genau rechnen und die Wirtschaftlichkeit überprüfen«. Auch Wolfgang Wagner ist sich sicher, dass nicht alle Anwendungen in der Cloud automatisch günstiger seien, und ergänzt, dass es für die Cloud auch spezialisiertes Personal brauche. 

Moderator Erkan Arikan.

Zum Schluss der Runde fragte Erkan Arikan die Teilnehmer nach ihrem Rat in Bezug auf 5G und IP. 

Frank Schulz rät zu Mut und Investitionsfreude und findet, dass nichts an IP und 5G vorbeiführe: »Darum muss man sich kümmern und die richtigen Supplier auswählen.« Auch Andreas Lattmann ist sich sicher, dass IP und 5G der richtige Weg ist: »Die Frage ist nicht ob, sondern wann.« Sascha Molina sieht das zwar tendenziell auch so, findet aber, dass der richtige Zeitpunkt für den Einstieg in IP und 5G noch offen ist: »Man muss den richtigen Zeitpunkt selbst wählen und genau rechnen.« Wolfgang Wagner hält den evolutionären Weg bei der Einführung von IP und 5G für sinnvoll und fordert eine schnelle Standardisierung. An die Hersteller gerichtet wünscht er sich, dass nicht alle Produkte von der Capex- in die Opex-Welt wandern sollen. Alles auf Mietbasis anzubieten, sei für die Sender nicht machbar: »Wir sind auch froh, wenn wir mal investieren dürfen.« 

Weitere Veranstaltung

Moderator Erkan Arikan wies am Ende des gut besuchten Online-Events darauf hin, dass zwei weitere virtuelle Veranstaltungen folgen sollen. 

Teilnehmer: Markus Osthaus (TVN), Tim Achberger (Sportcast), Markus Berg (IRT), Jürgen Konrad (Plazamedia)

Termin: 25. Februar 2021, 10.00 Uhr

Hier geht’s zur Story über die zweite Veranstaltung mit dem Thema »Mobil und lokal mit IP und 5G«.

Keine Infos mehr verpassen und einfach den Newsletter abonnieren: