Editorial, Kommentar, Top-Story: 13.11.2009

Blu-ray: Der DVD-Nachfolger, der keiner ist

Noch ist es in der Regel so, dass Spielfilme erst im Kino laufen und dann als DVD und Blu-ray Disc (BD) in den Handel gehen — wo sie dann noch einmal wesentlich mehr Gewinn generieren als an der Kinokasse. Ausnahmen von dieser Regel gibt es, aber die betreffen nur ganz wenige Kinokassenschlager.

Neben den Kinofilmen kommen auch Fernsehserien als Sammelboxen in den Handel: »Dr. House«, »Desperate Housewives«, aber auch die jüngste Staffel der ProSieben-Serie »Stromberg«. Bei letzterer beschritt ProSieben neue Wege und wählte nicht die übliche Abfolge: Die komplette neue »Stromberg«-Staffel plus Bonusfilm wurde gleichzeitig mit dem Start der TV-Serie auf DVD angeboten — ging also schon in den Handel, bevor sie komplett ausgestrahlt war. Das zeigt einerseits, dass die Privatsender auf neuen Wegen versuchen, neue Erlösquellen zu erschließen – in Zeiten schwindender Werbebudgets ist hier zunehmend Kreativität gefragt.

Andererseits steht aber die Frage im Raum, wie lange das Geschäft mit »Packaged Media« noch so weiterlaufen wird wie bisher. Auch wenn der BD immer wieder fantastische Zahlen attestiert werden, und mit jedem Weihnachtsgeschäft und jeder neuen Version von Sonys Playstation angeblich der endgültige Durchbruch erreicht wird: In Wahrheit sinken die Verkaufszahlen für Packaged Media, die BD kompensiert bisher keineswegs die Rückgänge bei der DVD.

Wollen die, die am meisten Spielfilme und TV-Serien konsumieren, überhaupt noch Packaged Media? Ist nicht der Musikmarkt die Blaupause für das, was auch im Filmmarkt passieren wird? So wie heute die meiste Musik als MP3 aus dem Internet geladen wird, könnte sich auch die Verteilung bei Bewegtbildern mehrheitlich ins Netz verlagern. Wer braucht noch Regale voller Konserven zuhause, wenn alles jederzeit frisch verfügbar ist? Aber das Booklet und das Bonusmaterial sind doch echter Mehrwert — so wird oft argumentiert. Kann schon sein: Aber im Kino gibt es das auch nicht — und trotzdem gehen die Leute hin. Pay-per-View: Was im Kino, in der Oper und im Zirkus gilt, vielleicht setzt es sich auch im Netz durch, denn vielleicht entspricht diese Art von Konsumverhalten ganz einfach eher unserer Zeit.

Probleme gibt es genug, etwa mit dem Kopierschutz, mit der Rechtesituation insgesamt und mit vernünftigen Abrechnungs- und Bezahlmodellen. Aber so wie Apple es mit dem iTunes-Store vorgemacht hat, könnte es funktionieren. Und tatsächlich kommt von Apple der nächste Vorstoß, wird der nächste Sargnagel für Packaged Media und auch für das klassische Fernsehen schon still und heimlich geschmiedet. So jedenfalls meldet es ein amerikanischer Internet-Dienst, der zum Wall Street Journal gehört, also wahrscheinlich nicht gänzlich unseriös sein dürfte: Demnach verhandelt Apple derzeit mit führenden Hollywood-Studios und TV-Sendern in den USA über ein zunächst auf die USA begrenztes TV- und Spielfilmabo, das über iTunes angeboten werden soll. Es soll angeblich 30 Dollar pro Monat kosten und den Zugang zu topaktuellen Spielfilmen und Serien ermöglichen. Wenn das stimmt und Apple das tatsächlich zeitnah umsetzen kann, wird es enger für die anderen — nicht nur für DVD und BD. Schon länger gibt es im iTunes-Store auch TV-Beiträge, Serien und auch einige Spielfilme. Das beschriebene Abo aber könnte hier ganz neuen Schwung bringen und neue Marktmechanismen eröffnen.

Im Musikbereich hat sich Apple mit seinem iTunes-Store längst schon zur Marktmacht für Film- und Audio-Produzenten entwickelt. Damit sind nicht alle glücklich: die Musikindustrie etwa hält den Preis von 99 Cent pro Song im iTunes-Store für viel zu niedrig — und auch für Film- und Videoproduzenten ist das Online-Angebot ein zweischneidiges Schwert.

Neue Modelle eröffnen aber auch neue Chancen: Schon jetzt gibt es Spielfilme, die niemals ins Kino kommen, sondern direkt für den DVD-Markt produziert werden. Da ist natürlich viel Schrott dabei, aber auch durchaus Brauchbares und Interessantes. Wenn man sich vorstellt, dass man diese Filme nicht erst umständlich bestellen müsste, sondern sie wie iPhone-Apps oder MP3-Musik herunterladen oder sogar ein bestimmtes Bouquet abonnieren könnte, wäre das möglicherweise auch ein sehr interessanter Markt für Independents, für Filme, die sonst nie eine Chance hätten, ein Publikum zu finden.

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